Radsport: Die weltweite Rennserie Gran Fondo New York kommt nach Deutschland. Am 28. August 2016 steigt der GFNY Deutschland in Hameln. Velomotion sprach exklusiv mit Rennveranstalter Paul Fasse.
Paul, bevor wir über das deutsche Event sprechen: Um was handelt es sich bei der GFNY-Rennserie?
Es handelt sich um ziemlich anspruchsvolle Jedermann-Rennen beziehungsweise Radmarathons, sowohl was die Rennkilometer als auch was die zu bewältigenden Höhenmeter angeht. Die Straßen sind für den Verkehr gesperrt oder zumindest polizeilich so gesichert, dass die Radfahrer an allen Kreuzungen Vorfahrt haben. Eine Zeitmessung erfolgt über ein Chip-System. Das namensgebende Hauptevent ist der Gran Fondo in New York City, der immer im Mai stattfindet. Weitere GFNY-Veranstaltungen gibt es in Italien, Frankreich, Kolumbien, Argentinien und Mexiko. 2016 kommt eben Deutschland hinzu, und auch in den asiatischen Raum expandiert die Serie mit dem GFNY Indonesien. Zugelassen sind auch Lizenzfahrer. Die besten qualifizieren sich für das GFNY Championat in New York.
Wie seid Ihr auf Hameln als Austragungsort für den GFNY Deutschland gekommen, und warum ist dies der perfekte Ort für das Event?
Hameln ist durch die Rattenfängersage weltbekannt. Die Innenstadt bietet bestens geeignete Strukturen für die Ausrichtung eines solchen Events. Und im umliegenden Weserbergland findet man alles, was das Rennradler-Herz begehrt: knackige Anstiege und schnelle Abfahrten in einer wirklich wunderschönen Umgebung.
War es schwierig, die notwendigen Genehmigungen zu bekommen?
Bereits am Anfang meiner Planungen habe ich nur positives Echo erhalten: vom Oberbürgermeister, dem Landrat, der Polizei und auch der Hameln Marketing Tourismus GmbH. Viele Türen standen offen. Das bestärkte mich in der Überzeugung, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit mit der richtigen Veranstaltungsidee zu sein. Wie wichtig Wohlwollen seitens der Verwaltung, der Stadt und allen weiteren Akteuren ist, kann wohl jeder verstehen. Nichts ist zermürbender als zähe Verhandlungen und Gegenwind.
Was ist die Philosophie des Rennens, was für Erlebnisse warten auf die Starterinnen und Starter?
Ein GFNY Rennen soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern – vom ambitionierten Rennfahrer bis zum Finisher – das Gefühl geben, ernst genommen zu werden. Für jeden ist es eine Herausforderung, die bewältigt werden will. Das Motto heißt überall: „Be a Pro for a day“, „Fühl dich wie ein Profi für einen Tag“. Das bedeutet, es soll ein Service rund um das Rennen geboten werden, der es verdient, Service genannt zu werden. Das fängt beim Empfang der Gäste auf der Bike Expo in Hameln an und hört bei den Siegerehrungen und beim Catering während und nach dem Rennen auf. Hier wird auf Qualität gesetzt. Verkochte Spaghetti mit Ketchup aus einer Feldküche, wie sie mir selbst bei einer Veranstaltung mit Gummihandschuhen auf den Pappteller geklatscht wurden, wird es nicht geben. Zudem ist Hameln allein schon eine Reise wert. Wir planen auch, dass die Teilnehmer den Rattenfänger höchstpersönlich kennen lernen und auf dem historischen Pferdemarkt in der Altstadt eine Theatervorführung miterleben.
Wo führt die Strecke lang, was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Sattel?
Zwei Strecken stehen zur Auswahl: Ein Medio Fondo über knapp 100 Kilometer mit 1.086 Höhenmetern und ein Gran Fondo mit 165 Kilometern und 2.214 Kilometer. Start und Ziel befinden sich in der Hamelner Altstadt. Die Strecke ist vergleichbar mit einem Frühjahrsklassiker, weist zahlreiche teils knackige Anstiege und Abfahrten auf, aber auch schnelle Flachpassagen, bei denen man sich über jeden Windschatten freut. Besondere Highlights im Weserbergland sind sicher das Ottensteiner Hochplateau, die kurvenreiche Passage nach Börry und die Anstiege nach Ith und zur Schaumburg. Gerade an der letztgenannten geht es zur Sache: 4 Kilometer mit teilweise 12 Prozent Steigung. Wenn dort der King of the Mountain gefunden ist, geht es in einem Bogen wieder hinab Richtung Hameln und zum Ziel in der Altstadtstadt.
Die Anmeldung ist mit zur Zeit 75 Euro im Vergleich zu anderen Jedermannrennen nicht günstig…
Okay, Jedermannrennen gibt es anderswo auch und sogar billiger vielleicht. Aber wer glaubt, man könne mit so einem Event mal eben eine Million Euro verdienen und das wäre der Hauptantrieb, der ist auf dem Holzweg. Ich habe 2014 in New York teilgenommen, und wenn der Gran Fondo 25 Dollar gekostet hätte und eine entsprechende Sparversion gewesen wäre, wäre ich nicht für 600 Euro plus Hotelkosten dorthin geflogen. Es war einfach stimmig und gut – jeden Dollar wert. Das ist der Unterschied. Und das Qualitätssiegel gilt auch für den GFNY Deutschland. Natürlich ist die Eventdurchführung in NYC teurer als in Hameln, aber auch hier gibt es eine Menge Ausgaben.
