Test Santa Cruz Stigmata: In der vierten Modellgeneration ist der Dropbar-Bike der MTB-Spezialisten so nah am Markenkern wie nie zuvor – vor allem in der Version mit Dropper Post und Federgabel. Kann dieses Rad mehr als andere Gravelbikes?
Das Santa Cruz Stigmata ist aktuell in der vierten Generation am Markt. Es geht zurück auf einen Alu-Crosser, den die US-Firma 2007 vorstellte, kam 2015 erstmals als Carbon-Bike mit Scheibenbremsen und wurde mit der dritten Version 2019 schließlich zu dem, was man heute Gravelbike nennt. Nun haben die MTB-Spezialisten das Rad noch einmal deutlich überarbeitet und es zu einem „Gravelbike für Mountainbiker“ gemacht, wie Santa Cruz es beschreibt. Wurde der Produktmanager, der 2007 mit dem Crosser ankam, noch in der Firma stigmatisiert (daher der Name des Modells), ist der Rennlenker heute Mainstream und auch in Biker-Kreisen akzeptiert – zumal, wenn er an einem Rad wie dem Stigmata 4 montiert ist.
Santa Cruz Stigmata: Viel Neues bei der Geometrie
Santa Cruz hat die Geometrie des Gravellers nämlich komplett umgekrempelt, um ihn näher an den Markenkern zu bringen. Die Optik hat sich zwar nicht sehr verändert, doch hat man es quasi mit einem neuen Rahmen zu tun: bis zu 45 mm längerer „Reach“, je nach Größe über 70 mm längerer Radstand, außerdem ein einheitlicher Lenkwinkel von 69,5°, während er sich vorher zwischen 71,5° und 72° bewegte.
Der einzige relevante Wert, der sich kaum verändert hat, ist der „Stack“, allerdings ist das Steuerrohr um 25 bis 30 mm verkürzt worden. Dadurch hat man Platz geschaffen für eine längere Starrgabel bzw. eine Federgabel mit bis zu 40 mm Weg, wie sie am Testrad montiert ist. Der längere „Reach“ wird derweil durch einen entsprechend kürzeren Vorbau ausgeglichen; die Sitzhaltung bleibt also kompakt bis aufrecht, wenn man am Oberlenker greift. Ach so, die Reifenfreiheit wurde auch vergrößert – nun passen 50er Pneus durch Rahmen und Gabel.
Handlich trotz Federgabel
Mit der RockShox-Gabel ist das Gravelbike endgültig dort angekommen, wo es Mountainbiker haben wollen. Wer vom Dropbar-Rad kommt, wird sich dem Stigmata in dieser Komplettierung jedoch erst einmal vorsichtig nähern, doch die Scheu ist unbegründet: Trotz Luftgabel und absenkbarer Sattelstütze lässt es sich durchaus so fahren wie ein normales Gravelbike – allerdings eines, das viele Reserven hat. Trotz des flachen Lenkwinkels ist das Handling im positiven Sinne unauffällig – das Santa Cruz wirkt agil und lässt sich willig durch enge Kehren steuern. Das liegt sicher auch an den nur 423 mm kurzen Kettenstreben; der lange Rahmenvorderbau führt wiederum zu sicherem Geradeauslauf. Mit Pedalen wiegt das Rad gut zehn Kilo, was aber nicht weiter auffällt. Das extrem geringe Gewicht der Laufräder – fahrfertig und tubeless aufgebaut gerade mal 3,3 Kilo – meint man beim Beschleunigen dann schon zu spüren.
