Radsport: Der Belgier Tim Wellens sorgte nach dem gestrigen Erfolg von André Greipel für den zweiten Sieg von Lotto Soudal direkt hintereinander. Er attackierte mit zwei weiteren Leuten rund 60 km vor dem Ziel und schloss mit ihnen zur Spitzengruppe auf. Am unrhythmischen Schlussanstieg hinauf in die kleine Gemeinde Roccaraso ließ er keine Zweifel darüber aufkommen, dass er am heutigen Tage der Stärkste in der Spitzengruppe war. Tom Dumoulin (Giant-Alpecin) setzte mit seiner Attacke kurz vor dem Ziel ein echtes Ausrufezeichen und bleibt damit im Maglia Rosa.
Nasse Straßen und viel Wind in der ersten Rennhälfte
Nach einem Prolog, drei Sprintankünften und einer hügeligen Etappe kam es auf dem heutigen sechsten Teilstück des Giros zur ersten Bergankunft. Über 157 km fuhr das Fahrerfeld von Ponte nach Roccaraso in 1.572 m Höhe. Als wären die Höhenmeter noch nicht quälend genug, mussten sich die Fahrer außerdem mit regnerischem Wetter und viel Gegenwind auseinandersetzen. Dennoch wollten sich viele Fahrer gleich zu Beginn aus dem Staub machen, unter anderem befand sich darunter auch Damiano Cunego, der sein Bergtrikot anscheinend langfristig behalten möchte. Schließlich gelang drei Fahrern die vorzeitige Flucht: Alessandro Bisolti (Nippo-Vini Fantini), Eugert Zhupa (Wilier Triestina-Southeast) und Alexandr Kolobnev (Gazprom-Rusvelo). Rund 54 km nach dem Start stand dann auch schon die erste Bergwertung des Tages auf dem Programm. Der Bocca della Selva ist ein Berg der 2. Kategorie mit einer Länge von 18 km und einer Durchschnittssteigung von 5,6 %.Wenig überraschend schnappte sich Cunegos Teamkollege Alessandro Bisolti die vollen 15 Punkte vor Alexandr Kolobnev und Eugert Zhupa. Aus dem Feld heraus landete Damiano Cunego auf Rang vier und Stefano Pirazzi (Bardiani-CSF) auf dem fünften Platz. Damit erarbeitete sich das Team Nippo-Vini Fantini vorerst eine Doppelführung in der Bergwertung.
Lotto Soudal witterte die Chance auf den Tagessieg
Das Team Giant-Alpecin führte das Feld bei mittlerweile trockenen Straßen wieder näher an die Ausreißer heran. Dadurch sahen einige Fahrer ihre Chance gekommen, aus dem Peloton heraus in die Spitzengruppe zu springen. Während Alexandr Kolobnev zurückfiel, konnten Laurent Didier (Trek-Segafredo), Pim Ligthart und Tim Wellens (beide Lotto Soudal) die Spitzengruppe auf fünf Mann erhöhen und der Vorsprung wurde wieder ausgebaut. Im Hauptfeld wollte niemand so recht etwas gegen den immer größer werdenden Abstand tun. Giant-Alpecin schien mit der Zusammensetzung der Gruppe einverstanden zu sein, denn Alessandro Bisolti stellte mit bereits über zwölf Minuten Rückstand den für das Maglia Rosa gefährlichsten Fahrer dar. Auf welligem Profil bereiteten sich alle Fahrer auf den Schlussanstieg hinauf in die kleine Gemeinde Roccaraso vor. Der Berg der 2. Kategorie ist 16,8 km lang und im Durchschnitt 4,8 % steil. Die Maximalsteigung von 12 % wird bereits im unteren Abschnitt befahren. Flache bzw. sogar leicht abschüssige Passagen machen den Anstieg zu keinem besonders harten Berg, aber dafür zu einem sehr unrhythmischen. Außerdem müssen kurz vor dem Ziel nochmal Abschnitte mit bis zu 8 % Steigung bezwungen werden. Mit einem Vorsprung von rund 6:30 Minuten nahm die fünfköpfige Ausreißergruppe den Schlusanstieg zuerst in Angriff, wo Pim Ligthart sofort den Anschluss verliert. Seine Aufgabe hat der Niederländer aber bestens erfüllt, denn er musste seinen Teamkollegen Tim Wellens mit einem größtmöglichen Vorsprung an den Fuße des Schlussanstiegs bringen, damit dieser die Chance auf den Tagessieg bekommt.