Konkurrenz besteht auch zu den am gleichen Wochenende stattfindenden Ötztaler Radmarathon und Alpenbrevet. Was ist Dein zentrales Argument für einen Start in Hameln?
Wer den Ötztaler mitfahren möchte, soll das tun – wenn er einen Platz bekommt… Aber warum sollen die guten, großen Jedermannrennen eigentlich nur in großen Städten oder auf Extremstrecken stattfinden, muss das eigentlich so sein? In Hameln wird die ganze Stadt auf den Beinen sein, um den Gran Fondo zu verfolgen! Dazu kommen die Touristen. Es wird dort eine Atmosphäre entstehen, die man anderswo einfach nicht finden wird. Man muss einfach einmal da gewesen sein, um sich ein Bild zu machen.
Eine Besonderheit bei den GFNY-Veranstaltungen sind auch die Trikots.
Ja, die sind im Preis enthalten. Alle Fahrer sind aufgefordert beim Rennen das Event-Trikot zu tragen. Zum einen wegen der sensationellen optischen Wirkung, und zum anderen vereinfacht es allen Beteiligten die Erkennung der Teilnehmer. Das ist sowohl für die Polizei als auch für die Fotografen, Caterer und den Staff des GFNY Deutschland wichtig.
Soll der GFNY Deutschland in erster Linie einheimische Starterinnen und Starter ansprechen oder eher eine internationale Zielgruppe zum Deutschland-Besuch animieren?
Beides – der GFNY Deutschland ist natürlich für alle offen, klar. Aber es wird erst richtig schön, wenn wir auch das internationale Flair hin bekommen, je internationaler desto besser. Das schafft ein globales Zusammengehörigkeitsgefühl, was unvergleichlich ist. Einheimische Fahrer sind uns natürlich genauso wichtig. Gerade diejenigen, die das Rennen vor der Haustür haben, sollen sich auf ihren polizeilich abgesicherten und gesperrten Hausstrecken mal so richtig austoben können.
In den letzten Monaten hat das Thema Doping im Jedermannsport die Gemüter erhitzt, einige erfolgreiche Athleten wurden überführt, eine große Dunkelziffer ist wahrscheinlich. Viele Veranstalter tun sich aber mit Dopingkontrollen schwer. Wie steht GFNY Deutschland zum Thema Doping?
Wie auch in New York möchten wir in Hameln keine gedopten Fahrer oder vorbelastete Ex-Profis. Die könnten zwar mitfahren, aber ohne Zeitnahme. Außerdem dürfen sie nicht in das Renngeschehen eingreifen. Ich werde versuchen, die NADA dazu zu bewegen, bei unserer Veranstaltung zugegen zu sein. Das kostet leider entweder viel Geld, oder bedarf großer Überzeugungskünste – ich werde es versuchen.
Was ist Dein persönlicher Antrieb als Rennveranstalter, was möchtest Du realisieren?
Ich habe schon so einige Gran Fondi mitgemacht und mir immer so meine Gedanken dazu gemacht. Meine Teilnahme am GF in New York 2014 war dann so ein Schlüsselerlebnis für mich. Die Internationalität und die Stimmung vor, beim und nach dem Rennen waren schon einzigartig – das möchte ich auch für den GFNY Deutschland in Hameln schaffen. Und wie gesagt: Bei dem was Hameln zu bieten hat, müsste es mit dem Supererlebnis normalerweise problemlos funktionieren.
Wie bist Du in die Position des Rennveranstalters gekommen?
Das ist schnell erzäht. Ich bin den letzten GFNY Puerto Rico mitgefahren. Dort waren nicht die 5.000 Fahrer wie in New York City, es war eher überschaubar. Außerdem waren dort außer meiner Frau, zwei harten Jungs und GFNY-Chef Uli Fluhme nur fünf Deutsche dabei, so hat man sich schnell gefunden. Nach einem längeren Gespräch mit Uli und seiner Frau und Mitstreiterin Lidia sowie einigen E-Mails zwischen Deutschland und den USA kam dann schließlich der zündende Vorschlag von Uli: „Mach doch am besten Veranstalter“ – Gesagt, getan – los geht’s.
Wie sieht in Deinen Augen die ideale Entwicklung für GFNY Deutschland in den kommenden Jahren aus?
Die ideale Entwicklung sieht für mich folgendermaßen aus: Wir arbeiten erst einmal hart für ein gutes Gelingen der Erstausgabe. Das ist essentiell. Danach hoffe ich auf eine weitere Verbreitung der guten Nachricht, und darauf, dass sich noch mehr Fahrer und Unterstützer für den GFNY Deutschland finden werden. Im dritten Jahr schließlich hoffe ich auf eine Festigung des bereits Erreichten und einen weiteren erfolgreichen Verlauf.
Paul, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für das Event.