SRAM Apex AXS und Apex 12 2023: Der US-Komponentenhersteller weitet das elektronische AXS-Schaltsystem auf seine günstigste Gruppe aus und präsentiert dazu eine komplette Neuheit: eine mechanische SRAM-Gruppe mit zwölf Gängen.
Lange Zeit waren elektronische Schaltgruppen der preislichen Oberklasse vorbehalten, und entsprechende Kompletträder unterhalb von 6000 Euro waren kaum vorstellbar. Doch gerade SRAM hat in den letzten Jahren kräftig an der Preisschraube gedreht. 2021 wurde eine elektronische Variante der SRAM Rival vorgestellt, die Rival AXS als 1×12- oder 2×12-Variante – ohne Carbon-Bauteile etwas schwerer, dafür mit komplett neuer Hebelform ein deutlicher Fortschritt gegenüber den teureren Gruppen. Anfang 2022 senkte SRAM dann den Preis der 2019 vorgestellten Force AXS um rund 25 %, und die Anfang März präsentierte SRAM Force AXS 2023 ist als 2×12-Gruppe für weniger als 2.000 Euro zu haben. Technisch ist die Force dabei näher an die fast doppelt so teure Top-Gruppe Red herangerückt, der sie nun den neuen Hebel voraus hat. Mit der SRAM Apex 12 liegt nun einen viertes elektronisches Komponenten-Set vor – und außerdem erstmals eine mechanische Zwölffach-Gruppe für Gravelbikes.
Die Stoßrichtung der neuen Gruppen ist klar. Die mechanische Apex mit 1×11 Gängen wurde bislang vorwiegend für die Erstausstattung von mittelpreisigen Gravelbikes verwendet. Radhersteller montierten sie häufig an hochwertige Rahmen, um günstige Carbon-Modelle anbieten zu können. Für diesen Zweck ist nun auch eine elektronische Gruppe im Einsteiger-Segment verfügbar, und das bedeutet: Künftig könnten Gravelbikes oder Allroad-Bikes mit elektronischer 1×12-Gruppe schon zwischen 2.500 und 2.000 Euro verfügbar sein. Mit der mechanischen Variante werden sogar noch günstigere Zwölffach-Gravelbikes möglich.
SRAM Apex 2023 in zwei Varianten – XPLR und Eagle
Was zeichnet die neue SRAM Apex AXS aus? Erst einmal ist zu sagen, dass die neue Gruppe auf bekannten Technologien beruht. Die Apex AXS ist in zwei Versionen erhältlich, als XPLR und als Eagle, die sich ebenso wie die bisherigen Gruppen durchs Schaltwerk unterscheiden: XPLR bedeutet, dass Kassetten mit größtem Ritzel von 36 bis 44 Zähne geschaltet werden können; das Eagle-Schaltwerk bedient MTB-Kassetten bis 50 und 52 Zähne. Enger gestufte Kassetten werden von SRAM für diese Schaltwerke nicht freigegeben; sie sind für eine steile Ritzelböschung optimiert. XPLR und Eagle unterscheiden sich hinsichtlich der verwendeten Ketten: Erstere benötigt die „Flattop“-Rennradkette, letztere eine konventionell geformte Zwölffach-Kette. Die Kassetten der neuen SRAM Apex beginnen mit einem 11er Ritzel und passen auf konventionelle Shimano-Freiläufe; allerdings können auch die modernen XDR-Kränze mit 10er Abschlussritzel genutzt werden.
Die Form der Schalthebel entspricht SRAM Rival und Force AXS, und auch Komponenten wie Kurbelsatz und Bremssättel folgen der Rival, die ja ebenfalls aus Aluminium gefertigt wird. Die neuen Gruppen sind auch in Flatbar-Varianten mit Bremshebeln für gerade Lenker verfügbar. Geschaltet wird dann elektronisch mit einem bereits existierenden „Flatbar AXS-Controller“ bzw. mechanisch per MTB-Schalthebel.
