Bike Build Story: Der erste Teil unserer Aufbaustory zu unserem Enduro. Damit wir nicht schon alles vorher verraten ist das Aufmacherbild verpixelt. Das Herzstück unseres Aufbaus ist der Orange Stage 6 Aluminiumrahmen. Warum dieses Bike? In Zeiten von Brexit und durch Skandale verunsicherten Verbrauchern habe ich mir überlegt: Wir bauen ein Bike aus „regionalen Produkten“, will heißen wir haben versucht, stets im europäischen Umfeld fündig zu werden. Das hat nicht immer geklappt, bzw. haben wir auch dann zu nicht europäischen Teilen gegriffen, wenn es diese nur als Customteil gegeben hat oder die Verfügbarkeit einfach nicht gegeben war. Die Story soll ja explizit zum Selbstaufbau motivieren.
Warum der Orange Stage 6 Rahmen?
Auch wenn der Enduro-Trend vom Trailbike-Fieber hart attackiert wird, so ist diese Radgattung noch immer für so manches Flaggschiff im Hersteller-Lineup gut. Und wer aktuell ein Enduro präsentiert, dann bitte auch in 29 Zoll. Die großen Räder halten die Geschwindigkeit besser und bügeln grobes Gerümpel weg. Das sprach für unsere Wahl. Noch dazu ist das Orange Stage 6 eines von zwei ganz neuen Bikes in der Palette der Briten und somit waren wir neugierig. Weiterhin ist der simple Aufbau des Eingelenk-Hinterbaus erfahrungsgemäß für viele Biker ein Grund die Nase zu rümpfen. Das wird zwar durch eine Probefahrt im Regelfall widerlegt und führt dazu, dass die Testpiloten dann ihr theoretisches (Halb-)Wissen in Frage stellen. Dazu aber später mehr, denn wir werden die Artikelreihe mit einem ausführlichen Test beschließen. Übrigens: unser Rad ist orange… mit dem Firmennamen hat die Farbe jedoch eher wenig zu tun. Die beiden Gründer wollten möglichst vielseitige Bikes bauen, die praktisch alles können. „All-Range“ sollten sie heißen. In der der Mundart des nördlichen Englands, wird das A zum O und die Ls verschluckt. So wurde aus AllRange schließlich Orange….
Es ist wie es ist…
Unser „Bike Build Bike“ kommt wirklich archaisch daher, leben wir doch in einer Hightech-Welt, in der inzwischen auch Sportprodukte wie Mountainbikes zunehmend elektrifiziert und kompliziert werden. Wer was auf sich hält, der baut Carbonrahmen. Die Herrschaften aus Halifax spielen da nicht mit: „it is what it is….“ lautet ihr Motto. Sie übertragen nur die Technologien in ihre Bikes, hinter denen sie auch stehen. So verfügt unser Rahmen auch über das aktuelle Boost-Achsmaß, gleichzeitig aber auch noch über ein traditionelles BSA Innenlager. Die Rohre werden, mit Ausnahme von Sitzrohr und Steuerohr, selbst gefertigt. Dazu schneidet man die gewünschte Form aus Blechen und biegt diese zu einem Rohr, welches an der Nahtstelle verschweißt wird. Das erlaubt Formen, die mit konventionellen Rohren nicht möglich wären, schließt wiederum eine Gestaltung aus, die mit sogenanntem „Hydroforming“ machbar wäre. Wer viel selbst macht, ist unabhängig. Auch die Frästeile kommen aus eigener Produktion. So bekommt man eine hohe Fertigungstiefe und ist größtenteils unabhängig von Zulieferern.
Unsere Entscheidung zu einem Bike „Made in Europe“ entspringt dem Wunsch solche kleineren Firmen ins Rampenlicht zu rücken. Die Globalisierung schreitet schnell genug voran und wir erfreuen uns an Produkten die aus dem Einheitsbrei durch ihre Art und ihre Entstehungsgeschichte hervorstechen. Auch ist es schön, zu wissen, wo das eigene Bike herkommt, dem Schweißer die Hand schütteln zu können. So weiß man, dass Umweltauflagen vermutlich eingehalten wurden, die Wege nicht unnötig lang waren und auch im Umfeld noch Handwerk existiert.
