Test: Seit seiner Vorstellung im Frühjahr sind einige Monate ins Land gegangen, inzwischen ist das Rondo Ruut jedoch erhältlich. Wir haben die Aluminiumvariante des Allround-Gravelbikes einem ausführlichen Test unterzogen.
In diesem Frühjahr gab es auf der Berliner Fahrradschau erstmals das Rondo Ruut zu sehen. Neues Rad, neuer Hersteller, bekannte Gesichter: Rondo sitzt in Polen, die Köpfe hinter der Marke haben bereits jahrelange Erfahrung bei anderen Herstellern wie NS Bikes und Creme Cycles gesammelt. Das Ruut ist das erste und bis dato einzige Modell im Portfolio von Rondo und wird hierzulande über Sports Nut vertrieben, die sich eben auch um besagte Hersteller NS Bikes und Creme Cycles kümmern.
Produktnews: Rondo Ruut: Neuer Allround-Cross-Gravelracer mit verstellbarer Geometrie
Markt: Am gestrigen Abend präsentierte der polnische Hersteller Rondo auf der Beliner Fahrradschau sein erstes Fahrrad überhaupt – das Rondo Ruut ist ein universelles Gravelbike mit üppiger Reifenfreiheit, eigenständigem Design und einigen technischen Finessen. Auch für uns, die sich Tag ein, Tag aus mit dem Thema Fahrrad beschäftigen, ist es immer wieder auf’s Neue spannend, […]
So richtig einordnen möchte man bei Rondo sein Ruut gar nicht, aber die Eckdaten zeigen schon recht klar wohin die Reise geht: Ab Werk sind 40mm breite Gravelreifen verbaut, in Hinterbau und Gabel finden sogar MTB Reifen auf 650b Felgen Platz. Als ganz klassisches Gravelbike sieht man das Rad aber trotzdem nicht und rückt es stattdessen irgendwo in die Lücke zwischen besagtem Gravelrad und einem sportlichen Endurance Bike. Ob man nun eine solche Haarspalterei betreiben möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Dennoch hilft es immer ein Rad zu verstehen, wenn man weiß, was die Idee dahinter ist.
Das Rondo Ruut ist in insgesamt vier Modellvarianten und drei(!) unterschiedlichen Rahmenmaterialien erhältlich. Die beiden Topmodelle gibt’s mit Carbonrahmen in markantem Design, den günstigen Einstieg bildet das von uns getestete Ruut AL mit Aluminiumrahmen und dazwischen liegt zudem das Ruut ST mit einem klassischen Stahlrahmen. Über mangelnde Auswahl kann man sich definitiv nicht beschweren.
Rondo Ruut AL – Rahmen und Geometrie
Der Alurahmen des Ruut kommt in einem ansprechenden, matten Finish und einer insgesamt schlichten Formsprache. Verzichten muss man auf den markanten Knick im Oberrohr, der den Carbonvarianten vorenthalten bleibt und dort für zusätzlichen Komfort sorgen sollte. Die Züge verlaufen innerhalb von Unterrohr und Kettenstreben. Schön sind die angebrachten Ösen für Gepäckträger und Schutzbleche, die den Einsatzbereich auf Wunsch deutlich erweitern.
Für ein Gravelbike etwas ungewöhnlich ist der verwendete Achsstandard – eine 142x12mm Achse hinten und 15x100mm vorn kennt man eher aus dem MTB-Bereich. Das macht am Rondo Ruut jedoch durchaus Sinn, denn durch die große Reifenfreiheit lassen sich nicht nur herkömmliche 28″ Reifen bis zu einer Breite von 45mm fahren, sondern auch 650b Laufräder mit MTB Bereifung bis 2,1″. Diese Option ist vor allem auch interessant, da durch den bei den MTBs immer populärer werdenden Boost Standard Laufradsätze mit 142mm hinten und 15mm vorn inzwischen oft zum Schnäppchenpreis erhältlich sind.
