Test: Das Rocky Mountain Slayer ist zurück! Eines der wohl bekanntesten Bikes der Kultschmiede aus Vancouver. Unter den Entwicklern befinden sich alte Hasen wie Thomas Vanderham, die frei nach dem Motto „love the ride“ die Bikes designen. Seit jeher steht das Slayer für grobe Trails, für viel Airtime und MTB-Spirit pur – daran ändert sich auch 2017 nichts. Mit der Neuauflage aus Carbon stellt sich der Fahrer nur noch die Frage „ab in den Park oder doch lieber eine Tagestour?“. Mit dem 730MSL hatten wir die 4.600€ teure Einstiegsvariante im Test.
Rocky Mountain Slayer 2017: Rahmen
Das Sahnestückchen des Trailmörders ist zweifellos sein Rahmen. Dieser ist aus Smoothwall Carbon gefertigt und kommt mit gedichteten Wälzlagern. Zu unserem Erfreuen wurden diese nach außen hin verdeckt – nicht nur optisch ein Gewinn, sondern schützt eben auch vor Nässe, Schlamm und Sand. Positiv zu erwähnen ist außerdem der insgesamt angenehm schmale Hinterbau, in dem zwar Boost Naben Platz finden, an dem man aber nicht dauernd anstößt.
Neu für das Slayer ist außerdem das Ride 4 Verstellsystem – dabei handelt es sich um einen Flipchip an der Dämpferaufnahme, durch den sich die Geometrie in vier unterschiedlichen Stellungen arretieren lässt. Zu den Veränderungen kommen wir gleich, erwähnenswert ist in jedem Fall, dass die Kennlinie des Hinterbaus in allen vier Einstellungen quasi gleich bleibt.
Sitz- und Steuerwinkel können bis zu 1° variiert werden, die Tretlagerhöhe bis zu 7,5 Millimeter nach oben oder unten. So lässt sich für jeden Trail und für jeden Fahrstil ein passendes Setup finden. Am Unterrohr befindet sich auch noch eine großzügig dimensionierte Öffnung, die das Zugverlegen im Rahmen erleichtert und jedes Mechanikerherz höher schlagen lassen dürfte. Außerdem findet sich unter dieser Abdeckung auch Platz zum Verstauen etwaiger Di2 Technik.
Zukunftssicher ist man auch beim Fahrwerk oder besser gesagt beim Dämpfer unterwegs. Aus dem 230mm langen Dämpfer holt der Rahmen 165mm Federweg heraus. Man bekommt damit ein eher gemäßigtes Übersetzungsverhältnis, das gerade in Verbindung mit einer großen Luftkammer für viel Sensibilität sorgen dürfte. Freunde von Umwerfern und zwei Kettenblättern enttäuscht das Slayer – der Rahmen ist ausschließlich auf 1x-Antriebe ausgelegt. Schön ist die integrierte Kettenführung, die mit Kettenblättern bis zu 36 Zähnen klarkommt.
Der Rahmen ist insgesamt unglaublich gut verarbeitet und ein wahrer Handschmeichler – das berühmt-berüchtigte Haar in der Suppe ist jedoch der ab Werk aufgebrachte Kettenstrebenschutz, der sich in unserem Fall bereits nach kurzer Zeit bereits löste.
Rocky Mountain Slayer: Geometrie
Das Slayer ist ein Rad für’s Grobe, kein Zweifel – das war es schon immer. Doch im Bereich der Fahrradgeometrie hat sich viel getan in den vergangenen Jahren. Diese Entwicklungen sind natürlich auch an den traditionsbewussten Kanadiern von Rocky Mountain nicht spurlos vorbeigegangen. Im ersten Moment fällt vor allem der flache Lenkwinkel auf. In der extremsten Einstellung des Ride 4 Systems kommt man mit 64,7° schon beinahe in Gefilde, die man sonst eher im Downhill-Bereich findet. Der Sitzwinkel ist mit rund 74° schön steil, was auch an steilen Rampen für eine effiziente Tretposition sorgen dürfte.
Ansonsten ist der Rahmen mit einem mäßig langen Oberrohr und den kurzen Kettenstreben schön kompakt und verspricht viel Agilität, gerade auf engen Trails und in schnellen Kurven.