Tim Wellens gewinnt die Etappe, Tom Dumoulin kontert Vincenzo Nibali
Während sich vorne Tim Wellens recht schnell von seinen Mitstreitern lösen konnte, führte das Team Astana das bereits dezimierte Feld in den Schlussanstieg. 13 km vor dem Ziel attackierte plötzlich Jakob Fuglsang (Astana), der als Edelhelfer von Vincenzo Nibali gilt und somit eine zweite Speerspitze des Teams darstellt. Kanstantsin Siutsou (Dimension Data) folgte ihm, doch diese Attacke zwang auch die Teams anderer Favoriten zur Initiative. Besonders Movistar, das Team von Alejandro Valverde, nahm dann das Heft in die Hand und leistete die Nachführarbeit. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Tim Wellens heute niemand mehr einholen wird. Die Attacke rund 60 km vor dem Ziel zusammen mit Pim Ligthart kann als perfekt getimt bezeichnet werden und ist wieder mal ein Beispiel von Teamwork im Radsport. Währenddessen entbrannte dahinter der Kampf um das Maglia Rosa, denn Jakob Fuglsang befand sich durch seine Attacke bereits virtuell im Trikot des Führenden. Kein Wunder, dass Movistar nun von weiteren Teams unterstützt wurde. Rund drei km vor dem Ziel testete Vincenzo Nibali mit einer kurzen Attacke seine Konkurrenten. Nachdem er wenige Sekunden später schon wieder vom Feld eingeholt wurde, war es dem Mann im Maglia Rosa, Tom Dumoulin, zu bunt geworden und er griff plötzlich selbst an. Zusammen mit Domenico Pozzovivo (Ag2r) und Ilnur Zakarin (Katusha) schloss er die Lücke zu Jakob Fuglsang und Kanstantsin Siutsou, während Tim Wellens bereits jubelnd über die Ziellinie fuhr. Jakob Fuglsang konnte sich im Sprint um Platz zwei gegenüber Ilnur Zakarin durchsetzen. Tom Dumoulin erreichte das Ziel 1:22 Minuten hinter Tim Wellens, 14 Sekunden vor Alejandro Valverde und 21 Sekunden vor Vincenzo Nibali. Damit hat er sein Rosa Trikot souverän verteidigt und seinen Vorsprung sogar ausbauen können.
Gibt es morgen den Tag der Ausreißer?
Die morgige Etappe von Sulmona nach Foligno führt die Fahrer 211 km über ein vorwiegend welliges Terrain. Der Gipfel des letzten Anstiegs Valico della Somma wird knappe 41 km vor dem Ziel erreicht. Mit einer durchschnittlichen Steigung von 4,9 % und einer Länge von 6,7 km könnte er für die meisten sprintstarken Fahrer eine Nummer zu schwer sein, weshalb morgen die Stunde der Ausreißer schlagen könnte. Setzt sich jedoch ein dezimiertes Fahrerfeld durch, so ist mit hügelfesten und gleichzeitig sprintstarken Leuten wie Sonny Colbrelli (Bardiani-CSF), Joaquin Rojas (Movistar), Enrico Battaglin (Lotto NL-Jumbo) oder sogar Alejandro Valverde zu rechnen.
Endergebnis Giro d’Italia 2016 Etappe #6
Platz | Fahrer | Land | Team | Zeit |
---|---|---|---|---|
1. | Tim Wellens | BEL | Lotto Soudal | 04:40:05 |
2. | Jakob Fuglsang | DEN | Astana | 00:01:19 |
3. | Ilnur Zakarin | RUS | Team Katusha | |
4. | Tom Dumoulin | NED | Team Giant-Alpecin | 00:01:22 |
5. | Kanstantsin Siutsou | BLR | Dimension Data | 00:01:24 |
6. | Domenico Pozzovivo | ITA | AG2R La Mondiale | |
7. | Esteban Chaves | COL | Orica-GreenEdge | 00:01:29 |
8. | Rigoberto Uran | COL | Cannondale | 00:01:33 |
9. | Rafal Majka | POL | Tinkoff Team | |
10. | Alejandro Valverde | SPA | Movistar | 00:01:39 |
Gesamtwertung Giro d’Italia 2016 nach Etappe #6
Fahrer | Land | Team | Zeit | |
---|---|---|---|---|
1. | Vincenzo Nibali | ITA | Astana | 86:32:49 |
2. | Esteban Chaves | COL | Orica-GreenEDGE | 00:00:52 |
3. | Alejandro Valverde | ESP | Movistar | 00:01:17 |
4. | Steven Krujswijk | NED | LottoNL-Jumbo | 00:01:50 |
5. | Rafal Majka | POL | Tinkoff | 00:04:37 |
6. | Bob Jungels | LUX | Etixx - Quick-Step | 00:08:31 |
7. | Rigoberto Uran | COL | Cannondale | 00:11:47 |
8. | Andrey Amador | COL | Movistar | 00:13:21 |
9. | Darwin Atapuma | COL | BMC | 00:14:09 |
10. | Kanstantsin Siutsou | BLR | Cannondale | 00:16:20 |