E-MTB Antriebe Test: Wir haben uns den TQ HPR50 im Detail angesehen. Neben ausführlichen Fahreindrücken aus der Praxis haben wir auf dem Prüfstand auch Leistungs- und Verbrauchswerte ermittelt.
Als Hersteller des derzeit noch immer stärksten Mittelmotors überhaupt, dem HPR120s, war TQ vielen E-Bikern zweifellos schon in den letzten Jahren ein Begriff. Spätestens mit der Vorstellung des TQ HPR50 vor einigen Monaten dürfte es der deutsche Hersteller nun ins Rampenlicht der Szene geschafft haben. Schon die technischen Daten zeigen, dass dieser Antrieb den Light E-MTB Markt für die nächsten Jahre mitbestimmen dürfte; mit nur 1.850 g Gewicht für die Motoreinheit und einem kompletten Systemgewicht von 3,9 kg inklusive des 360 Wh Akkus zählt er zum Leichtesten, was man als Hersteller derzeit im Rad unterbringen kann. Hinzu kommt seine kompakte Bauform und der runde Formfaktor, der die elegante Integration vergleichsweise einfach macht.
TQ HPR50: Technische Daten
- Gewicht Motor: 1,85 kg
- Max. Drehmoment: 50 Nm
- Akkukapazität: 360 Wh
- Gewicht Akku: 1.830 g
In puncto Leistung kann er sich mit einem maximalen Drehmoment von 50 Nm natürlich nicht mit „ausgewachsenen“ Mittelmotoren messen, ordnet sich unter den Light-Assist Modellen jedoch im Mittelfeld ein. Die Funktionsweise ähnelt dabei übrigens der des „großen Bruders“ HPR120s. Die namensgebende Harmonic Pin Ring Technologie kommt so ähnlich auch bei anderen Elektromotoren aus dem Hause TQ (z.B. bei Satelliten) zum Einsatz. Die Kraftübertragung im Inneren findet dabei nicht über Riemen, Ketten, Zahnräder oder ähnliches statt wie bei quasi allen anderen Mittelmotoren derzeit. Das soll die Lautstärke reduzieren und die kompakte Bauform erst ermöglichen.
TQ HPR 50: Auf dem Prüfstand – unerwartete Herausforderungen
Wie schon zahlreiche andere E-Bike Antriebe in der Vergangenheit musste sich auch der TQ HPR50 auf dem Prüfstand beweisen. Allerdings stellte sich dieses Unterfangen als deutlich komplizierter heraus als wir erwartet hatten. Im herkömmlichen Versuchsaufbau war der kompakte Motor nicht zur Kooperation zu motivieren. Obwohl ein Kurbelarm automatisiert mit verschiedenen Leistungen bewegt wurde, gab der TQ HPR50 keine Unterstützung ab, obwohl er in „Realbedingungen“, also beim Fahren mit Muskelkraft problemlos funktionierte.
Ein Gespräch mit TQ später wussten wir auch, weshalb unsere bewährte Testmethode keinen Erfolg brachte: Aufgrund seiner kompakten Bauform fand in der Motoreinheit kein herkömmlicher Drehmomentsensor Platz, stattdessen setzt TQ auf eine Kombination anderer Sensoren und einen ausgeklügelten Algorithmus, der die Fahrerleistung „über Umwege“ ermittelt. Im E-Bike Alltag, also wenn ein Fahrer oder eine Fahrerin aus Fleisch und Blut in die Pedale tritt, ist das ein durchaus cleverer Schachzug. Leider half uns diese Erkenntnis jedoch nicht dabei, den Motor in unserem Aufbau zur Zusammenarbeit zu bewegen. Laborleiter Veit nahm die Aufgabe deshalb in die eigene Hand und setzte sich kurzerhand selbst auf das Testbike. Die Messung der Eingangsleistung erfolgte über Wattmesspedale von Garmin und die im Vergleich zur Maschine stärker schwankende Eingangsleistung wurde gemittelt.
Drei Bikes, drei Antriebe?