Das Innenleben – Elektronik, Mechanik und Hydraulik – übernimmt SRAM von den höherwertigen Gruppen, was bedeutet, dass die neue Apex AXS in Sachen Funktion und Verlässlichkeit keineswegs hinter den teureren Parts zurückstehen muss. So sind die Bremsschalthebel auch mit den „Wireless Blips“ kompatibel, den per Funk gekoppelten Zusatz-Schaltern, die man unterm Lenkerband platzieren kann. Auch ein wellenbasiertes, linksseitig messendes Powermeter wird es geben. Ohnehin kann man im SRAM-AXS-Kosmos so ziemlich alle Komponenten munter kombinieren, etwa edle Red-Hebel mit dem bescheidenen Apex-Schaltwerk. Auch eine elektronische RockShox-Dropper Post dürfte mit der Apex AXS kompatibel sein.
Die spannende Neuheit: eine mechanische Zwölffach-Gruppe
Mit all diesen Eigenschaften steht die neue SRAM Apex AXS für das in der Fahrradbranche verbreitete „Trickle-down“ von Technologien. Wirklich neu und fast ein bisschen revolutionär ist freilich die mechanische Variante, die SRAM parallel vorstellt und die ab September 2023 am Markt verfügbar sein soll.
Erst einmal ist dies SRAMs erste mechanische Zwölffach-Gruppe außerhalb des MTB-Spektrums, denn bislang bot SRAM mechanische Rennrad- bzw. Gravel-Gruppen nur mit 2×11 oder 1×11 Gängen an. Von all diesen Sets – Red, Force, Rival und Apex – ist aktuell nur noch die altehrwürdige SRAM Red auf der Homepage zu finden, was darauf hindeutet, dass der Hersteller sein mechanisches Programm stark zusammenstreicht. So ist es durchaus möglich, dass die im Cyclocross-Bereich sehr beliebte SRAM Force 1 bald nur noch antiquarisch erhältlich sein wird. An die Stelle all dieser Gruppen tritt nun die Apex 12, und dabei schlägt sie eine Brücke zwischen mechanischen und elektronischen Komponenten. Diese zwei Bereiche waren bisher strikt getrennt – hier elf Gänge, dort zwölf. Die Apex 12 ist auch die erste mechanische Gravelbike-Gruppe von SRAM, die MTB-mäßige Kassetten schalten kann – in Form der Apex Eagle mit 11-50er Kassette. Bisher war bei 42er Zähnen Schluss.
Erstmals seit zehn Jahren eine neue Hebelform
Eine große Überraschung ist der Hebelsatz der mechanischen Apex. Der aktuelle Bremsschalthebel für mechanische Schaltung und hydraulische Bremsen ist bereits zehn Jahre alt und wurde nie verändert; nun ist er analog zum neuen elektronischen Hebel (Rival, Force, Apex) umgestaltet worden, was einen deutlichen Fortschritt darstellt. Der Griffhöcker, der den Hydraulikzylinder der Bremse enthält, ist kürzer geworden und der ganze Hebel damit kompakter. Der bekannte DoubleTap-Schalthebel scheint länger geworden zu sein, was gerade vom Unterlenker aus die Bedienung erleichtern dürfte. Links gibt es bei dem mechanischen System natürlich keinen Schalter. Auch die mechanische Apex kommt als XPLR und als Eagle, wobei die jeweiligen Schaltwerke weitgehend identisch aussehen, es aber nicht sind: Bei SRAMs Road- und MTB-Kassetten sind die Abstände der Ritzel geringfügig unterschiedlich, sodass das Verhältnis von Schaltzugweg und Schaltbewegung der zwei Schaltwerke anders ist.
Brückenschlag zwischen mechanischen und elektronischen Gruppen
Kurbelsatz, Kassette und Kette sind jetzt bei elektronischer und mechanischer Rival identisch. Da die Kassetten von Apex XPLR wie Apex Eagle mit einem 11er Ritzel beginnen (11-44 und 11-50) und auf einen konventionellen Shimano-Freilaufkörper passen, können vorhandene Elffach-Laufräder weiter genutzt werden, und wenn man die Sache mit der Ritzelböschung nicht so ernst nimmt, könnte es sogar sein, dass sich die enger abgestuften SRAM-AXS-Ritzelsätze à la 10-28 oder 10-30 Zähne demnächst auch mechanisch schalten lassen. Näheres werden die Praxistests zeigen, die Velomotion plant, sobald alle Apex-Versionen erhältlich sind. Alle Kurbelsätze der neuen Apex folgen dem DUB-Standard von SRAM. Mit einer Kettenlinie von 47,5 mm sind sie „Wide“, sprich die Kurbelwelle ist um 5 mm länger. Kettenblätter sind mit 38, 40 und 42 Zähnen verfügbar – aus gepresstem Stahl für die Erstausstattung und als Aluminium für den Endverbrauchermarkt.
