Test Koga Colmaro Allroad: Road-Disc-Rahmenset und Gravel-Komponenten – daraus ergibt sich ein ungewöhnliches Sportrad, das auf Asphalt wie Naturwegen funktioniert, ohne den Nutzer durch zu starke Spezialisierung vor eine komplexe Grundsatzentscheidung zu stellen.
Digitalkamera, Smartphone, KFZ – wir sind umgeben von technischen Geräten, deren Potenzial wir nur zu einem geringen Teil ausnutzen. In der Fahrradwelt ist es kaum anders: Langhubige Mountainbikes werden auf Forststraßen gefahren, ans abenteuertaugliche Gravelbike kommt höchstens mal ein Schutzblech, damit es beim Pendeln nicht so spritzt. Eigentlich schade, denn ein Fahrrad zu fahren, das punktgenau den Einsatzzweck trifft, ist ein schönes Gefühl. Ein Bike, das weder zu viel noch zu wenig kann, ist das Koga Colmaro Allroad. Die olivgrüne Rennmaschine passt eigentlich in keine Schublade: Mit Scheibenbremsen, 1×11-Schaltung und riesiger Kassette weicht sie vom klassischen Rennrad ab; ihre 35er Reifen und die relativ sportliche Sitzhaltung sehen andererseits nicht wirklich nach Gravelbike aus.
Koga Colmaro Allroad: Zwischen den Stühlen oder ein Volltreffer?
Der Antwort kommt man näher, wenn man es aus der Nutzerperspektive sieht. Denn zahlreiche Menschen interessieren sich für Rennräder, brauchen aber die starke Spezialisierung nicht. Ein Rad, das maximal 28 mm breite Reifen zulässt, ist weitgehend an glatten Asphalt gebunden; ein Gravelbike kommt dagegen sehr gelände- und tourenlastig daher. Die dafür typischen stark profilierten Reifen bis zu 40 mm Breite sind für den normalen Einsatz auf der Straße, auf asphaltierten Wegen und Naturstraßen schon sehr weit weg vom Rennrad-Feeling.
Das Koga Colmaro Allroad liegt genau dazwischen. Seine 35 mm breiten Reifen mit „feinperligem“ Profil rollen einerseits auf Asphalt leichtfüßig ab, bieten andererseits aber auf Schotter und groben, kiesigen Waldwegen ordentlich Grip und Traktion. Diese „Offroad“-Fertigkeiten verdankt das Koga der Tubeless-Variante des Schwalbe G-One Speed und entsprechend ausgelegten Felgen, und natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, schnell auf Schlauchlos umzurüsten – der Colmaro-Fahrer braucht dazu nur Tubeless-Felgenband (oder die vorzüglichen Tubeless Rim Strips von Bontrager), Ventileinsätze und etwas Dichtmilch. Lohn des Umbaus ist ein um etwa 200 Gramm reduziertes Gewicht sowie die Möglichkeit, je nach Körpergewicht und Fahrkönnen auf bis knapp über 2 bar Reifendruck herunterzugehen. Und das erweitert die Möglichkeiten des Colmaro im Gelände beträchtlich; auch größere Steine und Wurzeln werden von den Reifen geschluckt, ohne dass man einen Durchschlag fürchten muss.
Zu einem richtigen Crossrad wird das Bike dadurch allerdings noch nicht. Das Koga Colmaro Allroad teilt sich Rahmen und Gabel nämlich mit den „Race“-Modellen, Disc-Rennrädern mit sportlicher, dennoch langstreckentauglicher Sitzgeometrie. Klar, dass so ein Rad keine crossertypische Reifenfreiheit aufweist; im schlammigen Querfeldein-Einsatz würden sich Gabel und Hinterbau zu schnell zusetzen. Doch für diese Spielart des Radsports gibt es ja wiederum Spezialisten genug – wenn auch nicht aus dem Hause Koga.
Koga Colmaro Allroad: Gewaltige Übersetzungsbandbreite mit 11-42er Sram Rival
Cross bzw. Gravel pur ist die Komplettierung des Koga Colmaro Allroad. Koga verbaut eine komplette SRAM Rival, kombiniert mit 11-42er Kassette. Mit 44er Monokettenblatt ergibt sich eine enorm große Übersetzungsbandbreite, die freilich zu Lasten einer feinen Abstufung geht. Je nach Terrain und Fahrweise kann es sich lohnen, umzurüsten: Wer keine extrasteilen Anstiege fährt, braucht vielleicht nur einen 11-32er Kranz; wo nie eine Highspeed-Abfahrt ansteht, reicht auch ein 38er Kettenrad vorne. In jedem Fall kommt man mit den elf Gängen dieses Antriebs schon ziemlich weit.