Bevor wir zu den ermittelten Leistungsdaten kommen, möchten wir noch auf eine weitere Besonderheit hinweisen: Für diesen Test hatten wir drei unterschiedliche TQ E-MTBs im Labor: Ein Trek Fuel EXe, ein Scott Lumen eRide und ein Simplon Rapcon TQ. Bei den Messungen zeigte sich, was uns gegenüber die Fahrradhersteller und auch TQ bereits im Vorfeld angedeutet hatten: Jedes Bike hat eine etwas andere Unterstützungscharakteristik. Die Fahrradhersteller haben die Option, die Software des Antriebs – zumindest teilweise – auf das eigene Bike abzustimmen. Zudem gibt es von TQ selbst auch eine andere Software für E-Gravelbikes und E-Rennräder mit dem HPR50. Jedoch lassen sich diese unterschiedlichen Charakteristiken fast immer über die TQ App vom Fahrer „angleichen“ bzw. individualisieren. Dennoch macht es dieser Umstand noch etwas komplizierter, über den TQ HPR50 im Allgemeinen zu sprechen. Wir haben uns für einen Mittelwert entschieden.
Leistung
Um die Maximalleistung zu ermitteln, schalten wir den Antrieb in seine höchste Unterstützungsstufe und geben 250 W auf die Kurbel. Diese Messung soll bewusst Extremsituationen abbilden, in denen der Antrieb an seine Grenzen gehen muss – beispielsweise beim Überwinden von Stufen. Hier ordnet sich der TQ HPR50 ungefähr auf dem Niveau des Fazua Ride 50 ein, schlägt den in die Jahre gekommenen Specialized SL 1.1, reicht aber nicht ganz an die Power des Fazua Ride 60 oder des Shimano EP8 RS heran. Dennoch: Angesichts seines Gewichts und der beeindruckend geringen Geräuschentwicklung ein beachtlicher Wert.
Neben dieser Extrem-Belastung versuchen wir auch ein etwas alltäglicheres Szenario abzubilden, indem wir entspannte 100 W auf die Kurbel geben. Die ermittelten Werte für den TQ HPR50 sind hierbei ein Novum, denn es ist der mit großem Abstand sportlichste Antrieb, den wir je im Test hatten. Im Klartext: Bei 100 W Fahrerleistung passiert in puncto Unterstützungsleistung noch nicht allzu viel. Um den Motor zu mehr Arbeit zu motivieren, müssen es schon ca. 150 W Eingangsleistung sein, wo er dann einen deutlichen Zahn zulegt.
Energieverbrauch und Reichweite
Neben der Leistung messen wir auch immer den Energieverbrauch des Antriebs. Normalerweise erfolgen diese Messungen sowohl in der Ebene als auch am Berg. Da wir (bzw. Veit – danke!) im Falle des TQ HPR50 jedoch selbst treten mussten, haben wir auf die zeitintensiven Messungen für den Verbrauch in der Ebene verzichtet. Stattdessen haben wir gemessen, wie viel Energie der HPR50 bei einer simulierten Steigung von 10% in der höchsten Unterstützungsstufe pro gefahrenem Kilometer aus dem Akku zieht. Hier zeigt sich klar, dass alle Antriebshersteller nur mit Wasser kochen und niemand die Physik überlisten kann: Antriebe, die mehr Power haben (z.B. Fazua Ride 60 oder EP8 RS) verbrauchen entsprechend mehr Energie, während sich der HPR50 hier genügsam zeigt.
Für die theoretischen Reichweiten bedeutet das, dass man auch mit dem eher kleinen 360 Wh Akku des Systems bereits durchaus größere Touren ins Auge fassen kann, spätestens durch die Montage des optionalen Range Extenders mit weiteren 160 Wh Kapazität sollten zumindest sportliche Fahrer dann jedoch spielend über einen ganzen Tag kommen.
