Radsport: Der Begriff FairPlay nimmt in jeder Sportart eine wichtige Rolle ein. Wenn die aufgestellten Regeln und Gesetze an ihre Grenzen stoßen, sorgt der FairPlay-Gedanke für Ordnung und Fairness. Wenn es jedoch unter den Sportlern Uneinigkeit darüber gibt, sorgt die Kontroverse für Diskussionen. Gesehen haben wir dies zuletzt auf der neunten Etappe der Tour de France: Fabio Aru (Astana) attackierte Chris Froome (Sky), während dieser einen Defekt hatte. Welche Meinung vertretet ihr bei diesem Thema?
Ungeschriebene Gesetze im Radsport
In wohl keiner Sportart gibt es so viele ungeschriebenen Gesetze wie im Radsport. Auch wenn die Szene in der Öffentlichkeit um ihren guten Ruf kämpft, ist der Radsport in weiten Teilen ein Gentlemen-Sport. Verständlich, denn die Fahrer im Peloton sind aufeinander angewiesen. Wer im Fahrerfeld unbeliebt ist, wird einfach nicht weggelassen. Während sich die Profis im Fußball häufig zu täuschen versuchen, wird sich im Radsport viel eher die helfende Hand gereicht. Dieser Zusammenhalt ist wichtig, nicht nur für die Profis. Denn auch die Fans der verschiedenen Fahrer und Teams verstehen sich meist blendend. Sie feiern – ganz nach dem Motto „Vive le Tour“ – viel eher die Sportart an sich als nur die einzelnen Fahrer.
Fabio Aru attackiert Chris Froome bei Defekt
Der sowieso schon sehr gefährliche und enorm intensive Radsport scheint auf diese ungeschriebenen Gesetze und den FairPlay-Gedanken also angewiesen zu sein. Umso größer ist dann der Aufschrei, wenn sich vereinzelte Fahrer oder Teams nicht daran halten. Dann lehnen sie sich nicht nur gegen ihre Widersacher auf, sondern auch gegen die gesamte Szene und ihre Fans. So geschehen auch auf der neunten Etappe der Tour de France. Fabio Aru attackierte Chris Froome, nachdem dieser die rechte Hand auf Grund eines Defekts hob. Im TV war deutlich zu sehen, dass Aru sich hinter Froome befand und dessen Signal hat sehen müssen. Dennoch äußerte sich Fabio Aru nach dem Rennen ganz anders: „Ganz ehrlich: Ich habe nicht gesehen, dass Chris Froome technische Probleme hatte.“ Arus Angriff fuhren die Konkurrenten zwar hinterher, doch mitführen wollte niemand. So konnte der Mann im Gelben Trikot wieder aufschließen und Arus Attacke verpuffte.
https://www.youtube.com/watch?v=Istbc2rs_pE
FairPlay zwischen Jan Ullrich & Lance Armstrong
Den FairPlay-Gedanken im Radsport hochgehalten haben über viele Jahre Jan Ullrich und Lance Armstrong. In mehreren Situationen kam einer von beiden unverschuldet zu Fall. Danach wurde stets auf den Konkurrenten gewartet. Man erinnere sich nur an die Reaktion, als Jan Ullrich eine Böschung hinabstürzte. Lance Armstrong drosselte das Tempo und wartete auf seinen Kontrahenten. Auf einer anderen Etappe kam Lance Armstrong durch einen Zuschauer zu Fall. Auch hier handelten die Fahrer im Sinne des FairPlay und ließen Armstrong wieder herankommen. Dieser rutschte bei seiner Aufholjagd dann sogar noch aus dem Pedal, konnte sich aber gerade noch auf dem Rad halten. Als Armstrong den Anschluss wiederherstellen konnte, attackierte der Texaner selbst und distanzierte all diejenigen, die zuvor auf ihn gewartet haben. FairPlay kann also auch zu einem Boomerang werden.
FairPlay kann im Radsport auch unfair sein
Kein Sportler und kein Fan hat etwas gegen FairPlay. Doch manchmal kann das entsprechende Verhalten auch unfair für andere Beteiligte werden. Dafür muss man sich nur in eine einfache Situation hineinversetzen: Angenommen, das Team Astana hat einen Angriff in der Mitte des Mont du Chat bereits vor dem Etappenstart geplant. Wenige Meter vor der vereinbarten Stelle erleidet ein Gegner einen Defekt oder stürzt. Muss das Team Astana nun – laut FairPlay – das durchgeplante Vorhaben abblasen und warten? Sicher wäre dies fair gegenüber dem Gegner, aber gleichzeitig doch äußerst unfair gegenüber Astana. Beim Fall Aru gegen Froome kann dieses Beispiel nicht herangezogen werden. Doch schauen wir einmal wenige Kilometer weiter, finden wir ein weiteres Beispiel dafür, dass FairPlay eben nicht gleich FairPlay ist.
Soll etwa nur auf den Mann in Gelb gewartet werden?
Richie Porte (BMC) kam in der Abfahrt zu Fall und riss Daniel Martin (Quick-Step Floors) mit zu Boden. Der Ire hatte an seinem Sturz keinerlei Schuld. Er war einfach nur im falschen Moment am falschen Ort. Die restlichen Mitglieder der Gruppe fuhren in hohem Tempo weiter und dachten überhaupt nicht daran, das Tempo für Martin und Porte herauszunehmen. Auch das ist verständlich, denn würden alle Fahrer bei jedem Sturz warten, dann käme das Rennen ständig zum erliegen. Doch wo sind die Grenzen? Soll nur bei einem Defekt oder Sturz des Mannes in Gelb gewartet werden? Oder darf einfach nur nach einem so unglücklichen Zwischenfall keine bewusste Attacke geritten werden?
Eure Meinung ist gefragt: Gibt es eine sinnvolle Lösung?
Das Problem an der Thematik ist, dass ungeschriebene Gesetze nunmal ungeschriebene Gesetze sind. Letztendlich kann sich jeder Fahrer innerhalb der Regeln verhalten wie er möchte. Immer wieder wird ein solcher Zwischenfall zu Diskussionen führen. Daher wollen wir eure Meinung wissen. Habt ihr vielleicht sogar eine elegante Lösung parat? Wie seht ihr den Fall Aru gegen Froome? Wir freuen uns auf Kommentare direkt unter dem Beitrag, auf Facebook oder Twitter.