Tour de France Geschichte: Die Tour de France im Jahr 1904 endete am 24. Juli. Es war die zweite Ausgabe – und die Frankreich-Rundfahrt hatte schon ihre ersten handfesten Skandale. Entschieden wurde sie erst im Dezember am grünen Tisch.
Tour de France 1904: Entscheidung erst im Dezember
„Der Sieger einer Tour de France wird im Winter gemacht.“ So lautet ein bekannter Spruch rund um das größte Radrennen der Welt. Eigentlich gemeint ist damit, dass ein künftiger Gesamtsieger bereits im Winter mit der Planung und Vorbereitung beginnen muss. Fehler, die ein halbes Jahr vor dem Startschuss begangen werden, können vielleicht nicht mehr korrigiert werden. Doch im Jahr 1904 wurde der Sieger der Tour de France tatsächlich erst im Dezember gekürt. Zwar endete die Rundfahrt am 24. Juli, doch nach einer intensiven Untersuchung wurden zahlreiche Teilnehmer nachträglich disqualifiziert, darunter auch Vorjahressieger Maurice Garin. Er gewann – zumindest vorläufig – auch die Tour de France 1904. Hinter ihm platzierten sich Lucien Pothier, César Garin und Hippolyte Aucouturier. Außerdem beendeten sie alle sechs Etappen siegreich. Wie sich herausstellen sollte, nicht mit legalen Mitteln.
Die Top 4 sollen mit dem Zug gefahren sein
Im Jahr zuvor wurde die erste Tour de France ausgetragen. Obwohl Henri Desgrange damit lediglich seine Zeitung L’Auto (heute: L’Équipe) bewerben wollte, wurde sie auf Anhieb zu einem großen Erfolg. So ließ er sie auch 1904 veranstalten. Doch die heile Welt schien schnell vorüber zu gehen. Denn schon während der Etappen kam es zu einigen Disqualifikationen. Neun Teilnehmern wurde vorgeworfen, Teile der Etappen mit Autos oder Zügen zurückgelegt zu haben. Zu weiteren Ausschlüssen kam es erst Monate später. Die Organisatoren der Rundfahrt waren zwar mit dem Ergebnis zufrieden, doch die Union Vélocipédique Française leitete weitere Untersuchungen ein. Dabei wurden nicht nur Fahrer befragt, sondern auch Zuschauer als Zeugen vernommen. Das Ergebnis: Zwölf weitere Teilnehmer wurden disqualifiziert, darunter die Top 4 in der Gesamtwertung und somit auch alle Etappensieger. Der Legende nach hat ein kleiner Junge gesehen, wie sie mit ihren Rädern aus einem Zug gestiegen und weitergefahren sind.
Schüsse, Schlägereien & Nägel auf den Straßen
Wenn wir von der Skandal-Tour sprechen, meinen wir meist die Tour de France 1998. Viel schlimmer ging es jedoch 1904 zu, denn die Zugfahrten der Herrschaften waren beileibe nicht die einzigen Vorkommnisse. Schon auf der ersten Etappe wurden die Führenden Maurice Garin und Lucien Pothier von vier maskierten Männern angegriffen. Hippolyte Aucouturier – später vierfacher Etappensieger – erlitt durch Sabotage gleich mehrere platte Reifen und Unfälle. Ferdinand Payan soll Hilfe von Fahrern erhalten haben, welche nicht offiziell am Rennen teilnahmen. Daraufhin wurde er ausgeschlossen. Dies wiederum sorgte für eine Reaktion seiner nun wütenden Fans. Als es auf der dritten Etappe durch sein Heimatort ging, verbarrikadierten sie die Straßen und warfen Steine auf die Teilnehmer. Besonders auf Titelverteidiger Maurice Garin waren die Zuschauer sauer. Der Star des Rennens wurde verbotenerweise während einer Etappe vom Rennleiter persönlich mit Essen verpflegt. Die zweite Etappe führte nahe an der Heimatstadt von Antoine Fauré vorbei. Hier versuchten seine Anhänger den Rest des Feldes – im wahrsten Sinne des Wortes – zurückzuhalten. Es kam zu Schlägereien mit Verletzten. Erst als die Rennleitung Warnschüsse abgab, beruhigte sich die Szenerie.
Die Teilnehmer erhielten 5 Francs pro Tag
Allgemein waren die Verhältnisse bei der Tour de France 1904 deutlich andere als heute. Sie wurde vom 2. bis 24. Juli ausgetragen, beinhaltete aber nur sechs Etappen. Diese waren jedoch teilweise über 400 Kilometer lang. Oft starteten die Fahrer um Mitternacht und waren über 16 Stunden unterwegs. Für jeden Tag im Rennen erhielten sie dafür fünf Francs als Bezahlung. Reich wurden die Teilnehmer also nicht. Helden waren sie dennoch. Vor allem Henri Paret, der im Alter von 50 Jahren an der Tour de France 1904 teilnahm und damit bis heute den Altersrekord hält. Gewonnen hat im Übrigen nachträglich der erst 19-jährige Franzose Henri Cornet. Er ist damit bis heute der jüngste Gesamtsieger in der Geschichte der Tour de France. Insgesamt beendeten nur 27 der 88 Gestarteten die Frankreich-Rundfahrt 1904. Nach den Disqualifikationen werden nur noch 15 Fahrer gelistet.