Test Bulls Alpine Hawk Team Di2: Die Kölner Zweirad-Einkaufs Genossenschaft ZEG bietet ihren Aero-Renner zum Kampfpreis an, hat dabei aber mehr zu bieten als nur ein absolut günstiges Rad. Aerodynamik, Komfort und Spitzentechnik ergeben am neuen Bulls Alpine Hawk eine überzeugende Mischung, wie der Velomotion-Praxistest zeigt.
Wer bekommt nicht gerne etwas Schönes geschenkt? Eine kleine Aufmerksamkeit ist immer willkommen, aber es darf auch etwas Größeres sein – wie wär’s zum Beispiel mit einem ziemlich leichten Carbonrahmen? So etwas kostet gerne mal ein paar Tausend Euro, was man entsprechenden Kompletträdern auch anmerkt: Wer aktuell nach einer Rennmaschine mit der brandneuen Shimano Dura-Ace 9270 sucht, sieht sich bei den US-Fachhandelsmarken durch die Bank mit fünfstelligen Preisen konfrontiert; die einheimischen Direktversender schaffen’s immerhin für 8.000 bis knapp 10.000 Euro.
Bulls Alpine Hawk: Preishammer beim ZEG-Händler
Da winken die meisten ab und sehen sich lieber nach einem Renner mit bescheidenerer Ausstattung um – oder sie schauen mal beim ZEG-Händler vor Ort rein. Den gibt es ja bekanntlich an allen Ecken und Enden der Republik, und mit seinen Marken von Pegasus bis Kettler und von Hercules bis Bulls bietet ebenso Alltagsräder und City-E-Bikes wie sportliche Mountainbikes und eben Rennmaschinen an. Zu letzteren gehört das Bulls Alpine Hawk Team Di2 – und wer sich dieses Rad anschaut, könnte wirklich auf den Gedanken kommen, dass die Kölner Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft ihren Kunden ein schönes Geschenk machen will.
Rechnung mit überraschendem Ergebnis
Rechnen wir es schnell durch: Eine Komplettgruppe Shimano Dura-Ace Di2 9270, die neueste Variante der wohl bewährtesten Komponentengruppe am Markt, wird aktuell mit rund 3.500 Euro gehandelt. Der französische Traditionshersteller Mavic preist seinen aerodynamischen Carbon-Radsatz Cosmic SL 45 Disc mit 1.450 Euro aus. Und ein einteiliges Lenker-Vorbau-Set à la Vision Metron 5D ACR kostet regulär fast 700 Euro, auch wenn es hier und da etwas günstiger gehandelt wird. Nun braucht man noch einen Satz Schwalbe-Reifen (im Versandhandel 100 Euro), einen Sattel, klar, und Kleinteile – die Pedale muss man natürlich selbst mitbringen. All das kostet zusammengenommen circa 5.800 Euro – und das ist bereits ein Hunderter mehr, als Bulls für das Alpine Hawk Team verlangt. Das Rahmenset, das einen Gegenwert von rund 3.000 Euro darstellen dürfte, bekommt man also in der Tat dazu geschenkt.
Aero-Formen mit hohem Sitzkomfort
So – das muss man jetzt erst mal sacken lassen. Und dann ist es Zeit für einen genaueren Blick auf den Kölner Renner, denn der hat natürlich viel mehr zu bieten als nur einen extrem attraktiven Preis. Bulls verfolgt mit dem neuen Modell nämlich ein sehr interessantes Konzept: Das Rad vereint aktuelle aerodynamische Bauformen mit viel Komfort und einer Vielseitigkeit, die in diesem Segment Mangelware ist. Für ersteres steht ein waagerechtes Oberrohr in Kombination mit dem flach ausgeformten Steuerrohrbereich und tief positionierten Sitzstreben, unter denen das Sitzrohr die Rundung des Reifens aufnimmt. Die Sitzklemme ist integriert, ebenso wie sämtliche Leitungen im Lenker verlaufen und durch den Vorbau ins Rahmeninnere geleitet werden.
Ungewöhnliche Proportionen
Um nun zu erkennen, was das Alpine Hawk von anderen Aero-Rennmaschinen unterscheidet, muss man schon einen guten Blick für die Proportionen eines Rahmens haben. Dann fällt nämlich dessen eher langes Steuerrohr auf, außerdem das Oberrohr, das vergleichsweise kurz ausfällt. Beides führt zu einer eher kompakten, aufrechteren Sitzhaltung, die sich in entspannten Werten für Stack und Reach niederschlagen – beim 56er Rahmen 597 und 390 mm. Bei im Rennsport eingesetzten Maschinen wäre der erste Wert um rund 3 cm geringer, der Lenker wäre also merklich tiefer als beim Bulls. So tief, dass mancher Fahrer den Griff an den Unterlenker als etwas unangenehm empfindet – was beim Alpine Hawk natürlich kein Problem ist. Richtig aerodynamisch kann man auf dem schnittigen Bike auf jeden Fall sitzen; auf der anderen Seite ist die Körperhaltung bei lockerem Griff am Aero-Oberlenker ziemlich kommod. Dazu passt auch eine Rahmengeometrie, die mit 72° Lenkwinkel und minimal längerem Radstand Fahrstabilität und Laufruhe betont, was natürlich gerade einem Aero-Renner gut ansteht.
