SRAM Red AXS XPLR im Test: Mit 13-fach-Kranz und UDH-Schaltwerk sorgt die neue Gravel-Gruppe für Furore. Wir haben die Kernkomponenten nach blitzschneller Montage ausprobiert und alles Wissenswerte zur neuen Red zusammengetragen.
Im vergangenen Sommer präsentierte der US-Komponentenhersteller eine neue Rennrad-Gruppe im Top-Segment. Die 2024er SRAM Red AXS überraschte mit einer neuen Hebelform, die den acht Jahre alten Vorgänger ersetzte, dazu gab es diverse Detailverbesserungen. Optisch setzte SRAM auf Kontinuität; technisch stellte das Festhalten am 2×12-Schaltprinzip komplette Kompatibilität mit älteren SRAM-Teilen sicher.
Dann folge die Gravelbike-Version der neuen SRAM Red, und die hatte es wirklich in sich als erste elektronische Schaltgruppe mit 13 Ritzeln am Hinterrad. Mit einem Direct-mount-Schaltwerk stellt dieses Set außerdem eine Abkehr von gewohnter Dropbar-Technik dar. Was also bringt die SRAM Red AXS XPLR der Gravel-Gemeinde? Lohnt es sich, auf 1×13 umzurüsten, und was sind die Kosten?
SRAM Red AXS XPLR: nur mit UDH-Schaltwerk
Der größte Unterschied zu den bisherigen Gravel-Gruppen ist natürlich das Schaltwerk, das auf den vom Mountainbike bekannten UDH-Standard zugeschnitten ist. „Transmission“ nennt SRAM seine elektronischen Schaltwerke, die direkt an den Rahmen montiert und nicht mehr an einem Schaltauge befestigt werden. Das fehlt beim UDH-Rahmen – wie’s funktioniert, kann man auf Velomotion hier nachlesen. Die wichtige Basis-Info ist folgende: Ein UDH-Schaltwerk kann nicht an einen konventionellen Rahmen montiert werden; andersherum funktioniert es natürlich – an einen modernen UDH-Rahmen passt auch ein klassisches Schaltwerk. Immer mehr Hersteller stellen ihre Gravelbikes auf den neuen Standard um, und nur an diesen Modellen lässt sich die neue SRAM Red AXS 13-fach montieren.
Die MTB-Gruppen von SRAM sind nach wie vor 12-fach, und deren elektronische UDH-Schaltwerke wurden bereits in der Vergangenheit an Gravelbikes eingesetzt. Denn alle AXS-Schaltwerke sind mit allen AXS-Schalthebeln kompatibel. Bisher hieß UDH am Gravelbike jedoch immer „Eagle“ – so nennen die Amerikaner ihre langen, auf MTB-Kassetten (bis 52 Zähne) abgestimmten Schaltwerke. Das neue Red-Schaltwerk ist also das erste Direct-mount-Modell, das auf die Gravel-Kassetten mit kleinerem Übersetzungsumfang zugeschnitten ist.
SRAM Red AXS XPLR 13-fach-Kassette: engere Abstufung und größerer Gesamtumfang
Diese sogenannten XPLR-Kassetten schlossen bisher mit einem 44er Ritzel ab; bei der SRAM Red gibt es nun erstmals einen Kranz, der bis 46 Zähne geht. SRAM hat das 13. Ritzel dazu genutzt, gleichzeitig eine engere Abstufung und einen größeren Übersetzungsumfang zu realisieren – wie das im Detail aussieht, zeigt der folgende Vergleich unterschiedlicher Kassetten des Unternehmens.
SRAM Red XPLR 10-46 13f. 10-11-12-13-15-17-19-21-24-28-32-38-46
SRAM XPLR 10-44- 12f. 10-11-13-15-17-19-21-24-28-32-38-44
SRAM Force 10-36 12f. 10-11-12-13-15-17-19-21-24-28-32-36
SRAM Apex HG 11-44 12f. 11-12-13-15-17-19-21-24-28-32-38-44
Als erster XPLR-Kranz bietet die 13-fach-Kassette vier Ritzel in Einersprüngen. Der 12-fach-Kassette 10-44 hat sie das 12er Ritzel sowie zwei Zähne mehr beim leichtesten Gang voraus. Außerdem ist die neue Kassette über elf Ritzel hinweg ebenso eng abgestuft wie die beliebte Rennrad-Kassette 10-36, die an vielen Gravelbikes mit 2×12-Antrieb von SRAM verbaut wird, meist kombiniert mit 46/33er Kurbelsatz. Das Zweifach-Getriebe weist war zwei deutlich länger übersetzte Schnellgänge auf, doch dafür verfügt die neue 1×13-Schaltung über einen leichteren Berggang. Und das, wie gesagt, bei ebenso feiner Abstufung. Man kann also sagen, dass die 13-fach-Gruppe das erste One-by-Getriebe ist, das gegenüber Zweifach-Antrieben fürs Gravelbike keine Nachteile mehr hat – abgesehen von den ganz lang übersetzten Schnellgängen, die man man Graveln nicht unbedingt braucht. Außerdem: Wer die 1×13 mit 42er Kettenblatt fährt, bekommt einen etwas längeren Schnellgang und hat dann immer noch den gleichen Berggang wie das Zweifach-System.