Geometrietabelle Rocky Mountain Slayer
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 394 | 432 | 471 | 509 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 574-577 | 599-602 | 624-627 | 654-657 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 125 | 140 | 155 |
Kettenstrebe (in mm) | 425-430 | 425-430 | 425-430 | 425-430 |
Radstand (in mm) | 1153-1157 | 1181-1185 | 1208-1212 | 1240-1245 |
Lenkwinkel (in °) | 65.85-64.75 | 65.85-64.75 | 65.85-64.75 | 65.85-64.75 |
Sitzwinkel (in °) | 74.85-73.75 | 74.85-73.75 | 74.85-73.75 | 74.85-73.75 |
Reach (in mm) | 413-401 | 434-422 | 455-444 | 482-470 |
Stack (in mm) | 596-604 | 609-617 | 623-631 | 636-645 |
Rocky Mountain Slayer: Ausstattung
Das von uns getestete Rocky Mountain Slayer 730 MSL ist wie schon genannt das Einstiegsmodell, das macht sich bei den Anbauteilen schon ein wenig bemerkbar. Als Schaltgruppe kommt eine Sram NX zum Einsatz. Die man ansonsten eher an günstigen Rädern findet und bezüglich Verarbeitung und Bandbreite nicht ganz mit den anderen 1x Antrieben des US-Herstellers mithalten kann. Auch beim Fahrwerk und bei der Bremse geht es eher reduziert zu. Gabel und Dämpfer kommen von Rock Shox und die SRAM Guide R Bremse sollte dank 203 und 180mm Scheibe ordentlich verzögern. In Zeiten hoch-komplexer Fahrwerke und unzähligen Einstellmöglichkeiten dürften sich aber gerade Anfänger über ein einfaches Setup freuen. Gut gefallen hat uns auch das schlichte Cockpit, nur der Hebel der Sattelstütze war ein wenig zu klobig.
Bleiben wir noch einen Moment im Sichtfeld des Fahrers. Neben den schicken Details wie der „Slayer-Maske“ am Oberrohr sticht vor allem die bullige Gabel hervor. Die Rock Shox Yari RC bietet satte 170mm Federweg und hievt das Carbonbike damit schon in Richtung der Freeride-Kategorie und sehr gut ins Konzept passt. Der RockShox Deluxe Dämpfer wirkt angesichts dieser Ausrichtung jedoch etwas unterdimensioniert und kommt bei langen Abfahrten doch recht schnell ins Schwitzen. Dagegen war der Grip mit den Maxxis Minion mit einer Breite von 2.5 Zoll grandios.
Klar, man muss schon sagen, dass die Ausstattung angesichts des Preises von 4.600€ dürftig ist. Aber: Das Framekit allein schlägt mit über 3.500€ zu Buche und es ist klar, dass man dann bei den Kanadiern nicht mehr sonderlich viel Spielraum für die Anbauteile hatte.
Rocky Mountain Slayer: Fahreindruck
Doch wie es eben oft so ist, Ausstattung und technische Daten sind Schall und Rauch – die Wahrheit liegt auf dem Trail und da überzeugt das neue Slayer. Meiner Meinung nach geht das Konzept voll auf und egal auf welchem Terrain, das Rocky hat mir auch in den haarigsten Momenten ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. Bei hohen Geschwindigkeiten vermittelt das Bike enorm große Laufruhe und gibt Sicherheit während es bei steilen und verblocktem Gelände durch den kurzen Hinterbau und das niedrige Sitzrohr viel Spielraum und Agilität bietet.
Über den recht langen Zeitraum, in dem sich das Slayer bei uns bewähren musste, ging es mit dem edlen Carbongeschoss ebenso in den Park und auch auf längere Touren mit hohem Trailanteil.
Der Fokus des Bikes liegt zwar klar in der Abfahrt, aber das heißt definitiv nicht, dass man sich im Uphill quälen muss, im Gegenteil: Hier zeigt das Slayer ungeahnte stärken und klettert willig nach oben. Bei längeren und steileren Auffahrten wäre aber eine größere Übersetzungsbandbreite wünschenswert gewesen – die 11-42 Kassette bietet hier nicht den inzwischen gewohnten Spielraum. Oben angekommen geht es dann den Talabwärts und dabei zeigt das Bike erwartungsgemäß sein wahres Gesicht und spielt seine Trümpfe aus. Die Entwickler übertrieben nicht mit der Aussage: „All killer, no filler.“
Gutmütig, berechenbar, immer beherrschbar, gleichzeitig spritzig, agil und ein echter Kurvenkiller. Zudem liegt es stabil und wohl balanciert in der Luft. Das komplette Paket!