E-Rennrad: Für die Saison 2020 bringen immer mehr Hersteller nun Rennräder mit Motorunterstützung auf den Markt. Wurden diese Bikes vor zwei Jahren noch ausgesprochen kritisch beäugt, oft auch belächelt, scheinen sie mittlerweile im Markt angekommen. Auch die Vielfalt der Modelle wächst natürlich mit ihrer Anzahl: Vor allem bei den Antrieben gibt es Bewegung, denn mit den neuen Bosch Motoren konnte sich der Hersteller auch für dieses E-Bike-Segment vielversprechend platzieren.
Wir hatten mit dem Bulls Desert Falcon Evo und dem Bulls Alpine Hawk Evo je ein E-Rennrad mit Bosch und Fazua Motor in der Redaktion und sind der Frage auf den Grund gegangen: Welcher Antrieb ist am E-Renner der bessere?
Bulls Desert Falcon Evo Test: Rennrad mit Bosch Power
E-Rennrad / Test: Mit dem Bulls Desert Falcon Evo präsentiert der Hersteller aus Köln für 2020 ein neues E-Rennrad mit Bosch CX Motor. Wir hatten auf Mallorca beim Bulls Händler-Event bereits die Chance, das Rad in schönstem Rennrad-Terrain ausführlich Probe zu fahren. Die Erkenntnisse sind überraschend – auch für uns. Als die E-Bike-Welle vor zwei, […]
Gewicht
Ein Rennrad ist leicht und ein E-Bike ist schwer. So ist oft die landläufige Wahrnehmung dieser Fahrradkategorien und bis vor zwei, drei Jahren mag diese Vereinfachung auf die meisten Modelle auch zugetroffen haben. Doch spätestens mit modernen E-Rennrädern trifft diese Annahme nicht mehr zu – einen erhebliche Anteil daran hat der Fazua Antrieb, der E-Bikes mit Mittelmotor auf ein neues Gewichtsniveau hieven konnte, doch auch klassische Motoren wie der Bosch Performance CX konnten viel Boden gut machen.
Bosch Performance CX | Fazua Evation | |
---|---|---|
Gewicht Motor | 2,9kg | 1,9kg |
Gewicht Akku | 2,9kg (500Wh) | 1,4kg (250Wh) |
Gewicht Tretlager | integriert | 1,3kg |
Gesamt | 5,8kg | 4,6kg |
Wie die Auflistung zeigt, ist das Fazua System über ein Kilogramm leichter als das Bosch-Pendant, doch dafür bringt dieser auch einen deutlich größeren Akku mit. Dennoch wäre es unfair, würde man den Gewichtsunterschied allein auf diese Zahlen reduzieren. Ein maßgeblicher Teil des Mehrgewichts traditioneller E-Bikes stammt nämlich von der speziellen Rahmenkonstruktion, insbesondere im Bereich des Tretlagers, wo die Motoraufnahme sitzt und dieser verschraubt wird. Genau hier kann der Fazua Evation nochmals punkten: Motor und Akku sitzen in einem Bauteil, das komplett im Unterrohr verschwindet. Die Verbindung zur Kurbel wird über ein spezielles Tretlager mit integriertem Freilauf hergestellt. Natürlich braucht es auch für den Fazua einen speziell entwickelten Rahmen, das Mehrgewicht am Rad selbst fällt jedoch deutlich geringer aus als beispielsweise an einem Rad mit Bosch CX Motor.
Im Falle unserer beiden Testkandidaten sprechen die Zahlen für sich: Das Bulls Desert Falcon Evo kommt mit seinem 500Wh Akku auf ein Gewicht von 18,9kg, das Bulls Alpine Hawk Evo auf 15,2kg. Der Vergleich ist aber mit Vorsicht zu genießen, da sich nicht nur die Ausstattung in einigen wesentlichen Punkten unterscheidet, sondern auch das Rahmenmaterial: Carbon beim Alpine Hawk Evo, Alu beim Desert Falcon Evo.
Power
Einer der Hauptgründe für den doch beachtlichen Gewichtsunterschied liegt neben der Akkukapazität in der Bauform begründet, die sich wiederum auf die Power auswirkt, die der jeweilige Motor auf die Kurbel bringt. Beim Bosch Performance CX sind das bis zu 75Nm – ganz schön viel Power. Kein Wunder, schließlich ist der Motor eigentlich für E-MTBs konzipiert, die damit auch verblockte, steile Anstiege nach oben geschoben werden wollen. Da kann der Fazua mit seinen 55Nm nicht im Ansatz mithalten – damit bewegt man sich eher im Bereich moderater City-Motoren.