Wirkungsvolle Vibrationsdämpfung
Wie aber wirkt sich die Gabel aus? Wer will, kann sie blockieren und merkt dann praktisch nichts von der Federung, ist sie offen, bringt sie jedoch merkliche Komfort-Vorteile. Der Federweg ist zwar kurz, doch die Forke spricht so sensibel an, dass sie Vibrationen und mittlere Stöße wirkungsvoll absorbiert. Auch quer zur Fahrtrichtung liegende Wurzeln kann man ohne Hochziehen des Vorderrades überwinden (wenn sie nicht zu hoch sind), ohne dass die Gabel durchschlägt. Nicht vergessen darf man freilich das ungefederte Heck – eine aktive Fahrweise ist also auch mit der RockShox nötig. Das gilt natürlich auch für Abfahrten, wo ein anderes MTB-Feature des Santa Crux zum Tragen kommt: die Dropper Post, ebenfalls ein RockShox-Produkt und elektronisch angesteuert durch die Schaltpaddel der SRAM Force AXS. Lässt man sich um die 75 mm absenken, die den maximalen Hub der Stütze darstellen, sitzt man sehr kompakt auf dem Rad und kann gerade noch so treten. In Unterlenkerhaltung ist dies eine durchaus komfortable Abfahrtsposition; an extremen Steilstücken kann man dank des abgesenkten Sattels auch das Körpergewicht einfacher nach hinten verlagern. Wer die Stütze etwa einen Zentimeter einfährt, kann außerdem von einer gewissen Stoßdämpfung profitieren; allerdings ist es in der Praxis schwierig, sie so ein kurzes Stück nach unten zu drücken.
Santa Cruz bietet das Stigmata in insgesamt fünf Modellvarianten an, von denen nur diese (die teuerste) mit Federgabel und Dropper Post kommt. Die Komplettierung mit SRAM Force AXS ist hochwertig, allerdings nicht ganz konsequent, zumal die XPLR-Variante mit 10-44er Kranz zum Einsatz kommt. Am MTB-mäßigen Graveller wäre eine Eagle-Kassette mit leichteren Berggängen wahrscheinlich geeigneter. Für herbstlich-winterliche Streckenverhältnisse nicht optimal ist die auf trockene Bedingungen ausgelegte Bereifung: Die Maxxis Rambler bauen auf nassem Laub und im Schlamm kaum Grip auf und sollten der warmen Jahreszeit vorbehalten bleiben. Andererseits gefallen sie mit einer runden Kontur, die gerade aus Asphalt kontrollierte, gleichmäßige Schräglage zulässt.
Superleichter Radsatz mit innovativen Ventilen
Zu den Highlights des Stigmata gehört der Reserve-Radsatz mit innen 25 mm breiten Gravel-Carbonfelgen und den soliden 350er Naben von DT Swiss. Die flachen Felgen sind im Bereich er Speichenbohrungen verstärkt, was für hohe Stabilität bei geringem Gewicht sorgen soll – und 350 Gramm für solche eine breite Felge ist wirklich wenig. Interessant sind auch die speziellen Ventile namens „Fillmore“, die laut Hersteller dreimal so viel Luft durchlassen wie konventionelle Ventile. Das soll die Tubeless-Montage deutlich erleichtern, zumal man idealerweise keinen Kompressor benötigt und zum Einfüllen von Dichtmilch nicht den Ventilkern entfernen muss.
Santa Cruz hat beim Stigmata eine sportliche Gangart im Sinn, ob nun mit oder ohne Federgabel. Schutzbleche und drei Flaschenhalter können montiert werden, aber keine Trägersysteme – auch nicht an der Carbon-Starrgabel. Allerdings gibt es ein geräumiges „Geheimfach“ im Unterrohr, in dem bereits zwei längliche Stoffetuis liegen. Minipumpe, Tool usw. können dauerhaft dort verwahrt werden, was durchaus praktisch ist.
Auch als Starrbike attraktiv
Das Stigmata 4 – im MTB-Trimm oder als Starrbike? Für Stütze und Gabel spricht das Komfort-Plus; ob man damit Trails fahren kann, die Gravelbikes ohne diese Technik verwehrt bleiben, sei dahingestellt. Andererseits kosten Gabel und Stütze im Aftermarket alleine 1.550 Euro, der Aufpreis ist also beachtlich. Mit SRAM Rival AXS und einfacherem Radsatz kostet das Stigmata als Starrbike gleich mal 3.000 Euro weniger; mit mechanischer SRAM Apex gibt es das Rad sogar schon für 3.999 Euro. Die Entscheidung für die Federung sollte also sehr bewusst erfolgen – sportlichen Fahrspaß im Gelände liefert das Santa Cruz auf jeden Fall.