Was den Fahrkomfort angeht, ist das Bulls für seine Gattung ebenfalls ziemlich einzigartig. Der Hersteller verzichtet nämlich einerseits darauf, mit einer flachen Aero-Sattelstütze noch das letzte bisschen Windschnittigkeit herauszuholen, und verbaut lieber die hauseigene Duroflex-Carbonstütze, die merklich stoß- und vibrationsdämpfend wirkt. Außerdem – und auch das hat ein genauer Blick auf den Rahmen schon angedeutet, bei dem nämlich der Spalt zwischen Sitzrohr und Reifen recht groß ist – gönnt Bulls dem Alpine Hawk eine satte Reifenfreiheit bis 32 mm. Damit wird das Rad zwar noch nicht ganz zum Allroad-Renner, doch im Vergleich zu den 28er Pneus der meisten Aero-Bikes bietet Bulls hier ein merkliches Plus, was Einsatzbereich und Komfort angeht.
Wie es sich für ein modernes Rennrad gehört, ist das Bulls ausgesprochen verwindungssteif. Das sorgt zum einen für spielerische Beschleunigung, wozu auch das geringe Gewicht um 7,5 Kilo beiträgt – der Laufradsatz wiegt knapp 1.600 Gramm, die Shimano-Gruppe steuert rund 2.400 Gramm bei. Das stabile Chassis kommt auch der Fahrsicherheit zugute, etwa auf schnellen Abfahrten, wo das Bulls sehr verlässlich agiert.
Ein derzeit noch seltener Anblick: die Shimano Dura-Ace 9270
Die Dura-Ace 9270 konnte man schon im Vorjahr an den Musterrädern auf den Fahrradmessen sehen; in freier Wildbahn ist sie außerhalb des Profirennsports aber noch sehr selten. Zwei Dinge sind wirklich neu an der Gruppe, abgesehen von diversen Detailverbesserungen: Ein zwölftes Ritzel ist dazugekommen, sodass die Übersetzungsbandbreite nun noch größer ist – am Testrad 11-34 mit sehr enger Abstufung, bei der man höchstens das 16er Ritzel vermissen könnte. Beim 11-30er Kranz ist es dabei; diese Kassette könnte eine gute Wahl für alle sein, die keine supersteilen Anstiege bezwingen müssen. Vorne sind Kettenblätter in Größe 50/34 verbaut, also die klassische Kompakt-Übersetzung. Alternativ bietet Shimano auch 52/36 oder riesenhafte 54/40 für den Spitzensport an.
Neuheit Nummer zwei ist die Verkabelung der Komponenten: Die STI-Hebel sind nun per Funk mit den Schaltkomponenten verbunden, wobei das hintere Schaltwerk das elektronische Gehirn der Anlage enthält. Der Verzicht auf die Kabel am Lenker vereinfacht natürlich die Montage, vor allem bei Rennmaschinen mit integrierten Leitungen. Schaltwerk und Umwerfer sind nach wie vor mit einem zentralen Akku verbunden. In Sachen Funktion ist der vordere Umwerfer die vielleicht auffälligste Neuerung: Er ist nicht nur deutlich kompakter geworden, sondern arbeitet auch merklich leiser, schneller und geschmeidiger. Kaum ist der Schaltvorgang am ergonomisch optimierten Hebel aktiviert worden, liegt die Kette auch schon auf dem anderen Blatt. Hinten läuft die Kette so präzise wie eh und je über die Ritzel; auch die Bremsanlage arbeitet gewohnt überragend, wurde aber im Detail optimiert: Der Spalt zwischen Belägen und Rotor ist etwas größer geworden, sodass das Risiko schleifender Beläge nun noch geringer ist. Der Wartung zugute kommt die Verlegung des Anschlusses für das Entlüften der Bremse.
Bulls Alpine Hawk: Kantig-technische Optik
Optisch hat sich die neue Dura-Ace nicht allzu weit von ihrer Vorgängerin entfernt. Die rechte Kurbel ist noch etwas flächiger geworden, die Bremshebel haben eine leicht abgeänderte Form – viel mehr ist es nicht. Allerdings ist der Umwerfer nun deutlich kompakter. Zum kantigen Alpine Hawk passt die glänzend schwarze, schnörkellos funktionelle Gruppe sehr gut – das Auge fährt schließlich mit, und auch in dieser Hinsicht kann der Bulls-Renner überzeugen.
Was ist also am komfortablen Aerobike aus Köln interessant? Erst einmal natürlich der sensationell günstige Preis für die gebotene Technik, dann aber auch das interessante Konzept, ein komplettes Aero-Setup mit einer entschärften Sitzgeometrie zu kombinieren. Die gute Verfügbarkeit über das große ZEG-Händlernetz ist ein weiteres Plus, gerade für Radsportler, die nicht die absoluten Technik-Cracks sind und hier und da etwas Beratung benötigen. Und damit ist das Bulls Alpine Hawk Team Di2 das, was in Amerika ein „No-brainer“ genannt wird: Um sich für dieses Rad zu entscheiden, muss man wirklich nicht lange nachdenken!
Eine ausführliche Testbesprechung findet ihr im Youtube-Kanal von Velomotion – hier klicken zum Video und am besten gleich abonnieren.
Weitere Infos auch zu den anderen Alpine-Hawk-Modellen gibt’s hier.