Test Mavic Allroad SL Gravel-Laufradsatz: Laufräder fürs Gravelbike gibt es bei Mavic schon seit mehreren Jahren. Doch die traditionsreichen Franzosen bleiben am Ball und haben ihren „Allroad“ deutlich weiterentwickelt. Mit zahlreichen Detailverbesserungen ist der Mavic Allroad SL nun noch attraktiver, und im Test von Velomotion zeigt sich, was sich alle geändert hat – und warum dies perfekte Laufräder für Graveller und Crosser sind.
Mavic gehört zu den ältesten durchgehend existierenden Herstellern in der Fahrradbranche. Die Anfänge der Firma gehen bis ins späte 19. Jahrhundert zurück; das einst gelb-rote Logo, das seither mehrfach verändert wurde, ist fast 100 Jahre alt. Mavic stellt seit den 1930ern Felgen her, hatte teilweise komplette Komponentengruppen im Programm, die es bis zum Tour-de-France-Sieg 1989 brachten, präsentierte 1992 mit der Mavic Mektronik die erste elektronische Schaltung – und gehörte in den 1990er Jahren zu den ersten Großherstellern, die Systemlaufräder anboten, bei denen Felgen, Speichen und Naben optimal aufeinander abgestimmt waren. Im frühen 21. Jahrhundert zählten die Ksyrium-Laufräder zu den beliebtesten Radsätzen am Markt, doch die Konkurrenz schlief nicht – und wurde immer größer. Heute sind die Franzosen, die sich inzwischen auch im Bekleidungssegment betätigen, nur noch ein Laufradhersteller unter vielen. Allerdings einer, der nach wie vor innovativ ist und auch die angesagten Marktsegmente zu bedienen weiß.
Mavic Allroad SL: Nicht ganz neu, doch rundum optimiert
Wobei der Mavic Allroad SL im Test von Velomotion keineswegs komplett neu ist – bereits vor vier Jahren stellten wir den Mavic Allroad Elite vor. Beide Laufrad-Generationen weisen viele Gemeinsamkeiten auf, doch der Allroad SL ist in so vieler Hinsicht weiter entwickelt, dass sich ein genauerer Blick lohnt. Im Folgenden zeigen wir, was sich in diesen vier Jahren verändert hat und was der Allroad SL besser kann – auch wenn der Elite durchaus nicht zum alten Eisen gehört.
Der erste Unterschied fällt gleich beim Bezahlen auf: Mit 790 Euro ist der 2021er Allroad SL rund 40 Euro teurer als der Allroad Elite, welcher damals allerdings mit Reifen geliefert wurde – das geht angesichts der allgemeinen Preissteigerungen in Ordnung. Von eigenen Pneus hat sich Mavic inzwischen weitgehend verabschiedet; nur fürs Rennrad gibt es noch ein Modell. Interessanter ist freilich, dass der neue, etwas günstigere Radsatz satte 150 Gramm weniger wiegt. Der Allroad SL bringt nur 1.570 Gramm auf die Waage, womit das Testmuster sogar 20 Gramm leichter ist, als Mavic offiziell angibt. Für einen Alu-Radsatz ist das ziemlich wenig – zumal angesichts der weiteren Eigenschaften des SL.
Was macht einen Gravel-spezifischen Radsatz aus? In erster Linie geht es um die Felgen; die müssen nämlich auf die breiten Gravel-Reifen abgestimmt sein. Eine typische Rennradfelge mit 19 mm Maulweite geht zwar auch, doch dann wölbt sich ein breiter Reifen glühbirnenförmig nach außen und kann sich bei geringerem Druck schwammig anfühlen. Gravel-Felgen mit einer Maulweite oberhalb von 24 mm stützen den Pneu deutlich besser ab; sie können aber meist nur mit Reifen gefahren werden, die mindestens 35 mm breit sind.
„Hookless“ für optimalen Reifensitz
Und wie hält es Mavic? Bereits 2017 setzten die Franzosen auf eine Maulweite von 22 mm, außerdem ist die Felge des Allroad hakenlos. Das heißt, dass das nach innen ragende Felgenhorn fehlt, welches einerseits für sicheren Reifenhalt bei sehr hohem Druck sorgt, andererseits aber den Reifen stärker einschnürt, was zulasten des Seitenhalts auf der Felge geht – bei geringem Druck wird er wiederum schwammiger. Die Hookless-Felge stützt den Reifen weiter außen ab, und so sorgt sie auch bei etwas geringerer Maulweite für sehr guten Reifenhalt.
Ein großer Vorteil der 22 mm weiten Hookless-Felge ist außerdem, dass Reifen ab 28 mm Breite gefahren werden können. Damit eignet sich der Allroad SL auch fürs „Road Plus“-Rennrad mit etwas breiteren Pneus, außerdem fürs Cyclocross-Bike, an dem in der Regel 33 mm breite Reifen gefahren werden – und zwar mit möglichst geringem Druck, wofür die Hookless-Felge wiederum prädestiniert ist. Was die maximale Reifenbreite angeht, empfiehlt Mavic 46 mm, wobei Mavic-Produktmanager Maxime Brunand erklärt, dass laut ETRTO-Norm auch 64 mm breite Reifen passen. Die Einschränkung würde nur deshalb gemacht, damit niemand der Versuchung unterliegen würde, den Radsatz an einem 29er Mountainbike zu fahren, so Brunand. Damit decken die Allroad SL sämtliche Reifenbreiten ab, die an einem Gravelbike gefahren werden – vom reinen Asphalt-Einsatz bis hin zu grobem Geläuf bzw. zum Bikepacking, wo aufgrund der Zuladung mehr Reifenvolumen nützlich ist.
