Test / MTB: Mit der Sram GX Eagle AXS gibt es ab sofort eine kabellose 12-fach Schaltgruppe, die die seit zwei Jahren bewährte Technik nun auch für „Normalos“ erschwinglich macht. Preislich deutlich unter den Edel-Gruppen X01 und XX1 angesiedelt, muss man dennoch kaum Kompromisse machen. Wir haben die neue Schaltung bereits ausprobiert.
Das Wichtigste zuerst: Technisch gleicht die Sram GX Eagle AXS den beiden anderen kabellos-Schaltungen. Es kommt die gleiche verschlüsselte Übertragungsmethode zwischen Controller und Schaltwerk zum Einsatz, ebenso sind sämtliche Features wie die Einstellmöglichkeiten per App oder die innovative Overload Clutch mit an Bord. All das für etwas mehr als den halben (!) Preis der beiden anderen AXS Gruppen. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Das dachten wir uns auch – doch nach den ersten Tests steht für uns fest: Diese Schaltung wird hohe Wellen schlagen.
Die neuen Komponenten kommen bereits in diesen Tagen in den Handel und werden zunächst ausschließlich als „Upgrade-Kit“ erhältlich sein, das aus Schaltwerk, Controller (Shifter), Ladegerät, Kabel und Einstellhilfe besteht. Die übrigen Schaltungskomponenten (Kette, Kassette, Kurbel, Kettenblatt) lassen sich aus dem gesamten Eagle-Portfolio nutzen.
Sram AXS: Die Schaltung der Zukunft?
Die Sram AXS Schaltungen sind ausnahmslos 12-fach Antriebe, die im Kern aus zwei Komponenten bestehen, dem Schaltwerk und dem Controller. Letzterer ersetzt den bekannten Schalthebel und ist – von den fehlenden Zügen abgesehen – der größte Unterschied zu traditionellen Antrieben. Erweiterbar ist das System momentan noch durch eine Reverb AXS Dropper Post von RockShox, die sich ebenfalls drahtlos bedienen lässt. Die Kommunikation erfolgt über einen verschlüsselten Kanal. Und keine Angst: Jeder Controller wird mit jedem Schaltwerk einzeln gekoppelt, man muss also nicht befürchten, dass ein Mitfahrer plötzlich aus Versehen ein anderes Schaltwerk steuert. Übrigens: Die AXS Komponenten lassen sich problemlos auch mit den Etap Bauteilen vom Rennrad oder Gravelbike kombinieren. 520% Bandbreite am Graveller? Ohne Kabel? Kein Problem mehr!
Kinderleichte Montage und Einstellung
Die Montage ist unglaublich simpel: Keine Züge, keine Außenhüllen – Schaltwerk und Controller anschrauben, Kette ablängen, fertig. Auch das Einstellen selbst geht einfacher von der Hand als bei einer mechanischen Schaltung. Sämtliche Schritte für ein erstes Grundsetup (grob-richtige Spannung für den Zug finden, Anschlag grob einstellen) entfällt. Nach dem Anbringen ist nur noch Feintuning notwendig. Über die mitgelieferte Montagehilfe lässt sich der Abstand des Schaltwerks zur Kassette über die sogenannte B-Screw schnell und einfach einstellen. Die Schrauben für die Anschläge mussten wir in unserem Fall überhaupt nicht anrühren und die Feinabstimmung des Schaltwerks über die Trim-Funktion ist kinderleicht. Ein kleiner Knopf am Schalthebel erlaubt das Verschieben des Schaltwerks in winzigen Schritten. Dabei genügt es in 9 von 10 Fällen diesen Prozess für einen Gang zu erledigen.
In unserem Fall war alles in unter fünf Minuten perfekt eingestellt. Für die gesamte Montage (wir haben eine Komplett-Gruppe inklusive Kurbel und Innenlager verbaut) haben wir weniger als 40 Minuten benötigt.
Schutz für’s Schaltwerk: Overload Clutch
Eines der spannendsten und wichtigsten Features sämtlicher AXS Schaltwerke ist die sogenannte Overload Clutch: Hinter der Bezeichnung steht eine einzigartige Schutzfunktion, die das Schaltwerk und auch das Schaltauge vor Beschädigungen schützt. Sobald ein Schlag auf das Schaltwerk registriert wird, weicht dieses nach innen aus und geht kurze Zeit später in seine ursprüngliche Position zurück. Das schützt in erster Linie den Motor im Inneren, aber natürlich auch sämtliche andere Bauteile. Gerade bei einem Schaltwerk, das deutlich über 300 Euro kostet, ein tolles Feature.