Doch wer ist schon immer mit maximaler Unterstützung unterwegs? Wohl kaum jemand – insofern lohnt sich auch ein Blick auf die verschiedenen Unterstützungsstufen der beiden Antriebe. Diese lassen sich bei Fazua über Hersteller oder Händler auf die persönlichen Vorlieben anpassen. Unsere Angaben beziehen sich auf die Standardvorgaben.
Unterstützungsstufe | Bosch Performance CX | Fazua Evation |
---|---|---|
1 | Eco: 60% | Breeze: 75% |
2 | Tour: 140% | River: 150% |
3 | Turbo: 340% | Rocket: 240% |
Die Abstufung der beiden Antriebe ist sehr ähnlich, vor allem in den beiden niedrigen Stufen trifft dies zu. Im Turbo lässt der Bosch natürlich seine Muskeln spielen. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass es sich auch hier um Maximalangaben handelt. Wenn das maximale Drehmoment erreicht ist, kann der Motor natürlich nicht mehr unterstützen und diese Maximalleistung auch nicht mehr erreichen.
Ein Sonderfall ist zudem der E-MTB Modus des Bosch CX Motors. Hier wird die Unterstützungsleistung dynamisch, abhängig vom Pedaldruck zwischen 140% und 340% reguliert. Dieser eignet sich ganz besonders gut für schnell wechselndes Terrain oder diejenigen Fahrer, die nicht andauernd die Unterstützungsstufe wechseln möchten.
Für sportive Fahrer ist es ebenfalls wichtig, dass der Motor bei hohen Trittfrequenzen noch zuverlässig funktioniert. Bosch gibt für den CX an, dass dieser bis zu einer Frequenz von 120 unterstützt, Fazua gibt den optimalen Bereich für den Evation mit 65 bis 85 an. Wer also hohe Kadenzen gewohnt ist, könnte mit dem Bosch glücklicher werden.
Reichweite
Kommen wir nun zu der für viele E-Bike Fahrer wichtigsten, aber gleichzeitig auch kompliziertesten Eigenschaft: Der Reichweite. Kompliziert deshalb, weil schier unendlich viele Faktoren Einfluss darauf haben, wie lange der Akku hält. Dazu zählt neben dem Systemgewicht und der Akkukapazität auch der Rollwiderstand der Reifen, das Fahrprofil, die Fahrweise und auch externe Faktoren wie z.B. Gegenwind oder schlechter Straßenbelag. Dennoch dürfte klar sein, dass hier der Bosch CX mit seiner doppelten Akkukapazität die Nase vorn hat – vorausgesetzt, man ist nicht durchweg im Turbomodus und mit möglichst wenig eigenem Einsatz unterwegs.
Um diese Einschätzung mal in einen praxisnahen Kontext zu setzen: Wir sind das Bulls Desert Falcon Evo auf Mallorca auf einer Tour mit 52km Länge und ca. 1.000hm gefahren. Bei den Anstiegen waren wir fast durchweg an der 25km/h Grenze unterwegs ohne uns selbst komplett zu verausgaben und dank der guten Rolleigenschaften in der Ebene waren wir hier fast komplett über 25km/h, also mit deaktiviertem Motor, unterwegs. Nach dieser Tour war der Ladezustand des Akkus von 100% auf 60% gefallen – eine weitere Tour wäre also problemlos möglich gewesen. Solche Zahlen sind mit dem Fazua nur schwer zu erreichen, vor allem wenn man selbst nicht ganz so viel Kraft investieren möchte. Dennoch ist es beachtlich, was der effiziente Motor aus dem vergleichsweise kleinen Akku herausholt. Eine derartige Tour mit 1000hm wäre auch hier mit einer Akkuladung problemlos zu bewältigen.
Fahrgefühl
All die technischen Eigenschaften können jedoch noch so gut sein, wenn das Fahrgefühl auf dem Rad nicht passt. Hier kommt es ganz darauf an, was man sucht, was man gewohnt ist und wie man das Rad einsetzen möchte. Ein E-Rennrad mit Bosch Motor wird sich immer anders anfühlen als ein Rad mit Fazua Antrieb, das sich wiederum anders anfühlt, als ein Rennrad ganz ohne Motor. Dennoch dürfte unbestritten sein, dass ein Fazua Rad aufgrund seines meist deutlich geringeren Gewichts näher am „Ur-Rennrad“ liegt: Zwischensprints in der Ebene sind hier einfach etwas spritziger, im Wiegetritt braucht es kaum Mehraufwand, um das Rad zwischen den Oberschenkeln hin- und her zu werfen.