Optisch wie technisch besonders ist die Carbongabel des Ruut, die sich alle Ausstattungsvarianten teilen. Ihre bullige Optik sticht sofort ins Auge, die großen rosafarbenen Decals an unserem Testmodell tun ihr übriges. Die große technische Besonderheit der Gabel steckt im Ausfallende: Hier sitzt nämlich ein sogenannter Flipchip, über den sich die Geometrie des gesamten Rads mit wenigen Handgriffen verstellen lässt. Durch das simple Umdrehen des Chips wandert die Vorderachse und damit das gesamte Rad etwas nach oben bzw. unten. Das Resultat: Neben Lenk- und Sitzwinkel ändert sich auch der Gabelnachlauf und die Tretlagerhöhe. Rondo spricht von einer Endurance und einer Racing Position. Die Unterschiede sind nicht riesig, sollten aber in der Praxis durchaus spürbar sein.
Geometrie Rondo Ruut Hi
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 495 | 530 | 560 | 590 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 536 | 551 | 569 | 584 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 130 | 160 | 180 |
Kettenstrebe (in mm) | 420 | 420 | 420 | 420 |
Gabeloffset (in mm) | 45 | 45 | 45 | 45 |
Tretlagerabsenkung | 70 | 70 | 70 | 70 |
Lenkwinkel (in °) | 70.5 | 71.5 | 71.5 | 71.5 |
Sitzwinkel (in °) | 73 | 73 | 73 | 73 |
Reach (in mm) | 373 | 382 | 391 | 400 |
Stack (in mm) | 533 | 554 | 582 | 606 |
Geometrie Rondo Ruut Lo
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 495 | 530 | 560 | 590 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 538 | 533 | 571 | 586 |
Steuerrohr (in mm) | 110 | 130 | 160 | 180 |
Kettenstrebe (in mm) | 420 | 420 | 420 | 420 |
Gabeloffset (in mm) | 55 | 55 | 55 | 55 |
Tretlagerabsenkung (in mm) | 74 | 74 | 74 | 74 |
Lenkwinkel (in °) | 71 | 72 | 72 | 72 |
Sitzwinkel (in °) | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 |
Reach (in mm) | 381 | 388 | 397 | 406 |
Stack (in mm) | 534 | 555 | 572 | 601 |
Die Geometrie liest sich insgesamt äußerst sportlich: Das Oberrohr ist ziemlich lang und die Front sehr tief. Hier dürften vor allem Freunde einer gestreckten Sitzposition auf ihre Kosten kommen. Der Lenkwinkel fällt in beiden Positionen eher etwas flacher aus als gewöhnlich, was aber gerade im Gelände durchaus hilfreich sein sollte.
Rondo Ruut AL – Ausstattung
Rahmen | Ruut AL6061 T6 |
Federgabel | Twintip Carbon |
Laufräder | Rondo Alloy 622-21 |
Reifen | Panaracer Gravelking SK 43 |
Schaltwerk | SRAM Apex 1 |
Schalthebel | SRAM Apex 1 |
Kurbel | SRAM Apex 1 |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | SRAM Apex |
Sattelstütze | Rondo 350x27.2 |
Sattel | Fabric Scoop Flat |
Vorbau | Rondo 100mm |
Lenker | Rondo Flare 440mm |
Mit knapp 1.800€ liegt das Rondo Ruut AL preislich in der Mittelklasse, was sich im Großen und Ganzen auch in der insgesamt durchaus gelungenen Ausstattung widerspiegelt. Antrieb und Bremsen sind von SRAM. Mit der Apex 1 entschied man sich für einen Antrieb mit nur einem Kettenblatt, dafür jedoch einer breit abgestuften Kassette (11-42 Zähne) am Hinterrad. In Kombination mit dem 40er Kettenblatt vorn ist die Bandbreite für Forststraßen, Asphalt und leichtes, nicht allzu steiles Gelände noch recht gut geeignet. Möchte man jedoch auch hin und wieder einen kleinen oder größeren Trail mitnehmen, vielleicht sogar mit MTB-Bereifung, ist der kleinste Gang doch recht stramm und erfordert dicke Waden. Eine nachträgliche Umwerfermontage ist möglich, dafür muss jedoch fast der komplette Antrieb getauscht werden.