Controller statt Schalthebel – mehr als nur ein anderer Name
So aufregend und neuartig die kabellose Verbindung zum Schaltwerk auch sein mag, in der Praxis – also auf dem Trail – ist das nicht die größte und entscheidende Neuerung der AXS Schaltgruppen. Diese versteckt sich nämlich am Lenker, wo der Controller den traditionellen Hebel ersetzt. Sram ist ein großes Risiko eingegangen, indem man sich hier komplett von dem löste, was wir viele Jahre lang gewohnt waren: Die zwei Hebel sind komplett verschwunden und werden durch eine Wippe ersetzt. Insofern ist es durchaus angebracht, hier von einem Controller zu sprechen, denn mit einem Schalt“hebel“, hat es eigentlich nichts mehr zu tun.
Dieser radikal neuartige Ansatz verlang von Umsteigern ein wenig Umgewöhnung – dann aber ist er für viele Fahrer eine Offenbarung. Ergonomisch deutlich angenehmer, ohne lange Schaltwege; eigentlich kann der Controller alles besser als ein herkömmlicher Shifter.
Kompatibel mit 11-50, 10-50 und 10-52 Kassetten
Das Schaltwerk ist mit sämtlichen derzeit erhältlichen Sram Eagle-Kassetten kompatibel. Wer also an Gewicht sparen möchte, kann problemlos eine XG 1299 aus der XX1-Serie montieren. Sparfüchse setzen stattdessen wohl eher auf die günstige NX Eagle 11-50er Variante. Natürlich sind auch alle anderen Kombinationen problemlos möglich, mit bis zu 520 % Bandbreite.
AXS Smartphone App: Diagnose, Auswertung und Individualisierung
Die kostenlose AXS App verbindet sich per Bluetooth mit der Schaltung und bietet dem Nutzer einige sehr nützliche Features. Vielfahrer können beispielsweise auswerten, welche Gänge sie am meisten Nutzen, damit den Verschließ überwachen oder ihre Tritteffizienz verbessern. Zusätzlich gibt die App natürlich Auskunft über den Ladezustand des Akkus und erlaubt auch das Umbelegen der Taster. Zudem kann der Controller damit in den „One-Click-Lever“-Modus versetzt werden: Selbst wenn man die Wippe gedrückt hält, wechselt das Schaltwerk maximal einen Gang. Praktisch für E-MTBs.
Technisch identisch – und sonst?
Aber Moment: Wenn wir technisch mit der Sram GX Eagle AXS genau das bekommen, was wir auch von den beiden anderen kabellos-Gruppen kennen, wo liegen dann die Unterschiede – immerhin ist die GX deutlich günstiger. Wie auch bei den mechanischen Gruppen finden diese sich vor allem bei Materialwahl und Gewicht. So besteht der Käfig des Schaltwerks beispielsweise aus Stahl (X01 Eagle AXS: Aluminium, XX1 Eagle AXS: Carbon), was sich in einem Mehrgewicht von ca. 70 g niederschlägt. Die Kehrseite davon: Der Stahlkäfig ist nach Angaben von Sram nochmals robuster als der Alu-Käfig der X01 Eagle. Die GX Eagle AXS bringt damit nicht weniger als das stabilste Schaltwerk im gesamten Portfolio mit.
Noch geringer gestalten sich die Unterschiede beim Controller. Die Wippe entspricht dabei der, die man von den anderen AXS Gruppen bis zu diesem Modelljahr kennt. Seit Beginn der Saison werden X01 und XX1 jedoch mit einer neuen Variante ausgeliefert, die für mehr Grip eine geriffelte Oberfläche und eine leicht andere Form mitbringen. Darauf muss man beim GX Eagle AXS Controller verzichten, kann jedoch auf Wunsch auch nachrüsten. Zudem ist die Befestigungsschelle hier lackiert und nicht eloxiert wie bei den anderen Varianten. Das Gewicht bleibt mit ca. 70 g jedoch gleich.
Gewichte und Preise im Vergleich: Wo steht die Sram GX Eagle AXS?
Jetzt zu den harten Fakten: Wo ordnet sich die GX Eagle AXS im Vergleich zu den übrigen Eagle Gruppen ein? Preislich liegt ihr UVP doch deutlich über dem der Premium-Gruppe XX1 Eagle, wir rechnen jedoch damit, dass sie sich bereits recht früh auf dem freien Markt auf eine ähnlichen Niveau bei ca. 500 Euro einpendeln dürfte – aber das ist momentan noch Kaffeesatzleserei. Dennoch: 60-70 g Mehrgewicht sind alles, was man im Gegensatz zu den Edel-Pendants von X01 und XX1 Eagle AXS in Kauf nehmen muss – und das für etwas mehr als die Hälfte des Preises!
