Test Canyon Grizl:ON CF 7: Um den jungen Bosch-SX-Motor konstruieren die Koblenzer ein E-Gravelbike mit sportlichem Charakter und massig Schub. Doch auch ohne Unterstützung macht dieses Rad viel Spaß – und so ist der SX der erste Bosch-Antrieb, der wirklich Dropbar-tauglich ist, ob man es im Gelände nutzt oder im Alltag.
Dropbar-Bikes mit Bosch-Motor? Unsere Erfahrungen damit waren bisher nicht so berauschend. Los ging’s vor über zehn Jahren mit einem S-Pedelec von Haibike, das zwar im Straßenverkehr schnell war, allerdings ohne Unterstützung unfahrbar und natürlich durch die gesetzlichen Bestimmungen eingeschränkt. Ein Cannondale mit Bosch CX wiederum machte nur bis 25 km/h Spaß; es ohne Motor zu fahren machte keinen Sinn.
So sah alles danach aus, als wären kompakte, mäßig kraftvolle Heckmotoren oder natürlich das Fazua-Aggregat die bessere Wahl fürs E-Rennrad bzw. Gravelbike. Doch mit dem SX-Motor hat Bosch nun ein neues Kapitel aufgeschlagen – und das Canyon Grizl:ON CF 7 ist der beste Beweis dafür.
Bosch SX: klein, leicht und schubstark
Was kann der im Sommer 2023 vorgestellte Motor? Erst einmal ist er deutlich kompakter als die bekannten Motoren der Marke – zwei Kilo statt 2,9. Auch der nicht entnehmbare Akku mit 400 Wattstunden Kapazität ist kleiner und leichter. Das ist schon mal ein guter Ausgangspunkt für ein insgesamt sehr leichtes Elektrofahrrad, und Canyon arbeitet mit einem Carbonrahmen weiter in diese Richtung. Und so wiegt das Komplettrad inklusive Flaschenhalter fast aufs Gramm genau 16 Kilo, wobei es mit Lichtanlage und Federgabel ausgestattet ist. Der Verzicht auf letztere würde weitere ca. 700 Gramm einsparen, allerdings bietet Canyon das Grizl:ON nicht mit Starrgabel an. Die 45er Reifen am Testrad sind bereits tubeless montiert.
Elfgang-Schaltung und breite Gravel-Reifen
Wenn wir schon mal dabei sind: Zur Komplettierung gehören eine Shimano GRX 600/800 mit elf Gängen, außerdem ein solider DT-Swiss-Radsatz, dessen Alu-Felgen mit 24 mm Maulweite optimal für breite Reifen sind. Fizik steuert den Sattel Terra bei; die extrem komfortable Blattfeder-Sattelstütze kommt von Canyon. Außerdem gibt es die schon erwähnte Lichtanlage von Lupine, bestehend aus einem Strahler mit drei Helligkeitsstufen sowie zwei Rückleuchten. Letztere können nicht ausgeschaltet werden, was angesichts ihrer extremen Helligkeit ungünstig ist.
Trail- und Kopfsteinpflaster-tauglich dank Federgabel
Federgabel und -stütze deuten es schon an: Das Grizl:ON ist einerseits sehr gut für grobes Gelände geeignet und zählt zu den Gravelbikes, die in Richtung MTB gehen; zum anderen ist es aber auch in Sachen Alltagsnutzung sehr interessant. Canyon bietet das Rad auch in der „Daily“-Variante mit Schutzblechen und Träger an; dieses Modell kostet aber satte 700 Euro mehr. Dafür ist es zwar mit Zwölfgang-Schaltung ausgestattet, doch auf den einen Gang kann man am E-Bike getrost verzichten.
Starke Unterstützung bei höherer Tretfrequenz
Und damit zum Motor: Wie fühlt sich der Bosch SX an? Sein Drehmoment von 55 Newtonmeter macht stutzig: Ganz schön wenig im Vergleich zu den 85 Nm des Bosch CX, oder? Doch es kommt ja nicht nur aufs Drehmoment an, sondern auch auf die Trittfrequenz. Und wer mit 80er Kadenz oder flotter pedaliert, wird von dem kompakten Aggregat mit so viel Power belohnt, dass auch steilste Anstiege praktisch anstrengungslos bewältigt werden können. Bosch gibt eine kurzzeitige Maximalleistung von 600 Watt an, womit der kompakte Motor seinen drehmomentstärkeren Geschwistern kaum nachsteht. Dazu kommt, dass der Bosch SX extrem widerstandsarm ist, und hier sind wir wieder bei den eingangs erwähnten E-Rennern: Anders als diese kann das Grizl:ON auch ohne Motorunterstützung bewegt werden; oberhalb von 25 km/h fühlt es sich wie ein normales Gravelbike an, das sich abgesehen vom höheren Gewicht flott und handlich bewegen lässt. Beim Einsatz des Motors hat man also viele Freiheiten: Wer will, nutzt ihn nur am Berg, oder man lässt ihn auf der untersten der vier Fahrstufen mitlaufen und kompensiert damit das Mehrgewicht des Bikes. Dass der Motor nicht ständig anschieben muss, bedeutet auch, dass man mit dem 400-Wh-Akku sehr weit kommt; zusätzlich kann man einen „PowerMore“-Akku montieren, der weitere 250 Wh bietet.
Die Fahrmodi werden per System Controller im Oberrohr bedient; für den Scheinwerfer gibt es eine gute erreichbare Taste am Lenker. Ein Display ist nicht am Rad, wobei man natürlich per App das Smartphone nutzen kann. Der Wahoo-Radcomputer zeigt jedenfalls eindrucksvolle Zahlen an, und wer versuchsweise eine Tour mit dem Grizl:ON auf Strava hochlädt (aber dann natürlich gleich wieder löscht), findet sich in den Top Ten so ziemlich aller Anstiege wieder, die auf der Strecke lagen – und das wie gesagt ohne größere Anstrengung.
Bergab spielt das E-Gravelbike dann die Vorzüge von Federgabel, Federstütze und breiten Reifen aus. Die 40 mm Weg der RockShox schlucken stärkere Stöße; alles zusammen sorgt für merkliche Vibrationsdämpfung, sodass man sich mit dem Canyon auf auf anspruchsvollere Trails wagen kann. Die ausgewogen-handliche Geometrie sorgt für ein sehr angenehmes Fahrverhalten; die Sitzposition ist eher kompakt, wobei je nach Sitzhöhe eine durchaus sportliche Überhöhung festzustellen ist.
Und so räumt das Canyon Grizl:ON CF 7 mit sämtlichen Vorurteilen gegenüber Bosch-Gravelbikes auf, die wir aus der Vergangenheit mit uns herumgeschleppt haben. Der Bosch SX bietet starke Unterstützung und lässt eine wirklich sportliche Fahrweise zu; für ein E-Gravelbike ist er eine sehr gute Wahl. Dazu kommt, dass das Canyon mit 4.799 Euro recht moderat ausgepreist ist – wer sich für E-Gravel interessiert, dürfte mit diesem Bike glücklich werden.