Test Bulls Mache-Ti: Das Titanrad des Kölner Anbieters interpretiert den klassischen Werkstoff sehr modern. Das Ergebnis ist ein Titan-Gravelbike, das mit kaum etwas zu vergleichen ist – und das angesichts seiner Exklusivität recht preiswert wirkt.
Klassisch, zeitlos, ewig während? Titan hat als Material zum Bau von Fahrradrahmen einen ganz besonderen Ruf. Die Verarbeitung des Edelmetalls ist aufwendig, was Titanrahmen vergleichsweise teuer macht – und selten, denn eine Großserienfertigung macht hier wenig Sinn. Den Markt bestimmen daher Maßrahmen oder in kleinen Auflagen hergestellte Modell mit Standard-Geometrie; viele auf Titanrahmen spezialisierte Firmen bieten die Maß-Option gegen Aufpreis an.
Titanrahmen sind leicht, dabei ziemlich robust – das korrosionsfeste Material muss nicht lackiert werden, und um etwa mit Edelstahl in ähnliche Gewichtsbereiche vorzudringen, muss man sehr dünnwandige Rohre verwenden, die deutlich eher Gefahr laufen, Dellen zu kriegen. Einem Titanrahmen sieht man den langjährigen Dauereinsatz nicht unbedingt an; kein Wunder also, dass viele Modelle Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte lang gefahren werden.
Zeitloser Werkstoff, moderne Standards
Mit dem Begriff „Zeitlos“ muss man allerdings auch bei Titanrahmen vorsichtig sein. Neue Technologien und Montagestandards – Scheibenbremsen, Steckachsen oder innenliegende Züge und Leitungen – lassen einen 15 Jahre alten Titanrahmen heute ebenso veraltet wirken wie ein ähnlich in die Jahre gekommenes Carbon-Modell; höchstens die dezente Optik ist nach wie vor aktuell. Nicht zuletzt haben sich Rohrformen und Fertigungsmethoden weiterentwickelt, und damit wirkt ein aktueller Titanrahmen komplett anders als seine Vorgänger.
Ein Beispiel gefällig? Auf der Eurobike 2024 sorgte Bulls mit einer absoluten Einzelstück im breiten Modellprogramm für Aufsehen: dem Mache-Ti. Schon der Name ist ziemlich pfiffig, ist dies doch die Titan-Variante des Carbon-Gravellers Machete. Dieser hinterließ bei Velomotion einen positiven Eindruck, gewonnen auf ausgedehnte Laufrad-Testfahrten: Das Machete ist ein steifes, vortriebsstarkes Rad, das mit längerem, tieferem Vorbau durchaus in Richtung Rennsport getrimmt werden kann, wo es sich bereits auf Weltniveau bewährt hat. Daneben ist es mit zahllosen Anbau-Optionen rundum Bikepacking- und sogar alltagstauglich. Und viele dieser Eigenschaften finden sich in der Ti-Version wieder.
Erst einmal gefällt das Mache-Ti allerdings mit typisch Titan-Optik. Oder? Bei Titanrahmen herkömmlicher Machart wird oft auf gleichmäßige, fein geschuppte Schweißnähte als Zeichen höchster Verarbeitungsgüte hingewiesen; diese fehlen am Bike der Kölner Marke aber fast völlig. Stattdessen finden sich weiche, organische Formen, die man eher bei Carbon erwartet, wo die Freiheiten in dieser Hinsicht ja viel größer sind. Zum einen liegt das an der sorgsamen Nacharbeitung der Rohrverbindungen; zum anderen aber an der Verwendung von Gussteilen – beispielsweise das Steuerrohr mitsamt den Anschlussstellen für Ober- und Unterrohr. Auch der gegossene Gabelkopf wirkt wie ein metallisch lackiertes Titan-Bauteil.
Organische Rohrübergänge und Gussteile
Modern wird das Titanrad von Bulls nicht zuletzt aufgrund der komplett integrierten Verlegung der Bremsleitungen – Einen Schaltzug gibt es beim One-by-Rad mit elektronischer SRAM Force AXS nicht. Auch hierin gleicht das Mache-Ti dem Schwestermodell aus Carbon; an anderer Stelle ist es noch einmal moderner: Bulls nutzt erstmals an einem Gravelbike den UDH-Standard für ein direkt an den Rahmen montiertes Schaltwerk (hier ist freilich ein Adapter für den konventionellen Wechsler verbaut).
Dezent verbesserte Geometrie
Leicht geändert hat sich auch die Geometrie: Mit geändertem Lenkwinkel (70 statt 71°) und deutlich längerem Radstand wurde das Rad stärker auf Geradeauslauf getrimmt. Das Steuerrohr ist 10 mm kürzer geworden, der Reach ist um 4 mm gewachsen, was zu einer etwas gestreckteren Sitzhaltung führt. Mit dem kurzen Vorbau und dem nach oben gekröpften Lenker der Serienaustattung sitzt man allerdings nach wie vor ziemlich kommod auf dem Bulls-Gravelbike. Wer das Mache-Ti sportlich nutzen will, muss wie beim Carbon-Modell einen längeren, leicht nach unten abgewinkelten Vorbau montieren.
Sportlich und hochwertig ist auch die Ausstattung, die neben der erwähnten SRAM Force AXS einen leichten Aero-Carbonradsatz von Mavic umfasst, kombiniert mit schnellen Schwalbe-Reifen. Die 42 mm tiefen, hakenlosen Felgen sind mit 25 mm Innenweite optimal für Tubeless-Pneus ab 40 mm Breite. Komponentengruppe und Radsatz machen deutlich über die Hälfte des Preises von 5.999 Euro aus, die Bulls für dieses Rad aufruft – für ein Titan-Bike ist das Mache-Ti damit ausgesprochen günstig. Zumal die Kölner auch eine Gabel aus dem Edelmetall spezifizieren, die zu einem guten Teil für das geschmeidige Fahrverhalten des Offroad-Renners verantwortlich ist. Das Mache-Ti rollt weich ab und scheint Fahrbahnstöße spürbar zu dämpfen; dabei ist es so vortriebsstark, wie man es bei einem Rad um zehn Kilo Gewicht erwarten kann. Gegenüber dem Carbon-Modell fällt die leichte Optimierung der Geometrie kaum auf; beide Gravelbikes fallen gerade mit dem kurzen Vorbau durch angenehme Handlichkeit bei insgesamt neutralem Charakter auf.
Anbau-Optionen für Bikepacking & Co.
Wie das Machete kann auch das Mache-Ti mit Gepäckhalterungen an der Gabel, einer unters Oberrohr geschraubten Tasche bzw. einem Spannband am Oberrohr ausgestattet werden; dazu kommen diverse weitere Montage-Optionen. Ein Allrounder ist dieses Bike nach wie vor, nun jedoch deutlich edler und exklusiver. Die metallische Oberfläche ist dazu deutlich widerstandsfähiger gegen an ihr reibenden Bikepacking-Taschen, als das eine Lackierung ist.
Doch nicht nur in seiner Vielseitigkeit liegt der Reiz des Bulls Mache-Ti. Einen Titanrahmen, der so konsequent modernen Montagestandards wie aktueller Optik folgt, findet man selten; viele Anbieter halten an der konventionellen Bauart mit sichtbar geschweißten Rohren und außen liegenden Zügen und Leitungen fest und geben sich damit eher altmodisch als zukunftsweisend. Wer den klassischen Werkstoff will, aber modern interpretiert, ist mit dem Mache-Ti gut beraten – und erwirbt damit nebenher das Wohl exklusivste Modell in der ganzen Kollektion von Bulls.