Test: SRAM Force 1: Lohnt sich der Umstieg auf das einfache, umwerferlose X-Sync Kettenblatt von Sram? Unser Langzeittest zeigt: Wer auf Kettenblatt und Umwerfer verzichtet, gewinnt beim Crossen, anstatt Verzicht üben zu müssen.
„Weniger ist (manchmal) mehr“ – das klingt konkurrenzlos abgedroschen und lässt sich bei so ziemlich jeder Gelegenheit vom Stapel lassen. Als SRAM vor rund drei Jahren seine erste CX1-Gruppe vorstellte (damals noch mit mechanischen Felgen- und Scheibenbremsen), fragten nicht nur wir uns, warum ausgerechnet weniger Gänge „mehr“ sein sollten. Schließlich hatten die Komponentenhersteller jahrzehntelang ein Ritzel nach dem anderen hinzugefügt; mit 22 Gängen wähnten wir uns also endlich übersetzungsmäßig gut ausgestattet – mit großem Umfang und feiner Abstufung. Warum jetzt also bei der SRAM Force 1 die Hälfte davon über Bord werfen, zumal die Yaw-Umwerfer der Amerikaner einen nahezu perfekten Wechsel zwischen den Kettenblättern boten?
SRAM Force 1: anderes Schaltverhalten im Gelände
Die Antwort liegt im Schaltverhalten, das beim Cyclocross deutlich anders aussieht als beim Rennradfahren. Auf der Straße kommt man ohne die feinen Ein-Zahn-Abstufungen einer Kassette wie 11-27 kaum aus, denn bei großer Belastung, sei es am Berg oder in der Ebene, gilt es, Tretfrequenz und Drehmoment immer im optimalen Bereich zu halten. Bereits ein Zweiersprung kann dazu führen, dass man im leichteren Gang ins Leere zu treten meint, während im schwereren der Kraftaufwand schnell zu groß wird. So schaltet man hilflos hin und her und hat nur die Wahl, in den roten Bereich zu fahren oder unter seinen Möglichkeiten zu bleiben.
Auf dem Querfeldeinrad sieht es jedoch anders aus. Verwinkelte Kurse, wechselnde Bodenbeschaffenheit und kurze, giftige Steigungen führen zu ständigem Tempowechsel. Vor der rutschigen Spitzkehre kommt man fast zum Stillstand, hinter ihr heißt es wieder auf Renntempo beschleunigen; mal braucht man am Steilhang einen Rettungsring, mal den dicken Gang, um auf einem breiteren Streckenabschnitt zu überholen. Im Grunde wird also permanent geschaltet, und wer auf eine klassische Rennrad-Kassette vertraut – sagen wir 11-12-13-14-15-16-17-19-21-24-27 – wird feststellen, dass er die Gänge meist im Doppelpack wechselt, denn die engen Abstufungen passen nicht zu den starken Tempowechseln beim Crossen. Oft genug wird gleich drei oder vier Mal hintereinander geschaltet, etwa wenn man aus voller Fahrt vom Rad muss, um ein Hindernis zu überspringen. Beim Beschleunigen muss man dann – klick, klick, klick – wieder die großen Gänge Zahn für Zahn durchschalten. Und durch den Wechsel zwischen den Kettenblättern verkompliziert sich die Sache noch weiter. Einerseits muss man beim Schalten vorne deutlich Kraft rausnehmen, andererseits macht der Blattwechsel zeitraubende Ausgleichs-Schaltvorgänge am Hinterrad nötig, selbst wenn die Blätter Cross-typisch nur zehn Zähne Unterschied aufweisen.
SRAM Force 1: der richtige Gang liegt schneller auf
All das spricht dafür, getrost eine etwas gröbere Abstufung zu wählen, die im mittleren Bereich je zwei, nach oben hin drei bis vier Zähne Unterschied aufweist. Den dadurch entstehenden Spielraum nutzt man für einen größeren Gesamtumfang, wie ihn eine Kassette mit 11-32 Zähnen bietet. Kombiniert mit einem 42er Kettenblatt, ergibt sich eine Entfaltung, die nahezu exakt der Abstufung 46/36 mit 12-27er Kranz entspricht.
Natürlich ist das nicht nur Theorie, sondern unsere persönliche Erfahrung mit den unterschiedlichen Schaltsystemen. Bereits auf der ersten Tour mit der SRAM Force 1 über unsere Standard-Trainingsrunde stellen wir fest: Trotz der gröberen Abstufung fehlt eigentlich nie ein „Zwischengang“. Beim Hineinfahren in ein Steilstück liegt der richtige Gang schneller auf, denn statt der fünf Schaltschritte vom 16er aufs 25er Ritzel sind jetzt nur noch drei nötig (vom 18er aufs 28er). Ähnlich sieht es beim Hochschalten aus – vielleicht muss minimal härter angetreten werden, doch dafür haben wir das Gefühl, schneller Tempo aufzunehmen.