Für Menschen, die mit dem Rennrad bisher nicht viel zu tun hatten, verdankt das Koga Colmaro einen beträchtlichen Teil seines Charmes dieser Schaltung. Die Einsteiger-Frage „Soll ich jetzt vorne oder hinten schalten?“ (oder, wie so oft nötig, vorne und hinten gleichzeitig) ist hier überflüssig – die Rival ist so leicht verständlich wie eine Nabenschaltung, und auch das Funktionsprinzip des DoubleTap-Hebels hat man schnell begriffen. Wer selten auf dem Rennrad sitzt und daher nicht auf ein schmales Tretfrequenzband geeicht ist, kommt mit der beschriebenen Abstufung gut klar. Auch die Rival-Scheibenbremsen sind dank guter Dosierbarkeit für Rennlenker-Novizen geeignet, beißen dabei freilich bei Bedarf fest zu.
In Sachen Geometrie zeigt sich das Colmaro ausgewogen und nicht zu sportlich. Das Oberrohr ist nicht allzu lang; auffällig ist, dass die Sitzlänge („Reach“) bei den drei kleineren Rahmenhöhen identisch ist – hier muss die Anpassung über die Vorbaulänge erfolgen. Die Lenkung ist recht agil, wird allerdings etwas durch den schweren Laufradsatz ausgebremst – allein das Vorderrad wiegt über 1.500 Gramm und wirkt damit leichtfüßigem Einlenken entgegen. Insgesamt lässt sich das Koga Colmaro Allroad aber lebendig über Straße und Waldweg steuern. Das verdankt es auch seinem extrem kurzen Radstand, der selbst bei Größe L nur 994 mm beträgt und damit identisch mit den Größen S und M ist. Selbst für ein reinrassiges Rennrad ist das ziemlich wenig, und da sich die Kettenstreben kaum unter eine bestimmte Mindestlänge drücken lassen (weil sonst ja der Hinterreifen gegens Sitzrohr stoßen würde), muss der Vorderbau kürzer werden. Und zwar beim Colmaro so kurz, dass das Vorderrad bei starkem Einlenken mit der Fußspitze kollidieren kann. Für Rennrad-Novizen ist das gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig, gerade wenn man mit Klickpedalen fährt und der Fuß nicht einfach ausweichen kann. Hier stößt das Konzept, einen Road-Disc-Rahmen mit 35er Reifen auszustatten, an seine Grenzen.
Koga Colmaro Allroad: Ein sehr schön verarbeitetes Rahmenset
Hat man sich aber erst einmal daran gewöhnt, sind Touren auf dem Koga Colmaro Allroad die reine Freude. Mit einem Luftdruck um 3 bar in den Schlauchlosreifen rollt Kogas Allrounder auf Asphalt immer noch sehr leicht und bietet auf Holperstrecken genug Dämpfungskomfort – dazu auf beiden Untergründen hohe Pannensicherheit. Dazu kommt, dass das Colmaro ein echter Blickfang ist: Olivgrün ist eine in der Radbranche seltene Farbe, die aber allgemein ankommt; außerdem ist der Rahmen wirklich schön gemacht. Die Schweißnähte am Hauptrahmen sind so sorgsam verschliffen, dass man meint, einen Carbonrahmen vor sich zu haben; Bremsleitung und Schaltzug verschwinden gemeinsam links im Unterrohr, was für schön weite Bögen sorgt. Dazu treten die Bremsleitungen erst wieder kurz vorm jeweiligen Sattel aus Kettenstrebe bzw. Gabelholm heraus. Dazu gönnt Koga dem Colmaro diverse Gewindebohrungen, an der Gabel lässt sich etwa ein Schutzblech befestigen – aber nur, wenn man einen schmaleren Reifen montiert.
Ohne Pedale wiegt das Koga Colmaro Allroad akzeptable 9,33 kg beziehungsweise 9,18 kg nach dem Umrüsten auf Schlauchlos. Dass der Laufradsatz mit der großen Zahnkranzkassette alleine 3.870 Gramm wiegt, macht die Leichtbau-Möglichkeiten des Offroad-Allrounders deutlich – mit leichteren Laufrädern vom Querfeldeinrad lässt sich das Colmaro auf unter neun Kilo mit Pedalen bringen. Ein weiterer Pluspunkt für das Koga ist der mit 1.899 Euro vergleichsweise niedrige Preis – auch angesichts der Tatsache, dass Koga zurecht als Premium-Marke gilt. So finden wir schließlich nur ein einziges Haar in der Suppe (abgesehen vom zu locker gewickelten Lenkerband, dass am Bogen des Oberlenkers verrutscht): die einfachen Steckachsen, deren schwergängige Spannhebel einen schnellen Radeinbau erschweren. Doch abgesehen davon hat das Koga Colmaro Allroad viel Potenzial – und das lässt sich vollständig nutzen.