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Giro d'Italia: Giro d’Italia 2018: Darum hat Dumoulin gegen Froome verloren

29. Mai 2018 by Michael Behringer

Giro d'Italia Dumoulin Froome

Radsport: Nach über 3.000 Kilometern und fast 90 Stunden auf dem Rad trennen beim Giro d’Italia den Ersten vom Zweiten nur 46 Sekunden. Doch auf wie vielen Etappen war Chris Froome (Sky) eigentlich besser als Tom Dumoulin (Sunweb)?

Froome war nur auf drei Etappen besser

Die Antwort lautet: drei. Auf drei Etappen hat Chris Froome Zeit auf Tom Dumoulin herausgefahren. Sechsmal war der Titelverteidiger besser. Auf den anderen zwölf Teilstücken kamen beide Profis ohne Zeitverlust bzw. -gewinn ins Ziel.

Anhand dieser Statistik werden zwei Dinge deutlich:
1. Chris Froome hat sich zwei Etappen herausgesucht, auf denen er ans Limit gegangen ist.
2. Tom Dumoulin war der konstanteste Fahrer des Giro d’Italia 2018.



EtappeFroomeDumoulin
1+0:370
4+0:170
9+0:550
11+0:440
140+0:47
15+0:550
16+0:130
190+3:34
200+0:06

Warum hat Dumoulin den Giro nicht gewonnen?

Eigentlich ist es unglaublich: Tom Dumoulin, Simon Yates (Mitchelton-Scott) und Thibaut Pinot (Groupama-FDJ) waren auf deutlich mehr Etappen besser als Chris Froome. Dennoch durfte in Rom der 33-jährige Brite den hübschen Pokal in die Höhe strecken. Während bei Simon Yates und Thibaut Pinot die Gründe für die Niederlage auf der Hand liegen, gestalten sich die Erklärungen bei Tom Dumoulin etwas schwieriger. Schließlich hatte der Titelverteidiger keinen einzigen schlechten Tag – und am Ende liegt er trotzdem hinter Chris Froome. Wieso hat er den Giro d’Italia nicht gewonnen?

Bis Etappe #18 hat Dumoulin zu wenig Zeit gewonnen

Der Fall war klar: Dumoulin muss im Zeitfahren Yates einholen, um den Giro d’Italia gewinnen zu können. Doch dann kam alles anders. Dumoulin konnte Yates im Kampf gegen die Uhr nicht überholen. Besser als Yates schnitt er am Ende dennoch ab, da dieser völlig einbrach. Und trotzdem gewann Dumoulin die Rundfahrt nicht, da von hinten Froome vorbeiraste. Diesen hatte Dumoulin bis zur 19. Etappe im Griff. Bis dato verlor er nur auf einer Etappe Zeit auf Froome, doch da er am Folgetag wieder mehr Zeit zurückgewinnen konnte, war dies halb so schlimm. Von der ersten bis zur 18. Etappe war Dumoulin klar der bessere Fahrer – aber er hat zu wenig daraus gemacht. Es gab in den ersten zwei Wochen zahlreiche Tage, an denen man Froome gemeinschaftlich viel mehr Zeit hätte abnehmen können. Doch man begnügte sich mit wenigen Sekunden. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte.



Auf Etappe #19 war auch die Taktik entscheidend

Schon beim Zeitfahren auf der 16. Etappe konnten wir sehen, dass die Form von Chris Froome stark ansteigend verläuft. Der Brite verlor im Zeitfahren nur 13 Sekunden auf Tom Dumoulin. Wäre der Vorsprung des Niederländers nicht schon riesig gewesen, hätten wir viel mehr über diesen zu geringen Abstand im Kampf gegen die Uhr gesprochen. Da jedoch rund drei Minuten zwischen beiden lagen, rechnete wohl niemand mehr mit einer Einholung – doch sie kam! Chris Froome gelang auf der 19. Etappe ein wahres Meisterstück. Mit einem Solo über 80 Kilometer nahm er Dumoulin insgesamt mehr als dreieinhalb Minuten ab.