Bis hierhin sind „weniger“ Gänge gleichzusetzen mit ebenso großem Gesamtumfang ohne fühlbare Verluste – wo also ist das „Mehr“? Zum einen liegt es in der bereits beschriebenen Reduzierung der Schaltvorgänge und dem kompletten Wegfall des Kettenblattwechsels – beides wirkt sich positiv auf Dynamik und Fahrspaß im Gelände aus. Dazu kommt außerdem das Schaltverhalten als solches, und an diesem Punkt wollen wir uns etwas genauer mit der Technik der SRAM Force 1 befassen.
SRAM Force 1: die Kette hält Dank X-Sync-Kettenblatt
Zwei entscheidende Veränderungen verhelfen der SRAM Force 1 zu exaktem und sicherem Schaltverhalten mit nur einem Kettenblatt. Der erste (und wichtigste) Punkt ist das X-Sync-Kettenblatt, von den SRAM-Ingenieuren in Schweinfurt entwickelt und inzwischen von vielen anderen Herstellern kopiert. Es ist mit zwei unterschiedlichen Arten von Zähnen ausgestattet – die einen scharf und kantig wie die Klinge eines Schlitzschraubendrehers, die anderen geformt wie ein in die Länge gezogenes Sechseck. Die schmalen Zähne passen zwischen die Innenlaschen der Kette, die sechseckigen zwischen die Außenlaschen. Dazu sind alle Zähne so lang, dass sie oben aus der Kette hinausschauen.
Dadurch erreicht SRAM, dass die Kette extrem sicher auf dem Blatt aufliegt, und zwar ohne Kettenschutzringe, wie sie bei herkömmlichen 1-fach-Antrieben üblich sind. Dass die Kette bei einem Sturz oder beim Verschalten abfällt, ist so gut wie ausgeschlossen. Das X-Sync-Kettenblatt hat eine weitere Besonderheit: In Relation zum Kurbelstern sind die Zähne um einige Millimeter nach innen versetzt, sie liegen also mithin genau zwischen großem und kleinem Blatt einer Zweifachkurbel. So wird sichergestellt, dass die Kettenlinie auch bei Schräglauf stimmt.
Neuheit Nummer zwei ist das spezielle Schaltwerk des 1-fach-Systems. Im Vergleich zu einem normalen SRAM-Schaltwerk wirkt es riesig mit seinem mittellangen Käfig und den großen Schaltröllchen; mit 260 Gramm ist es auch rund 100 Gramm schwerer. Auffällig ist die starke Feder, die die Schaltschwinge nach hinten zieht. Sie sorgt dafür, dass die Kettenspannung immer hoch genug ist, ob nun das 11er Ritzel aufliegt oder das 32er. (Un-)Hörbarer Effekt: Dass der Gliederstrang auf die Kettenstrebe schlägt, kommt mit diesem Schaltwerk nicht vor.
SRAM Force 1: Cage Lock arretiert das Schaltwerk
Sehr praktisch ist die Cage Lock-Vorrichtung: Dreht man die Schaltschwinge nach vorne und drückt den Knopf mit dem Schloss-Symbol, arretiert die Schwinge, und die Kette hängt ohne Spannung durch. So kann man Hinterrad sauber schnell aus- oder einbauen; auch das Ablängen der Kette wird damit einfacher.
Auswirkungen aufs Schaltverhalten hat der sichere Sitz der Kette nicht. In beide Richtungen klappt der Gangwechsel geschmeidig und exakt; auch wenn das größte Ritzel aufliegt, ist keinerlei zusätzliche Reibung zu spüren. Waren ältere SRAM-Kassetten in der Regel etwas „schaltfauler“ als ihre Shimano-Kollegen, sind PG-1170 und die günstigere PG-1130 auf der Höhe der Zeit. Trotz seines großen Gesamtumfangs ist das 11-32-Paket recht fein abgestuft: Vier Einerschritte, zwei Zweiersprünge, drei Drei-Zahn-Schritte und ein abschließender Viererschritt stellen sicher, dass alle Gangsprünge zwischen 10,7 und 11,6 % liegen – insgesamt ist die Kassette damit also sehr gleichmäßig abgestuft.
SRAM Force 1: gleichmäßige Abstufung in vielen Varianten
Und damit ist man im Gelände gut gerüstet, wie Velomotion im Training und beim ersten Renneinsatz der Saison feststellen konnte. Ob kurzes Steilstück oder schnelle Flachpassage – der Elffach-Kranz hat immer den richtigen Gang parat. Im Vergleich zum Rennrad sorgt auch der größere Abrollumfang der Crossreifen dafür, dass der größte Gang am Testrad mit 38-11 ausreichend lang übersetzt scheint.