Felgenband? Nein danke
Typisch für Mavic ist das geschlossene Felgenbett, wodurch die Verwendung von (Tubeless-) Felgenband überflüssig wird. Die Speichennippel werden von außen in die Felge geschraubt, was die Fertigung natürlich aufwendiger macht. Das Felgenbett weist die für Schlauchlos-kompatible Felgen typische Rinne auf, die für sofortiges Abdichten sorgt – 50er Gravel-Reifen wie 33er Cyclocross-Pneu können mit der normalen Standpumpe befüllt werden und bleiben auch ohne Dichtmilch dauerhaft prall. Die mitgelieferten Tubeless-Ventile passen perfekt in die Rinne und können sich beim Befestigen bzw. Lösen nicht verdrehen.
Beim frühere Topmodell der Allroad-Serie (dem Allroad Pro, der fast 1.000 Euro kostete) wurde noch mit Aluminiumspeichen etwas Gewicht gespart, doch das ist heute nicht mehr nötig. Die Stahlspeichen sind inzwischen freilich ovalisiert statt einfach nur flach, was etwas Gewicht spart und dazu den Luftwiderstand um rund fünf Watt reduziert, wie Maxime Brunand erklärt. Auch die Naben haben sich im Vergleich zu jenen des alten Allroad Elite deutlich weiterentwickelt: Heute setzt Mavic nur noch einen Speichentyp ein – rechts wie links und vorne wie hinten. Das hat den Vorteil, dass man etwa bei längeren Bikepacking-Touren nur noch eine Sorte Ersatzspeichen braucht. Die tangential eingelegten, zweifach gekreuzten Speichen (die sich an den Kreuzungsstellen nicht berühren, was Geräuschbildung vorbeugt) können bei einem Speichenbruch ersetzt werden, ohne dass Zahnkranz oder Bremsscheiben demontiert werden müssen – ein großer Vorzug gegenüber klassisch gekröpften Speichen, gerade auf der Radreise.
Überall die gleiche Speiche
Den „Instant Drive 360“-Freilauf gab es beim Allroad schon vor vier Jahren, und er überzeugt nach wie vor mit sonorem Surren und verlässlicher Funktion dank Zahnscheiben-Mechanik. Mit 40 Zähnen fällt der Leerweg bis zum Kraftschluss sehr kurz aus. Natürlich sind Freilaufkörper für alle gängigen Systeme verfügbar: Shimano, Campagnolo, Sram XDR und inzwischen auch Campagnolo N3W für die 13-fach-Kassetten der Ekar.
Graveln? Crossen? Beides geht mit dem Mavic Allroad SL
Ob mit 50er Reifen am Gravelbike oder mit schmalen 33ern am Crosser: In der Praxis überzeugt der Mavic Allroad SL auf ganzer Linie. Gerade beim Crossen sind hohe Steifigkeit und geringes Gewicht eine optimale Kombination; am Gravelbike ist der leichte Radsatz im besten Sinne unauffällig: stabil, optisch gelungen und akustisch ein Genuss, was den Freilauf betrifft. Zu beachten sind in jedem Fall die Luftdruck-Angaben auf der Felge: Ein 28er Tubelessreifen darf mit maximal 4,5 bar befüllt werden, ein 50er mit höchstens 3,1 bar. Wird mit Schlauch gefahren, kann der Druck bis zu 15 % höher ausfallen, wie Maxime Brunand erklärt. In der Praxis dürften diese Drücke jedoch eher unterschritten werden, um Fahrkomfort und Traktion zu optimieren.
Und sonst? Hochwertige, optimal gedichtete Lager gab es bei Mavic schon immer, dazu sind die Mavic Allroad SL „rückwärtskompatibel“ für den Fall, dass man ein Rad mit 15er Steckachse vorne oder gar Schnellspannern hat. Auf den Trail-Einsatz zugeschnittene Gravelbikes können mit der 650B-Version der Allroad SL gefahren werden, die noch einmal etwas leichter ist und mit 25 mm Maulweite ideal für breite Reifen. Für etwas sparsamere Gravelbiker gibt es außerdem den Allroad S, der für 450 Euro nahezu identische Technik bietet. Die Naben sind dieselben, nur die Felgen sind etwas schwerer; außerdem kommen flache statt ovalisierte Speichen zum Einsatz. Im Vergleich zum Allroad SL ergibt sich dadurch ein Mehrgewicht von nur rund 200 Gramm, was man gerade am Gravelbike vernachlässigen kann. Eine Carbon-Ausführung für 2.000 Euro gibt es auch noch, doch die kann nicht einmal mit einem nennenswerten Gewichtsvorteil punkten. So bleibt Mavic auch am Gravelbike und am Crosser seinen Wurzeln treu: Wer einen in allen Details überzeugenden, gut gemachten Alu-Radsatz sucht, kann sich auch heute vertrauensvoll an den französischen Traditionsanbieter wenden.