Auch mit der mechanisches Apex 12 zielt SRAM stark auf die Radhersteller ab, von denen man sich günstige Kompletträder mit aktueller Technik versprechen kann. Aber letztlich ist es nicht nur der Preis, der mechanische Schaltungen nach wie vor sinnvoll macht. Die bewährte Technik ist etwa für Langstreckenfahrer/innen interessant, denn ein elektronischer Defekt ist irgendwo ganz weit draußen sicher schwerer zu beheben als etwa ein gerissener Schaltzug. Außerdem kann man sich gerade bei 1x-Antrieben fragen, ob man zur Bedienung des Schaltwerkes wirklich zwei elektronische Hebel braucht, wenn es auch ein einzelner mechanischer tut. Und nicht zuletzt gibt es nach wie vor Rahmen, die auf die Montage einer mechanischen Schaltung ausgerichtet sind, etwa klassisch angehauchte Stahl-Modelle.
SRAM Apex AXS und mechanisch: das kosten die Gruppen
Die spannende Frage ist nun: Was werden SRAMs neue Gravel-Gruppen kosten? Und ist die Apex AXS wirklich deutlich billiger als die eine Stufe höhere Rival AXS?
Die günstigste Variante ist natürlich die mechanische Apex: Hier nennt SRAM Preise von 1.095 (Eagle) bzw. 1.126 Euro (XPLR) für die kompletten Gruppen. Die Eagle-Variante ist etwas günstiger, weil ihre Kassette weniger kostet. Bei den elektronischen Gruppen ist es umgekehrt: Die SRAM Apex AXS Eagle kostet 1.456 Euro (Schaltwerk teurer), die Apex AXS XPLR steht mit 1.371 Euro in der Liste. Ein gutes Stück darunter liegen die Flatbar-Gruppen: elektronisch 1.185/1.270 Euro (XPLR/Eagle), mechanisch 811/780 Euro (XPLR/Eagle). Das nachrüstbare, linksseitig messende Powermeter kostet 230 Euro.
Im Vergleich zur Rival AXS, die aktuell mit 1.544 Euro gelistet wird, ist die entsprechende Apex AXS XPLR genau 173 Euro günstiger. Das klingt erst einmal nach nicht viel; hochgerechnet auf Rahmenset, Laufradsatz und Anbauteile könnte ein Komplettrad mit SRAM Apex AXS aber rund 500 Euro weniger kosten als ein Modell mit SRAM Rival AXS.
Alle vier Dropbar-Gruppen wiegen rund drei Kilo: Apex XPLR AXS 2.900 g, Apex Eagle AXS 3.191 g; Apex XPLR Mech 2.882 g; Apex Eagle Mech 3.072 g (jeweils ohne Innenlager). Das elektronische Eagle-Schaltwerk wiegt rund 100 Gramm mehr als das XPLR-Schaltwerk, außerdem sind die Eagle-Kassetten fast 200 Gramm schwerer.
Die Apex AXS soll sofort verfügbar sein, die mechanische Variante ab September. Dann wird sich auch zeigen, ob die „Straßenpreise“ der neuen Gruppen deutlich unter den Preisempfehlungen liegen. Auf der nächste Woche stattfindenden Eurobike dürften bereits Kompletträder mit den neuen Teilen zu sehen sein – mal schauen, ob sich unsere Vorhersagen bezüglich deren Preisen bewahrheiten.
Eine Zukunft für mechanische Schaltungen?
Eine vierte elektronische SRAM-Gruppe ist für den Markt sicher gut, dabei aber keine große Innovation. Überraschend ist eher, dass sich SRAM noch einmal der mechanischen Schaltung angenommen hat. Ob es bei der Apex bleiben wird, oder wäre auch eine gewichtsoptimierte Variante denkbar, etwa eine neue Force 1? Oder vielleicht sogar eine mechanische 2×12-Rennradgruppe? Die neue Hebelform hätte es verdient, auf weitere Gruppen ausgeweitet zu werden – und so bleibt es spannend bei SRAMs Dropbar-Komponenten.