Vergleicht man die Gewichte, wird es durchaus interessant. So liegt hier die kabellose GX Eagle ungefähr auf dem Niveau ihrer mechanischen Schwester-Gruppe. An dieser Stelle sei jedoch gesagt, dass das Gewicht der mechanischen Gruppen je nach Außenhülle und deren Länge mehr oder weniger stark variieren kann. Die Unterschiede beim Gewicht sind jedoch ohnehin sehr gering, wenn man den Blick nur auf Schaltwerk und Shifter richtet. Zwischen der schwersten Eagle Gruppe und der leichtesten liegen weniger als 100 g; anders sieht es beispielsweise bei den Kassetten aus – hier liegen zwischen NX Eagle und XX1 Eagle beispielsweise über 250 g.
Art | Gewicht | UVP | Straßenpreis | |
---|---|---|---|---|
GX Eagle AXS | Elektronisch | 517 g | 620 Euro* | ??? |
NX Eagle | Mechanisch | 521 g** | 157 Euro | 120 Euro |
GX Eagle | Mechanisch | 492 g** | 165 Euro | 150 Euro |
X01 Eagle | Mechanisch | 481 g** | 388 Euro | 310 Euro |
XX1 Eagle | Mechanisch | 462 g** | 474 Euro | 400 Euro |
X01 Eagle AXS | Elektronisch | 448 g | 1050 Euro* | ca. 800 Euro |
XX1 Eagle AXS | Elektronisch | 445 g | 1050 Euro* | ca. 800 Euro |
* inklusive Ladegerät und Akku
** Zug und Außenhülle sind mit 70 g eingerechnet
Aber: Sram ist ja nicht der einzige Hersteller mit 12-fach Schaltgruppen auf dem Markt. Die Konkurrenz aus Japan konnte in den vergangenen zwei Jahren doch etwas aufholen und hat ebenfalls interessante Schaltungskomponenten auf dem Markt. Im Gegensatz zu den US-Amerikanern setzen die elektronischen Schaltgruppen von Shimano jedoch noch auf elf Gänge und stehen nicht wirklich in direkter Konkurrenz zur GX Eagle AXS. Doch ein Blick auf die mechanischen Gruppen lohnt durchaus.
Art | Gewicht | UVP | Straßenpreis | |
---|---|---|---|---|
GX Eagle AXS | Elektronisch | 517 g | 620 Euro* | ??? |
Shimano XTR | Mechanisch | 422 g | - | 280 Euro |
Shimano XT | Mechanisch | 468 g | - | 150 Euro |
Shimano SLX | Mechanisch | 503 g | - | 100 Euro |
Auf dem Trail mit der Sram GX Eagle AXS
In der Praxis zeigt sich die neue Sram GX Eagle AXS dann genau so, wie man es von den technischen Daten erwarten konnte: Die Unterschiede zu den wesentlich kostspieligeren beiden kabellos-Pendants sind in der Praxis nicht spürbar. Die Schaltvorgänge sind knackig und zügig, auch das Durchschalten geht zügig vonstatten – wenngleich man hier mit den mechanischen Gruppen noch ein klein Wenig schneller ist. Der vielleicht größte Vorzug gegenüber klassischen Schaltungen mit Zug ist jedoch nicht die Schaltperformance, sondern die Ergonomie: Hat man sich erst einmal an den Schalt-Controller gewöhnt, möchte man ihn nicht mehr missen. Der Daumen findet bequem Platz in der sehr schön geformten Wippe und es genüg ein kleiner Impuls nach oben oder unten, um den Schaltvorgang auszulösen. Andererseits ist der Widerstand jedoch hoch genug, um versehentliche Schaltmanöver quasi auszuschließen.
Zum Thema Haltbarkeit können wir – bezogen auf die GX Eagle AXS – noch keine verlässlichen Angaben machen. Schenkt man den Angaben von Sram jedoch Glauben, dass das Schaltwerk noch robuster ist als X01 und XX1 Eagle AXS, haben wir hier keinerlei Bedenken. Letztere hatten wir mittlerweile an einer Vielzahl von Testrädern verbaut und sind sowohl bezüglich Robustheit als auch Zuverlässigkeit vollkommen überzeugt. Auch während des Testeinsatzes der neuen GX Gruppe hatten wir keine Ausfälle oder ähnliches zu beklagen.
Der einzige echte systembedingte Nachteil der kabellosen Schaltungen ist die Abhängigkeit vom Akku. Zwar ist die Lösung von Sram sehr gut – sowohl Akkulaufzeit als auch Warnsignale bei geringer Ladung – das Grundproblem bleibt jedoch bestehen: Ist der Akku leer, bleibt das Schaltwerk stoisch in dem eingelegten Gang. Es bleibt nur, bei Abfahrt und Ankunft ein Auge auf die entsprechende LED zu haben und den Akku regelmäßig zu laden. Zudem kann man das sehr leichte und kompakte Ladegerät samt einer kleinen Powerbank auch im Rucksack unterbringen und so den Akku im Fall der Fälle auch unterwegs laden – gerade für Freunde von Mehrtages-Abenteuern eine Überlegung wert.