Die Bremsen kommen ebenfalls aus der Apex Gruppe. Die hydraulischen Stopper werden im Flatmount Standard montiert und mit 160mm Scheiben vorn und hinten kombiniert. Schön, dass Rondo sich auch hinten für die 160er Scheibe entschieden hat, die spürbar weniger schnell überhitzt als kleine 140er Scheiben und dabei nur wenige Gramm mehr auf die Waage bringt.
Bei den Laufrädern setzt man auf Qualität aus eigenem Hause: Optisch ist der Satz jedenfalls bereits ein Gewinn. Die Aluminiumfelgen sind in zwei Farben unterteilt, die Speichen an den Ventillöchern kommen wie die gesamte Vordernabe in schicker Regenbogenoptik. Für etwas Retro-Flair sorgen die ab Werk montierten Nabenputzringe vorn und hinten.
Die meisten Anbauteile kommen ebenfalls direkt von Rondo, vor allem das Cockpit sticht heraus. Einerseits wiederum durch die gewagte und dennoch gelungene Optik mit einem silbernen Vorbau (100mm lang), andererseits durch den Lenker mit seinen ausgestellten Drops. Durch diesen sogenannten Flare wird die Griffposition am Unterlenker sehr viel komfortabler und die Kontrolle besser. Dass die Aerodynamik leidet ist an einem Rad wie dem Rondo Ruut zu vernachlässigen.
Rondo Ruut AL – In der Praxis
Das Rondo Ruut bietet also viel Flexibilität – wir sind das Gravelbike überwiegend mit dem serienmäßigen Laufradsatz samt Bereifung gefahren. Überrascht waren wir im ersten Moment von der insgesamt doch sehr sportlichen Sitzposition. Nicht, dass dies etwas Schlechtes wäre – im Gegenteil – aber angesichts der von Rondo kommunizierten Ausrichtung zwischen Gravel und Endurance hatten wir hier etwas anderes erwartet. Das Oberrohr fällt jedoch ziemlich lang aus, die Front ist dagegen tief. So sitzt man recht gestreckt und bringt auch ordentlich Druck auf die Pedale. Freunde einer eher aufrechten Sitzposition könnten jedoch enttäuscht sein.
Weiterhin fällt schon auf den ersten Asphalt-Metern die erfreulich geringe Geräuschkulisse der verbauten Panaracer Reifen auf. Auch der Rollwiderstand ist für einen Reifen in dieser Klasse erstklassig. Trotz seines doch nicht ganz geringen Gewichts zeigt sich das Ruut insgesamt schön leichtfüßig und lässt sich rasch auf eine angenehme Reisegeschwindigkeit beschleunigen. Die Ergonomie des Cockpits weiß zu überzeugen, der Flare Lenker ist äußerst angenehm und auch die Apex Griffe bieten keinerlei Anlass zur Kritik. Apropos Apex: Die Schaltperformance ist durchweg sehr gut, selbst bei längeren Fahrten bei schlechten Bedingungen und entsprechend dreckigem Antrieb hatten wir zu keiner Zeit Schaltprobleme. Klar, Double-Tap ist sicherlich nicht jedermanns Sache, hat man sich aber einmal daran gewöhnt, gehen die Gangwechsel auch hier schnell von der Hand.
Die Bremsen packen schnell und bissig zu – für unseren Geschmack vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Das Bremsverhalten ist recht digital, der Spielraum zwischen dem Einsetzen der Bremskraft und dem Blockieren des Rades ist recht gering. Versierte Disc-Fahrer haben hier wohl keine Probleme, Umsteiger sollten jedoch anfangs etwas Vorsicht walten lassen.
Auf Schotterstraßen und gut beschaffenen Trampelpfaden ist das Rondo Ruut voll in seinem Element. Die Reifen sind sehr gutmütig, bieten zwar nicht unendlich viel Grip, aber kündigen das Wegrutschen recht frühzeitig an und bleiben deshalb fast immer gut beherrschbar. Rahmen und Gabel sind keine Komfort-Wunder und leiten Stöße und Vibrationen doch spürbar an den Fahrer weiter, aber überzeugen andererseits dafür mit viel Steifigkeit, was gerade im „echten“ Gelände von Vorteil ist.