„Mix & match“ mit vorhandenen Bauteilen
Damit ist klar, dass das 13. Ritzel durchaus Vorteile bietet – doch jetzt ist die große Frage: Kann man den neuen Antrieb überhaupt nachrüsten? Und wenn ja, zu welchen Kosten?
Man kann – und die Sache kostet offiziell 1.460 Euro. Die einzige Bedingung ist, das man ein Gravelbike mit UDH-Schaltauge und irgendeiner SRAM-AXS-Gruppe hat. Hier kommt die Kompatibilität ins Spiel: SRAM hat bei der 13-fach-Kassette nicht etwa die Ritzelabstände verändert, sondern einfach nur einen weiteren Zahnkranz drangebaut. Dieser sitzt innen, wo die Speichenböschung für ausreichend Platz sorgt. Die 13er Kassette passt also auf den bekannten XDR-Freilaufkörper, und auch an der Einbaubreite des Hinterrades ändert sich nichts. Außerdem bleibt es bei den Zwölffach-Ketten, die SRAM seit Jahren nutzt. „Mix & match“ also, was den Wechsel auf das neue Getriebe ziemlich einfach macht.
Großes Schaltwerk ohne Justageschrauben
Werfen wir vor der Montage einen Blick aufs neue SRAM-Red-Schaltwerk: Dieses wirkt ziemlich groß, was man bereits von den MTB-Wechslern des Herstellers kennt, außerdem verfügt es über keinerlei Einstellschrauben. Auch das ist einer der Vorteile des UDH-Prinzips: Die Position von Kassette bzw. Schaltwerk ist exakt festgelegt, da es ja keine unterschiedlich geformten Schaltaugen mehr gibt. Auch den Abstand zwischen der oberen Schaltrolle und der Kassette muss man nicht mehr justieren (wozu es früher von SRAM eine spezielle Richtlehre gab). Bei der Montage muss man die Schaltschwinge nur etwas nach hinten ziehen, bis die Kette nicht mehr durchhängt, und dann das Schaltwerk festschrauben – nun sitzt es in der perfekten Position.
Höhere Stabilität, größere Präzision
Aber warum überhaupt ein Direct-mount-Schaltwerk? Der Vorteil der massiven Konstruktion liegt zum einen in der höheren Steifigkeit des Systems, die für präzisere Schaltvorgänge sorgt. Zum anderen ist das Schaltwerk weniger empfindlich gegenüber Beschädigungen – bei harten Schlägen weicht es nach innen aus. Bleibt es irgendwo hängen, werden die eingeleiteten Kräfte nicht auf den Rahmen übertragen, sondern auf die Steckachse des Hinterrades, was den Rahmen vor Beschädigungen schützen soll. Und da es kein Schaltauge mehr gibt, kann es auch nicht verbiegen, was wiederum die Funktion der Schaltung beeinträchtigen würde.
Die Montage des UDH-Schaltwerks ist erst einmal ungewohnt, aber ziemlich einfach – eine genaue Video-Anleitung findet man hier. Einmal montiert, gibt es keinerlei Einstellungbedarf – irgendwelche Anschlagschrauben gibt es ja wie gesagt nicht. Allerdings kann man die elektronische Feineinstellung durch die AXS-Schalthebel nutzen, die das Schaltwerk in 0,25-mm-Schritten nach innen oder außen bewegt.
Blitzschnelle Montage am Cube-Gravelbike
Um die neuen SRAM-Teile auszuprobieren, nahmen wir kurzerhand ein Cube-Gravelbike auseinander, das bereits mit einer Zwölffach-UDH-Schaltung ausgestattet war (allerdings in der Eagle-Version mit 10-52er Kassette). Dazu mussten wir nur das Schaltwerk wechseln und einen Zipp-Radsatz mit der 13er Kassette montieren; das Red-Schaltwerk mit den Hebeln des Cube zu verbinden, dauerte vielleicht 30 Sekunden. Um den Look komplett zu machen, bauten wir auch noch den superleichten Kurbelsatz der SRAM Red ans Rad. Dazu hatte uns SRAM den neuen Powermeter ausgeliehen, der nun aus zwei Teilen besteht – das Kettenblatt wird aufgeschraubt und kann ausgetauscht werden, wenn es verschlissen ist oder wenn man eine andere Zähnezahl braucht.