Entscheidend dafür waren aber nicht nur die guten Beine des Briten, sondern auch die taktischen Überlegungen. Während Froome alles auf eine Karte setzte und sich schon am Colle delle Finestre auf und davon machte, wählte Dumoulin notgedrungen eine defensive Taktik, den er konnte nicht folgen. Attacken weit vor dem Ziel sind nur dann riskant, wenn die Verfolger dahinter in der Überzahl und dadurch gemeinsam stärker sind. Dies war jedoch nicht der Fall – und Froome wusste das. Dumoulin fand sich in einer Gruppe wieder, in der ihm niemand helfen wollte. Richard Carapaz (Movistar) und Miguel Angel Lopez (Astana) konzentrierten sich auf das Weiße Trikot und hatten keinerlei Interesse, Kräfte zu verpulvern, um einem für sie sowieso nicht einzuholenden Chris Froome hinterherzujagen.

Thibaut Pinot fuhr bestenfalls um Rang zwei. Dessen Teamkollege Sebastien Reichenbach übernahm ab und an die Arbeit, doch das Tempo der Gruppe war dadurch ca. sieben KMH langsamer, als wenn Dumoulin an der Spitze fuhr. Außerdem gab Thibaut Pinot am Folgetag entkräftet auf. Er verlor über eine halbe Stunde aufgrund einer Lungenentzündung. Wirklich fit war der Franzose also vermutlich ohnehin nicht. Dass Chris Froome der bessere Bergfahrer und der bessere Abfahrer ist, kommt nicht überraschend. Auch die Tatsache, dass er seinen Formaufbau voll und ganz auf die dritte Woche gelegt hat, wurde von Anfang an so kommuniziert. Zudem ist Tom Dumoulin knapp zehn Kilogramm schwerer als Chris Froome. Gelitten haben also beide Profis gleichermaßen.



Wie hätte Dumoulin doch noch den Giro gewinnen können?

Durch den Rennverlauf ergab sich letztendlich die Situation, dass es über 80 Kilometer hinweg zu einem Kampf Mann gegen Mann kam. Froome fuhr als Solist, Dumoulin irgendwie aber auch. Im Gegensatz zu Dumoulin war dies Froome aber bewusst. Der Brite ließ sein Team arbeiten, um die Konkurrenten zu isolieren, so dass diese dann während der Verfolgung nicht auf ihre Helfer zurückgreifen konnten. Des Weiteren konnte Froome zumindest darauf spekulieren, dass hinter ihm Uneinigkeit herrscht. Genau so kam es.

Dumoulin hingegen war dies lange nicht bewusst. Er hat lange darauf gehofft, die Unterstützung seiner Begleiter zu erhalten. Bei Carapaz und Lopez hätte er jedoch sofort merken müssen, dass dieser Versuch aussichtslos ist. Pinot hat darauf gepocht, dass auf Teamkollege Reichenbach gewartet wird – und das gleich zweimal. Logisch, dass dabei viel Zeit verloren ging und Froome seinen Vorsprung ausbauen konnte. Gleichzeitig konnte Dumoulin kaum Kräfte sparen. Am Ende hat sich der stärkere Fahrer, die bessere Taktik und das bessere Team durchgesetzt. Der Mut wurde belohnt – zumindest vorerst. Durchaus möglich, dass der Giro-Sieger in einigen Monaten dann doch Tom Dumoulin heißen wird. Verdient hätte er es allemal.

Giro d'Italia Tom Dumoulin Thibaut Pinot
Tom Dumoulin litt auf der 19. Etappe darunter, dass ihm niemand bei der Aufholjagd helfen wollte.


Stichworte:Chris FroomeGiro d'ItaliaNewsTom Dumoulin

Über Michael Behringer

Radsport mit all seinen Taktiken, Etappenanalysen, Platzierungen und Prognosen sind die große Leidenschaft von Michael Behringer. Im Jahr 1996 hat er seine erste Tour de France verfolgt. Seitdem beobachtet er nahezu jedes Rennen. Seine Passion Radsport begleitet ihn also seit über zwei Jahrzehnten. Ein Ende ist nicht in Sicht.

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