Der Orange Stage 6 Rahmen im Detail
Am Chassis treffen aktuelle Standards auf Bewährtes. Einem 29er Bike steht der Boost Standard gut zu Gesicht. Die Achse wächst hier von den üblichen 142mm auf 148mm. Das sind 3 Millimeter pro Seite, was sich erst mal nicht viel anhört. Man muss wissen, dass der 142er Standard eigentlich durch aufgeblasene 135mm Schnellspann-Naben entstanden ist und diese Form auch beim Nabenkörper weitestgehend beibehielt. Beim Boost Standard, mit 148mm, rücken bei den meisten Herstellern die Nabenflansche deutlich auseinander und erlauben somit wesentlich flachere Speichenwinkel. Diese flacheren Winkel ermöglichen wiederum steifere und haltbarere Laufräder. Bei der Scheibenbremsaufnahme setzt man auf den lange bekannten IS-Standard, so passen alle Scheibengrößen und Toleranzen lassen sich gut kompensieren. Beim Schaltauge kommt kein Direct Mount Standard, so passen Schaltwerke von allen Herstellern. Das Steuerohr hat einen Innenmaß von 49mm und nimmt somit sowohl „tapered“ wie auch alle anderen Gabelschäfte mit entsprechendem Steuersatz auf.
Das Sitzrohr nimmt einen Sattelstütze in 30,9mm auf. Es kann eine Teleskopstütze mit interner Leitungsverlegung genutzt werden. Hier wird der Wille zur Modernisierung sichtbar, schließlich waren intern verlegte Züge bei Orange lange nichts, was auf große Gegenliebe stieß. Jetzt werden aber auch hier im Rahmen die Leitungen geführt, mit einem System, welches einfaches Verlegen und Durchfädeln ermöglicht. Es sitzen große Gummistopfen auf den Öffnungen, der Zugang ist einfach und kann individuell gestaltet werden. Das heißt: Es können Anschläge für einen oder zwei Eingänge beliebig platziert werden oder es kann auch ein Eingang einfach verschlossen werden. Am Steuerohr sitzt ein Emblem aus Metall, das kennen wir auch von den Vorgängern so. Sonst hält man sich dezent zurück, was die grafische Gestaltung angeht. Wenige Aufkleber sitzen auf dem Hauptrahmen und dem Hinterbau. Man kann neben der Farbe des Rahmens übrigens nun auch die Farbe der Aufkleber wählen. Wer will, bestellt ein Komplettrad oder einen Rahmen einzeln. Online kann man sein Bike konfigurieren und seinen Wünschen anpassen.
Der Hinterbau des Orange Stage 6
Über dem 73mm BSA Tretlager mit ISCG05 Aufnahme für Kettenführungen sitzt der Drehpunkt des Hinterbaus. Er ist in einer Alubox untergebracht, die Sitzrohr und Unterrohr miteinander verbindet. Diese Technik kommt bei den aktuellen Stage 6, Stage 5 und Alpine 6 Modellen zum Einsatz. Bei früheren Bikes war der Drehpunkt im Unterrohr. Die neue Bauweise erlaubt einen größere Lagerstützbreite, welche die Rahmen steifer machen soll. Auch werden nun, dank einer „Delle“ im Unterrohr längere Dämpfer verbaut, bzw. sind diese anders positioniert, welches eine bessere Kennlinie ermöglicht. Der Hinterbau bewegt sich auf einer Kreisbahn, ein klassischer Eingelenker also. Auch viele im Downhill Worldcup erfolgreiche Bikes verfügen über einen solchen Hinterbau, meist ist hier aber der Dämpfer über eine Hebelage angelenkt. Wir vertrauen auf einen Rock Shox Monarch RC3 Debon Air mit 200mm Einbaulänge und 57mm Hub. Wir wissen, wie andere Räder mit dem Dämpfer funktionieren, so können wir gut vergleichen.
Die Geometrie des Orange Stage 6
Das Rad gibt es in drei Größen, M, L und XL. Warum? Weil die Entwickler finden, dass in kleineren Größen die Kombination aus großen 29ern und dem großen Federweg zu viele Kompromisse mit sich bringt. Das wollen sie nicht: „Es ist wie es ist…“ Das Steuerohr ist kürzer als beim Vorgänger Alpine 5, einem 140mm 29er. Die Winkel sind modern und zeitgemäß. Auch dem Trend zum längeren Oberrohr wird man gerecht. Nur die Kettenstreben sind deutlich länger als bei anderen Herstellern. Das kommt der Laufruhe zu gute und ergibt insgesamt ein recht langes Bike.
Ob es deswegen liegt wie ein Brett? Ja, das kann ich schon mal sagen! Ob es dadurch behäbig ist? Jaein, eigentlich nicht… Aber das verraten wir im Test….