Akkus: Leichter 360 Wh Akku und optionaler Range Extender
Beim TQ HPR50 handelt es sich um ein geschlossenes System. Das heißt: Fahrradhersteller, die den Antrieb verbauen, setzen auch auf den dazugehörigen Akku mit 360 Wh Kapazität. Dieser ist nicht nur sehr kompakt, sondern mit 1.830 g auch sehr leicht für seine Kapazität. Verbaut wird er im Rahmeninneren bzw. im Unterrohr. Ob eine Entnahme zum Laden durch den Nutzer möglich ist, ist vom Fahrradhersteller abhängig – während er sich beispielsweise am Trek Fuel EXe über eine Klappe am Tretlager herausziehen lässt, müssen Besitzer des Simplon Rapcon TQ auf eine derartige Entnahmemöglichkeit verzichten.
Optional ist für das System auch ein kompakter Range Extender mit weiteren 160 Wh Kapazität erhältlich, der kaum größer ist als eine Trinkflasche und mit 900 g auch deren Gewicht kaum übersteigt. Montiert wird dieser auf dem Unterrohr. Beim Laden des Systems erkennt das Ladegerät dann den montierten Range Extender und lädt zuerst den internen Akku – schön.
Bedienelemente: So muss es sein!
Das Bedienkonzept des kleinen TQ Antriebs passt zu seiner sportlichen Ausrichtung: Dem einfarbigen Display im Oberrohr steht eine kompakte Remote am Lenker zur Seite, die mit nur zwei Knöpfen auskommt. Die Bedienung ist intuitiv, durch die Bauart und Montagepunkte der Elemente sind diese auch bei einem Sturz bestens geschützt.
Am Bedienteil fällt die Gummierung positiv auf, die das Handling vor allem bei Nässe deutlich verbessert. Das Display ist auch bei direktem Sonnenlicht sehr gut ablesbar und stellt die wichtigsten Informationen übersichtlich dar, auch wenn sich der Inhalt von Rad zu Rad ein wenig unterscheiden kann. Im Alltag wäre eine farbliche Abgrenzung von Akkuladestand und Unterstützungsstufe jedoch schön gewesen – so könnte man die wichtigsten Infos auch aus dem Augenwinkel besser erfassen. Das ist jedoch Jammern auf hohem Niveau.
TQ E-Bike App: Für die Tüftler
TQ stellt seinem Antrieb auch eine im eigenen Haus entwickelte App zur Seite. Diese ist bewusst reduziert gehalten und soll zur Feineinstellung und Individualisierung auf die eigenen Bedürfnisse dienen. Entsprechend lassen sich nach dem Verbinden über Bluetooth die einzelnen Unterstützungsstufen auf die Gegebenheiten oder persönliche Vorlieben anpassen. Hier stehen die Parameter Maximalleistung, Unterstützungsfaktor und „Pedal Response“ zu Verfügung. Über Letztere lässt sich einstellen, wie dynamisch der Antrieb auf den eigenen Pedaldruck reagiert.
Fahrradherstellern steht offen, in Kooperation mit TQ eine angepasste und/oder erweiterte App anzubieten. Im Falle des Trek Fuel EXe hört diese auf den Namen Trek Central App und bietet einen deutlich größeren Funktionsumfang. Routen lassen sich planen, navigieren und aufzeichnen. Auch die individuelle Berechnung der Reichweite für alle Unterstützungsstufen ist möglich.
TQ HPR50 Fahreindruck: Unaufdringlich sportlich
Wir haben jetzt viele Worte über Leistungswerte und technische Daten verloren. Wichtige Faktoren, keine Frage – aber ob ein E-Bike Antrieb gefällt oder nicht entscheidet sich eben nicht auf dem Prüfstand oder bei der Lektüre eines Datenblatts, sondern in der Praxis. Hier muss man ganz klar sagen, dass TQ mit dem neuen Light-Antrieb die sportliche Grundausrichtung so konsequent verfolgt wie wohl kein anderer Hersteller bislang. Zwei Faktoren machen sich hier ganz deutlich bemerkbar und heben den HPR50 auch aus der „Masse“ der E-Antriebe hervor: Natürlichkeit und Geräuschkulisse.