Geometrieanpassung per Flipchip – Kaum spürbare Auswirkungen
Natürlich haben wir auch mit der viel diskutierten Geometrieverstellung im Ausfallende der Gabel experimentiert. Das Ummontieren funktioniert wie beworben in wenigen Sekunden und dauert nur minimal Länger als der Ein- und Ausbau das Vorderrades. Schön, dass die Bremsscheibe egal in welcher Einstellung mit genügend Platz durch den Bremssattel läuft, dass hier etwaige Basteleien nicht nötig werden.
Einen spürbaren Unterschied zwischen den beiden Einstellungen konnten wir zwar feststellen, er fällt aber schlussendlich doch etwas geringer aus, als wir es erwartet hatten. Möglicherweise mag das auch an überzogenen Erwartungen unsererseits liegen, wer aber denkt, das Ruut so vom gemütlichen Tourenrad zum spritzigen Racer und umgekehrt verwandeln zu können, dürfte enttäuscht werden. Durch die insgesamt schon sehr sportliche Grundausrichtung waren wir die meiste Zeit in der „Endurance-Einstellung“ unterwegs – mit etwas höherem Cockpit und einem flacheren Lenkwinkel.
Dicke Schlappen dank großer Reifenfreiheit – Viel Grip, aber kleine Platzprobleme
Ab Werk kommt das Rondo Ruut wie erwähnt mit 28″ Laufrädern und 40mm breiter Gravelbereifung. Der Hersteller verspricht jedoch auch eine Reifenfreiheit von bis zu 2,1″ mit 650b Laufrädern. Das galt es natürlich zu testen – also schnell die Laufräder vom Mountainbike mit Gravel+ Bereifung ausgestattet und eingebaut. Da das Ruut mit 15mm Steckachse vorn und 142mm hinten kommt, passen hier ganz normale (nicht-Boost) MTB Laufräder. In unserem Fall waren dies leichte Industry9 Trail24 Laufräder mit den 2,1″ breiten Nano40 Reifen von WTB.
Vorn ging der Einbau schnell und in der wuchtigen Carbongabel wäre sogar noch Platz für breitere Schlappen. Anders sieht es leider hinten aus: Zwischen den Ketten- und Sitzstreben wäre zwar an und für sich mehr als genügend Platz, aber der Leitungshalter für das Schaltwerk ist leider auf der Innenseite der Strebe montiert und verursacht kleine Platzprobleme. Mit montierter Leitung war an einen stressfreien Betrieb nicht zu denken, nachdem wir die Außenhülle von der Halterung entfernt und per Kabelbinder kurzerhand außen befestigt hatten, drehte sich das Laufrad frei – zwischen dem Reifen und dem Leitungshalter sind jedoch nur wenige Millimeter Platz und spätestens im Wiegetritt dürfte sich ein leichtes Schleifen einstellen.
Das Problem dürfte zumindest teilweise auf die 23mm breiten I9 Felgen zurückzuführen sein. Für einen 2,1″ Reifen würden hier auch 21mm oder 19mm ausreichen und der Pneu würde insgesamt einige Millimeter schmaler ausfallen. Wer also mit dem Gedanken spielt, 2,1″ Reifen im Ruut fahren zu wollen, sollte keine allzu breiten Felgen wählen.
Für das Fahrverhalten sind die breiten Reifen jedoch je nach Einsatzgebiet ein echter Gewinn. In unserem Fall ließ das Ruut die Grenzen zum XC-Hardtail so verschwimmen und wir erwischten uns immer wieder dabei, doch lieber auf den nächsten Trail auszuweichen, als auf der Forstautobahn dahinzucruisen. Dass man gerade auf Asphalt mit den breiteren Reifen mehr Körner braucht bzw. ein gute Stück langsamer unterwegs ist, steht aber außer Frage und lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Beide Optionen zu haben, finden wir jedoch wirklich super.