Test Specialized Diverge STR: Das Specialized Diverge STR überrascht mit einer neuartigen Sattelfederung, die mit großem Aufwand viel Komfort bringen soll. Velomotion war mit dem neuen Gravelbike ausgiebig im Bayerischen Wald unterwegs und hat das erweiterte „Future Shock“-System gründlich ausprobiert.
Das Specialized Diverge ist ein guter Bekannter – bereits acht Jahre am Markt und damit ein echtes Gravel-Urgestein, seit fünf Jahren außerdem mit der „Future Shock“-Federung unterm Vorbau ausgestattet. Das Hauptaugenmerk bei den Testfahrten mit dem neuen Specialized Diverge STR lag daher definitiv auf dem neu entwickelten „Future Shock“-System am Hinterbau, von dem sich Specialized erstklassigen Komfort im Sitzbereich verspricht. Und in der Tat ergibt sich in Verbindung mit der bewährten Vorbau-Federung ein extrem angenehmes Fahrgefühl, kombiniert mit viel Fahrspaß. Denn da das Specialized Diverge STR mit einer recht sportiven Geometrie gesegnet ist, steht Gasgeben natürlich an der Tagesordnung.
Elastischer Einsatz im Sitzrohr am Specialized Diverge STR
Wie funktioniert Future Shock am Hinterbau? Ganz anders als vorne, wo der Lenker ja über eine echte Federung verfügt. Das rückwärtige System besteht aus dem Dämpfer im Oberrohr sowie einem im Sitzrohr verborgenen Einsatz namens „Frame Post“, der in neun unterschiedlichen Härtegraden verfügbar ist. Jeder Frame Post kann zudem in zwei Positionen montiert werden und ist dann entsprechend härter bzw. weicher. Dazu legt Specialized jedem Bike einen zweiten Frame Post mit anderem Härtegrad bei. Der Frame Post nimmt seinerseits die Sattelstütze auf, die kein spezielles Bauteil ist – jede Stütze mit 27,2 mm Durchmesser passt, wobei der Hersteller eine weniger stark flexende Stütze empfiehlt, damit der Federweg kontrolliert aus dem „Future Shock“-System kommt.
Durchs Hinterrad einwirkende Fahrbahnstöße werden durch den Frame Post mit einer Bewegung nach hinten/unten kompensiert, wobei das System bis zu 30 mm Weg bietet. Der Dämpfer im Oberrohr sorgt dafür, dass die Bewegung kontrolliert abläuft, damit der Fahrer beispielsweise nicht durch zu schnelles Ausfedern nach vorne katapultiert wird. Ein Fahrwerk im eigentlichen Sinne ist Future Shock nicht, da nur die Masse des Fahrers gefedert wird; dieser kann sich aber an sehr hohem Komfort freuen sowie an Einstellmöglichkeiten, die keine gefederte und flexende Sattelstütze bietet: Die Druckstufe ist in drei Stufen einstellbar, wobei die Federung in der stärksten Stufe nahezu blockiert ist; per Inbus kann auch die Zugstufe justiert werden.
Einstellbarer Dämpfer im Oberrohr
Natürlich funktioniert das Systems nur im Sitzen und dämpft dann sehr effektiv Vibrationen und Fahrbahnstöße. Zum Wippen neigt die Konstruktion dank der wirkungsvollen Dämpfung dabei nicht. So fühlt sich das neue Diverge STR extrem komfortabel an und gefällt mit sattem Bodenkontakt; geht man aus dem Sattel, wird man andererseits von der direkten Reaktion des Bikes fast aus den Klickpedalen gehauen, denn Kraftübertragung und Beschleunigung sind auf Top-Niveau. Die Geometrie des konventionellen Diverge wurde weitgehend unverändert übernommen, womit das neue Modell im Gegensatz zu manch anderen auf Komfort ausgerichteten Gravelbikes sehr verspielt ist und auch mit technischen Passagen umzugehen weiß. An der Front kann sich das Rad mit aktivierter Federung aber auch mal etwas schwammig anfühlen, wenn es beispielsweise über Wurzeln geht. Die 20 mm Federweg vorne führen freilich zu recht viel Stack, zumal im Vergleich zu eher sportlich orientierten Gravellern; auch nach oben gekröpfte Oberlenker hebt den Fahrer etwas an.
Vergleichsweise hoher Lenker
Als sportlicher Allrounder mit viel Komfort bewährt sich das Diverge STR ebenso am Berg wie auf schnellen Abfahrten in rauem Gelände; auch Strecke machen kann man mit dem innovativen Rad ziemlich schnell. Auch in Sachen Bikepacking ist das Diverge STR durchaus kompetent: Gabelhalterungen lassen sich montieren, und auch eine Satteltasche verträgt sich mit der Federung. An der Gabel lässt sich ein Schutzblech montieren, nicht aber am Hinterbau; für kleinere Gegenstände kann man eine Oberrohrtasche dranschrauben, außerdem verfügt das Specialized über das „Geheimfach“ namens SWAT im Unterrohr, in das man etwa eine Windjacke stopfen kann.
Nur mit einem Kettenblatt verfügbar
Anders als das konventionelle Diverge ist das STR „one-by only“ – eine Umwerfermontage ist nicht vorgesehen. Aufgrund der im Steuerrohr untergebrachten Federung müssen die Bremsleitungen außen geführt werden; auffällig ist das klassische BSA-Tretlagergehäuse mit geschraubten Lagerschalen – vom hauseigenen OSBB-Standard und anderen eingepressten Tretlagern hat sich Specialized vor einigen Jahren verabschiedet.
Was muss einem die aufwendige Heckfederung wert sein? Aufschlussreich ist der Vergleich mit dem identisch ausgestatteten Specialized Diverge Expert Carbon, das 6.600 Euro kostet – der „Future Shock“-Mechanismus im Sattelrohr schlägt also mit 900 Euro zu Buche. (Vergleicht man die Rahmensets, beträgt der Aufschlag jedoch 2.450 Euro.) Das Testrad kommt mit SRAM Rival AXS inkl. „GX Eagle“-Schaltwerk und einem Roval-Radsatz mit 33 mm tiefen Carbonfelgen, deren Maulweite mit 25 mm optimal auf breite Reifen zugeschnitten ist. Wobei Specialized 42 mm breite Pneus spezifiziert und bis zu 47 mm breite Reifen zulässt
Sonderlich leicht ist der Radsatz freilich nicht, wie auch das Komplettrad mit 9,75 Kilo zzgl. Pedalen ordentlich an der Waage zieht. Wie so oft bei Gravelbikes steht das Gewicht dem Fahrspaß freilich nicht entgegen, zumal das Komfort-Plus des Diverge STR einen deutlichen Mehrwert darstellt. Beim doppelt so teuren Topmodell S-Works Diverge STR mit SRAM Red und Keramiklagern stellt sich diese Rechnung freilich etwas anders dar.
Hier gehts zur Übersicht der neuen Specialized Diverge STR Modelle.