Es folgten zweieinhalb Stunden Schaltfreude pur, denn die Funktion des Direct-mount-Wechslers ist wirklich phänomenal. Die Kette läuft schnell und exakt von einem Ritzel aufs nächste über; gegenüber einem konventionellen elektronischen Schaltwerk meint man die höhere Präzision des Gesamtsystems zu spüren. Auf Asphalt zahlt sich die enge Abstufung der Kassette im schnellen Bereich aus; am Berg steht mit 40-46 ein wirklich leichter Gang zur Verfügung, mit dem sich auch sehr steile Passagen gut bewältigen lassen. Der größere Schräglauf der Kette auf dem größten Ritzel fällt nicht auf – hier bewährt sich die große seitliche Flexibilität von SRAMs „Flattop“-Kette.
Beim Schaltwerk fällt die elegante Integration des Akkus auf, der sich nicht von jenen älterer SRAM-Wechsler unterscheidet. Die grazilen, „Magic Wheel“ genannten Schaltrollen bestehen aus zwei Teilen, der Kunststoff-Verzahnung und einem Träger aus Aluminium, die nicht fest miteinander verbunden sind – werden die „Speichen“ der Schaltrolle durch einen Ast o. ä. blockiert, kann sich die Verzahnung weiter drehen und die Schaltschwinge wird nicht beschädigt. Das Schaltwerk selbst kann zerlegt werden, sodass man bei Defekten einzelne Bauteile austauschen kann.
SRAM Red AXS XPLR: Groß, aber gar nicht mal so schwer
Zwar sieht das UDH-Schaltwerk groß aus, allzu schwer ist es jedoch nicht: Mit gut 400 Gramm wiegt es etwa 70 Gramm mehr als ein Force-XPLR-Schaltwerk, zu dem man aber auch noch 25 Gramm fürs Schaltauge rechnen muss – am Ende wiegt der 13-fach-Wechsler also nur rund 50 Gramm mehr. Die 13er Kassette wiederum wiegt mit 290 Gramm fast 90 Gramm weniger als eine 12-fach SRAM XPLR XG-1271 mit 10-44 Zähnen. Wer also nur Schaltwerk und Kassette umbaut, spart rund 40 Gramm. Gut 150 Gramm bringt der Wechsel vom Force- auf den Red-Kurbelsatz bei Mehrkosten von gut 200 Euro (237 bzw. 450 €). Die Red-Kurbel plus Powermeter kostet satte 1.235 Euro.
Legt man die VK-Preise von Kranz, Kassette und Kurbelsatz (ohne Powermeter) zugrunde, hat das Upgrade auf 13-fach unser Cube Nuroad C:62 SLX gerade mal 300 Euro teurer gemacht, zumal Cube hochpreisige Komponenten der SRAM Transmission verbaut. Bei einem Gravelbike, das mit SRAM Force AXS ausgestattet ist, wäre der Aufpreis für Schaltwerk und Kassette natürlich größer. Bei den großen Online-Händlern ist das Upgrade-Kit aus 13er Kassette und Red-Schaltwerk für rund 1.250 Euro erhältlich; dazu einen Satz SRAM-Rival-Hebel (ca. 400 €), außerdem noch Kette (30 €), Bremsscheiben (70 €) und Rival-Kurbelsatz (130 €), fertig ist die elektronische Highend-Schaltgruppe für unter 1.900 Euro. Die komplette Red-Gruppe inklusive der dazugehörigen neuen Schaltgriffe und mit Bremssätteln und -scheiben kostet dagegen offiziell rund 4.000 Euro – und zwar ohne Powermeter.
Alternativ kann man natürlich darauf hoffen, dass SRAM es so macht wie bei der Eagle Transmission fürs MTB und in Zukunft auch günstigere Varianten des 13-fach-Getriebes anbietet. Wer aktuell den individuellen Aufbau eines Gravelbikes plant – sagen wir auf Basis des vorzüglichen „Specialized Crux DSW“-Rahmens, der bereits mit UDH-Aufnahme ausgestattet ist – sollte sich die oben beschriebene Variante jedenfalls durch den Kopf gehen lassen. Direct-mount-Schaltwerk und 13er Kassette am Graveller machen definitiv Sinn.
Wobei die neue SRAM Red XPLR natürlich nicht ohne Nachteile ist. Aktuell gibt es keine weiteren Kassetten – beispielsweise mit anderen Abstufungen –, die mit dem 13-fach-Kranz kompatibel sind. Wer am Gravelbike mehrere Radsätze fährt, z. B. mit unterschiedlichen Reifen, muss also einen zweiten Kranz kaufen oder seinen von einem Hinterrad aufs andere umbauen. Bei den aktuellen Zwölffach-Gravel-Gruppen des US-Herstellers ist das viel einfacher: Die elektronischen Gruppen und die mechanische Apex schalten auch eng abgestufte Rennrad-Kränze, und auch der Betrieb mit Shimano-Kassetten klappt.
Einzig Classified bietet eine kompatible 13-fach-Kassette mit 10-36 Zähnen an, die aber einzig mit den Getriebenaben des Herstellers kompatibel ist. So kann man immerhin aus einem 1×13-Gravelbike ein 2×13-Allroad Bike machen – eine interessante, aber kostspielige Variante.