Dennoch waren wir ausgesprochen überrascht, wie angenehm und wenig träge sich das Bulls Desert Falcon im Test fuhr. Trotz seines beachtlichen Gewichts reagierte es schnell auf Geschwindigkeitsänderungen und machte eine Menge Spaß. Geht es um die Charakteristik des Motors selbst, kann der Bosch sogar mit mehr Reaktionsfreude gegenüber der Konkurrenz von Fazua punkten. Gerade beim Wechseln der Unterstützungsstufen wird das deutlich: Diese sind beim Bosch sofort spürbar, während sicher Fazua hier einfach immer eine kurze Denkpause nimmt. Ähnliches gilt, wenn man den Motor aktiviert, nachdem man einige Zeit ohne Unterstützung unterwegs war. Der CX ist sofort da, während der Fazua einen kleinen Moment benötigt, bis er die Unterstützungsleistung zu Verfügung stellt.
Beide Motoren besitzen einen integrierten Freilauf, der das Motorgetriebe von der Kurbel entkoppelt, wenn der Antrieb deaktiviert ist oder man über 25km/h unterwegs ist. Insofern ist der Unterschied diesbezüglich marginal bzw. nicht vorhanden – wenn man das Mehrgewicht des Bulls Desert Falcon Evo mit Bosch außer Acht lässt.
Zum Fahrgefühl gehört unserer Ansicht nach jedoch auch die Geräuschkulisse. Hier geht das Rennen ganz klar an den Fazua Motor: Er ist zwar immer klar hörbar, wird dabei aber nie unangenehm laut, selbst in der höchsten Unterstützungsstufe. Das kann man vom neuen Bosch Performance CX leider nicht behaupten. Vor allem bei hohem Trittfrequenzen und/oder hoher Unterstützungsleistung dringt ein lautes Summen ans Ohr, das bei längeren Fahrten durchaus unangenehm werden kann. Das Empfinden hier ist natürlich subjektiv – wer aber empfindlich auf laute Motorengeräusche reagiert, sollte den neuen Bosch CX vor dem Kauf unbedingt probefahren.
Handhabung
Ein Faktor, der in der Betrachtung von E-Bike Motoren oft außer Acht gelassen wird, im Alltag aber eine große Rolle spielt, ist die Handhabung des gesamten Systems: Das betrifft Lenkerfernbedienung und Display ebenso wie beispielsweise das Aufladen oder Wechseln des Akkus. Bei der Ergonomie am Cockpit stehen E-Rennrad Hersteller wie Bulls vor der Herausforderung, die Remote und evtl. das Display an einem Rennlenker unterzubringen, der zum einen kaum zusätzlichen Montageraum bietet und während der Fahrt auch immer wieder anders gegriffen wird.
Sowohl Bosch als auch Fazua bieten inzwischen verschiedene Lösungen für die Bedienung des Motors. Unsere beiden Vergleichskandidaten setzen zum einen auf das Bosch Kiox System samt Display und zum anderen auf die traditionelle Fazua Remote. Das Bedienteil selbst wird beim Fazua direkt auf dem Lenker montiert und sitzt damit ergonomisch nicht ganz optimal. Selbst wenn man in Oberlenkerposition unterwegs ist, braucht es ein kurzes Umgreifen, um die Remote zuverlässig zu erreichen. Beim Bosch Kiox Bedienteil ist das etwas besser gelöst: Es sitzt neben dem Lenker auf einer Höhe und kann recht bequem während des Fahrens bedient werden – hat man die Hände am Unterlenker oder an den Hoods, kommt man um das Umgreifen natürlich auch hier nicht umher. Weiterer Vorteil der Kiox Remote: Die Buttons haben einen deutlicher fühlbaren Druckpunkt, während sich das Fazua Bedienteil immer etwas schwammig anfühlt, vor allem wen man mit Handschuhen unterwegs ist.
Auf ein Display verzichtet das Alpine Hawk Evo mit Fazua Motor komplett. Wer gar nicht darauf verzichten möchte, kann sein Smartphone mit dem Antrieb verbinden und dieses dank der kostenlosen App dann als Display nutzen. Am Bosch E-Rennrad sitzt das Kiox Display vor dem Vorbau – dort, wo an traditionellen Rennrädern meist der Radcomputer untergebracht ist. Das ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits ist es die perfekte Position. Immer im Sichtfeld und optisch ansprechend. Wer jedoch zusätzlich noch einen Radcomputer von Wahoo oder Garmin montieren möchte, könnte Platzprobleme bekommen.
Alternativ bietet Fazua seit diesem Jahr auch eine in das Oberrohr integrierte Fernbedienung an, die den Lenker damit komplett frei hält. Für Bosch bietet sich neben dem Kiox auch das minimalistische Purion Display als Bedieneinheit am E-Rennrad an.