Direkt vom ersten Antritt weg und in allen Unterstützungsstufen bis zum Maximum drängt sich der Antrieb niemals unangenehm in den Vordergrund. Stattdessen ergänzt er die eigene Leistung fast schon unbemerkt, ohne es dabei jedoch an Power missen zu lassen, wenngleich der Unterschied zu Full-Power Antrieben zu jeder Zeit deutlich spürbar ist. Auch seine sportliche Abstimmung bei wenig Fahrerleistung ist einzigartig und für E-Biker, die von anderen Mittelmotoren kommen, sicherlich gewöhnungsbedürftig. Wer einen Antrieb sucht, der E-Bike samt Fahrer den Anstieg bis zum Gipfel entspannt nach oben zieht, der sollte sich woanders umschauen. Wer jedoch kein Problem damit hat, auch mal ein wenig ins Schwitzen zu geraten, den Berg jedoch im Vergleich zum unmotorisierten Bike doppelt so schnell zu erklimmen – das ist euer Antrieb! Bei der Kadenz hat der HPR50 seinen Sweetspot wohl zwischen 80 und 90, mit höherer Trittfrequenz kommt er tendenziell besser zurecht als mit niedriger.
Diese momentan unerreichte Natürlichkeit wird unterstrichen durch die Geräuschkulisse des Antriebs. Wir sagen bewusst nicht Lautstärke, denn bei höherer Leistung ist der HPR50 durchaus hörbar, gerade bei hoher Trittfrequenz. TQ hat jedoch erkannt, dass es für das subjektive Empfinden gar nicht primär nur auf den Pegel, sondern auf die Tonalität ankommt: Der Antrieb wird nie unangenehm, sondern summt in einer wenig aufdringlichen Tonlage vor sich hin. Ebenso reagiert er weniger stark als viele andere Antriebe auf plötzliche Lastwechsel – während die Konkurrenz hier oftmals in ein kaum zu ignorierendes Quieken abdriftet, bleibt der TQ HPR50 eigentlich immer im Hintergrund und wird gerade im Gelände oft von Umgebungs- oder Abrollgeräuschen übertönt.
Auffällig war auch die Stille in der Abfahrt: Keines unserer drei TQ Testbikes gab hier unangenehmes Antriebsklappern von sich. Ob das nun auf die jeweiligen E-MTBs zurückzuführen ist oder auf den Antrieb selbst? Gewiss lässt sich das nicht sagen, aber es zeigt, dass der Antrieb selbst keineswegs zum Klappern neigt.
Ist der TQ HPR50 also ohne Fehl und Tadel? Nicht ganz – zwei Kleinigkeiten sind uns während des Tests negativ aufgefallen. Da wäre zum einen das für unseren Geschmack zu schwergängige Bedienteil: Auch wenn die Knöpfe einen angenehmen Druckpunkt besitzen und die Gummierung sehr angenehm ist, braucht es doch überraschend viel Fingerkraft. Klar, das ist ein schmaler Grat und sicherlich auch etwas subjektiv. Dennoch hätten uns etwas geringere Bedienkräfte gefallen.
Während unseres Labortests mit den Garmin Wattmesspedalen zeigte sich außerdem, dass die Anzeige der Fahrerleistung im Display sowohl beim Trek Fuel EXe als auch beim Scott Lumen eRide teilweise deutlich von der tatsächlich getretenen Leistung abwich – vor allem bei überdurchschnittlich hoher oder niedriger Trittfrequenz. Das ist kein Beinbruch, wer viel Wert darauf legt, wird ohnehin auf Lösungen wie die Wattmesspedale zurückgreifen. Dennoch sollte man sich dessen bewusst sein und die angezeigte Leistung nicht überbewerten.
Der TQ HPR50 ist der derzeit wahrscheinlich beste Light E-MTB Antrieb für sportive Fahrer, die Wert auf ein natürliches Fahrverhalten und eine angenehme Geräuschkulisse legen. Dafür muss man Abstriche bei der Maximalleistung machen, auch im Vergleich mit anderen aktuellen Light-Motoren wie z.B. dem Fazua Ride 60.