Für richtige Rennfahrer gibt es natürlich auch größere Kettenblätter – in Zweierschritten bis 48 für 110er Lochkreis (und für Kriteriumsrenner und Zeitfahrrad 52er und 54er). Der Schalthebel der SRAM Force 1 lässt sich knackig bedienen, ohne das die nötige Handkraft übermäßig groß wäre; die starken Federn des Schaltwerks sind beim Gangwechsel nicht spürbar.
Ungewohnt ist freilich die Haptik des linken Hebels, der an der Unterseite ein tiefes Loch aufweist – dort, wo früher die Mechanik des Umwerferhebels saß. Den Werfer selbst vermisst man nicht, vielmehr fällt gerade im Rennen auf, dass man deutlich schneller zur passenden Übersetzung findet, wenn man nicht auch noch vorne schalten muss.
SRAM Force 1: auch die hydraulischen Scheibenbremsen überzeugen
Zur SRAM Force 1 gehören hydraulische Scheibenbremsen, die Velomotion gleich mittesten konnte und die in allen Bereichen überzeugen. Im Notfall lässt die Bremse scharfe Verzögerung zu und ist dabei fein modulierbar. Die Rotoren weisen leicht gerundete Kanten auf, die angeblichen Verletzungsgefahren sind also ausgeschlossen; optisch sehr gefällig und zudem leicht sind die kompakten Bremssättel. An den griffigen Hebeln fällt einzig der recht große Leerweg auf, dennoch zieht man den Bremshebel nicht zu nah an den Lenker heran.
Velomotion montierte die Gruppe an einen etwas älteren Focus-Crosser, der mit Zuginnenverlegung und RAT-Steckachsen aber über zeitgemäße Ausstattung verfügt. Die Einstellung der Schaltung geht leicht vonstatten, wenn man sich an die Anleitung hält – wichtig ist der korrekte Abstand zwischen Ritzeln und oberer Schaltrolle. Auch die Hydraulikleitungen lassen sich mit etwas Geschick selbst verlegen.
SRAM Force 1: 600 Gramm Gewichtsersparnis
Im Vergleich zur 2×10-Schaltgruppe mit leichtem Alu-Kurbelsatz und den mechanisch-hydraulischen Bremsen des Focus sparte die Force-Gruppe übrigens satte 600 Gramm ein – der mit Alu-Rahmen und günstigen DT-Swiss-Laufrädern eher stämmige Focus-Crosser kommt damit inklusive Pedalen auf genau neun Kilo. Auch in dieser Hinsicht ist das Umrüsten auf 1×11 also überlegenswert, wobei es natürlich darauf ankommt, was für Komponenten man ersetzt. Dazu kommt, dass das Rad ohne Umwerfer, dessen Schaltzug und einen eventuellen Kettenfänger deutlich aufgeräumter aussieht. Es lässt sich leichter reinigen, die Defektgefahr sinkt – insgesamt birgt die Reduzierung der Gänge also nur Vorteile am Crosser.
SRAM Force 1: Komplettgruppe liegt bei fast 1.000 Euro
An die 1.000 Euro kostet die komplette SRAM Force 1 derzeit – kein Wunder, dass Kompletträder mit der Gruppe kaum unter 3.500 Euro zu haben sind. Allerdings lässt sich natürlich ein vorhandenes Rad mit den 1x-Komponenten nachrüsten. Ein X-Sync-Kettenblatt wird mit rund 65 Euro gehandelt; das Rival-Schaltwerk, in Sachen Gewicht und Funktion praktisch identisch mit dem Force, ist ab 85 Euro zu haben. Damit kostet der Einstieg in die 1-fach-Welt gerade mal 150 Euro. SRAM macht den Umstieg auf 1-fach auch dadurch schmackhaft, dass Schaltwerk wie Kettenblatt vollständig Zehnfach-kompatibel sind. Wir haben einen älteren Crosser von 2×10 auf 1×10 umgerüstet, was bestens funktionierte – das Schaltverhalten ist freilich nicht ganz so perfekt, da die älteren SRAM-Hebel nicht auf die starken Federn der Cross-Schaltwerke abgestimmt sind.
SRAM Force 1 auf der Waage
Komponente | Gewicht |
---|---|
Hebel/Bremssattel/Leitung rechts | 433g |
Hebel/Bremssattel/Leitung links | 344g |
Schaltwerk (mittellang) | 263g |
Kurbelsatz 175mm / 38er Blatt | 609g |
Kassette 11-32 | 308g |
Kette (ungekürzt) | 280g |
Centerline-Bremsscheibe (Paar) | 236g |