Die sonstige Handhabung der Systeme ist intuitiv und dürfte kaum einen E-Biker vor größere Probleme stellen. Der Akku Ein- und Ausbau ist gut gelöst und es lässt sich in beiden Fällen auch während der Tour problemlos auf einen vollen Ersatzakku wechseln. Fazua bietet zudem das einzigartige Feature, die gesamte Antriebseinheit inklusive Akku durch einen Dummy zu ersetzen. Damit spart man knapp 3kg an Gewicht und gewinnt sogar noch zusätzlichen Stauraum z.B. für eine Regenjacke. Die perfekte Lösung für diejenigen, die auch mal ganz ohne Unterstützung fahren möchten. Im Falle unseres Bulls Alpine Hawk Evo würde das Gewicht auf 12kg sinken.
Eine etwas gewöhnungsbedürftige Eigenart des Fazua Antriebs ist, dass er nicht über die Remote eingeschaltet werden kann, wenn er komplett ausgeschaltet ist. In diesem Fall muss das BatteryPack entnommen werden, an dem ein gesonderter Button zum Einschalten sitzt. Für die Entnahme braucht man natürlich einen Schlüssel. In diesen Tiefschlaf-Modus geht das System entweder nach 10 Stunden der Nicht-Nutzung oder bereits nach drei Stunden, sollte der Akkuladezustand unter 30% sein. Sollte man also eine längere Pause mit geringer Akkukapazität einlegen, hat man hoffentlich den Schlüssel dabei – sonst kann es durchaus passieren, dass man den Antrieb nicht wieder einschalten kann.
Preis
Last but not least: Lasst uns über Geld sprechen. Bleiben wir zunächst mal bei unseren beiden Testkandidaten. Das Bulls Desert Falcon Evo schlägt mit einem 400Wh Akku mit 5.399 Euro zu Buche. Das Alpine Hawk Evo ist mit 4.799 Euro über 500 Euro günstiger. Doch Vorsicht – diese Differenz ist nur bedingt Aussagekräftig, denn zu unterschiedlich sind die jeweiligen Spezifikationen, vom Antrieb mal ganz abgesehen. Da wäre auf der einen Seite der Carbonrahmen des Alpine Hawk Evo, andererseits die neue GRX Di2 Gruppe am Desert Falcon Evo.
Um hier etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hilft es sich auf dem Markt umzusehen. Dabei wird schnell klar, dass sich der Preis bei vergleichbarer Ausstattung auf einem ähnlichen Niveau befindet. Mit einer etwas weniger hochwertigen Ausstattung als an unseren Bulls Rädern pendelt der Preis für ein Fazua Rennrad zwischen 3.000 und 4.000 Euro, für Carbon E-Rennräder kann man aber auch problemlos 10.000 Euro oder mehr auf den Tisch legen. Der Markt für E-Rennräder mit klassischem Mittelmotor ist noch etwas spärlicher, doch egal ob Giant, Corratec, Cannondale oder BMC: Auch diese Bikes liegen preislich nicht weit von der Fazua-Konkurrenz entfernt.
Fazit
Wie fällt also unser Fazit aus? Welcher Antrieb ist der bessere für’s E-Rennrad? Fazua oder Bosch? Wie so oft gibt es auf diese Frage keine einfache und vor allem keine universell gültige Antwort. Fakt ist, beide Antriebe funktionieren sehr gut, haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile und fühlen sich in der Praxis vor allem ziemlich unterschiedlich an.
Der Fazua Evation dürfte vor allem sportliche Fahrer ansprechen, die das Rennradfahren gewohnt sind und das Fahrgefühl schätzen. Für diesen Fahrertyp ist die Option, den Antrieb komplett entnehmen zu können dann auch ein eventuell kaufentscheidendes Feature und weit mehr als nur ein nettes Gimmick. Während das Fahrgefühl und das Gewicht überzeugen können, gibt’s unserer Meinung nach bei der Handhabung noch etwas Nachholbedarf – ohne jedoch ein K.O. Kriterium zu sein.
Vor zwei Jahren noch undenkbar, heute ein Riesenspaß: Der Bosch Performance CX am E-Rennrad. Durch die neue Motorengeneration mit ihrem geringen Gewicht, den kompakten Abmessungen und dem integrierten Freilauf kann sich der Antrieb nun durchaus auch am E-Rennrad sehen lassen und gefällt in der Praxis durch viel Power, hohe Reichweite und Bosch-typisch sehr gute Ergonomie. Doch auch wenn man gewichts-mäßig aufholen konnte, ist der Abstand zu Fazua noch immer beträchtlich. In unserem Fall lagen zwischen den beiden Rädern knapp vier Kilogramm.