SRAM Red 2024: Mit der Neugestaltung der Profi-Komponenten hat SRAM die Überarbeitung seines Rennrad-Programms abgeschlossen. Und die neue Red lässt junge Komponentengruppen wie die letztjährige Force fast schon ein bisschen alt aussehen…
Die 2021 vorgestellte SRAM Rival AXS war eine große Überraschung. An der Nummer drei im Programm präsentierte der US-Hersteller einen neu geformten Bremsschalthebel, der deutlich kompakter und hübscher war als die Griffe der teureren Gruppen. Der elektronisch-hydraulische Hebel reüssierte zwei Jahre später auch an der neuen SRAM Force AXS, ebenso an der im Sommer 2023 präsentieren SRAM Apex AXS als 1×12-Gravelgruppe.
Klar, dass man nun auch auf eine neue Red wartete – das Flaggschiff des Teileherstellers ist inzwischen immerhin fünf Jahre alt. Jetzt ist sie da, und SRAM hat nicht etwa das fortgeführt, was 2021 mit der Rival begonnen wurde, sondern seine Top-Gruppe von Grund auf neu konstruiert.
Komplett neuer Griff mit viel Platz für die Finger
Blickfang der SRAM Red 2024 sind die Bremsschalthebel, die sich komplett vom 2019er Modell unterscheiden und auch gegenüber den aktuellen Hebeln von Rival, Force und Apex einen Fortschritt darstellen. Der Griffkörper ist merklich schlanker geworden und erscheint länger; der Bremshebel ist stärker nach hinten gebogen und das Schaltpaddel ist schmaler und länger geworden. Mit der neuen Form soll ein Problem gelöst werden, das gerade die Nutzer der 2019er Schaltbremsgriffe kennen: Je nach Handposition kann es passieren, dass sich beim Bremsen Hebel und Finger in die Quere kommen. Bei der Red 2024 dürfte nun deutlich mehr Platz zwischen Lenker und Bremshebel sein; sich beim Bremsen die Finger einzuklemmen bzw. den Hebel nicht weit genug an den Lenker heranziehen zu können, scheint mit der neuen Form ausgeschlossen.
Seine schlanke Form verdankt der Griff einer neuen Hydraulikpumpe im Inneren: Gebremst wird nun mit einem Druckkolben, nicht mehr mit einem Zugkolben. Der große „Höcker“ des Griffkörpers konnte damit wegfallen. Abgesehen davon, dass die Hebel leichter geworden sind – zusammen haben sie 83 Gramm verloren –, konnte auch die zum Bremsen nötige Handkraft gesenkt werden: in Griffhaltung um 80 % und in Unterlenkerhaltung um 33 %. Das führt laut SRAM dazu, dass man zum Bremsen nur noch einen Finger braucht und mit den anderen Griff bzw. Lenker umfassen kann.
Zusätzlich zum Schaltpaddel gibt es nun eine Taste pro Griff oben-innen, die als zusätzliche Schaltmöglichkeit genutzt werden kann. Alternativ lassen sich mit den Tasten die Funktionen eines Radcomputers durchschalten.
Das funktioniert mit dem Hammerhead-Computer, der ja im SRAM Mikrokosmos beheimatet ist und Teil der neuen Top-Gruppe ist, aber auch mit den verschiedenen Geräten von Wahoo. Eine Anleitung zu Pairing und Bedienung für Elemnt, Bolt und Roam gibt es hier: https://support.wahoofitness.com/hc/en-us/articles/115000134084-Using-electronic-shifters-drivetrains-with-ELEMNT-BOLT-or-ROAM
Die Oberflächenstruktur der Griffgummis dient auch als Montagehilfe am Lenker: Die Linie, die durch die Unterkante der Rillen am Gummi gebildet wird, sollte waagerecht stehen, was dann einer neutralen Position des Griffs entspricht. Die Griffgummis sind sehr schön gestaltet und fügen sich optisch wie auch taktil wirklich schön ins Cockpit ein.
Weniger Handkraft, mehr Bremspower
Einen Anteil an der geringeren Bremskraft haben auch die neuen Bremssättel. Sie sind nun steifer und wurden so verändert, dass sie im Zusammenspiel mit den neuen Bremsscheiben auf einem größeren Radius greifen. Die Rotoren (140 oder 160 mm) sind nur noch mit Centerlock-Befestigung verfügbar; eine Red-Felgenbremse gibt es nicht mehr.
Schaltwerk mit neuem Look, Werfer mit Trimmfunktion
Optisch filigraner und auch ein paar Gramm leichter geworden ist das Schaltwerk, das nun in nur noch einer Länge verfügbar ist und Kassetten mit bis zu 36 Zähnen schaltet. Die neuen Alu-Kunststoff-Schaltrollen haben nun 14 statt zwölf Zähne, was laut SRAM vor allem ästhetische gründe hat, aber auch die Kette etwas geschmeidiger laufen lassen sollte. Unverändert geblieben ist der Orbit-Flüssigkeitsdämpfer statt einer Feder.
Kritikpunkt bei SRAM war immer die Funktion der Umwerfer, die freilich besser sind als ihr Ruf. Bereits bei der SRAM Force AXS wurde der Wechsler einem „Running change“ unterzogen; Knackpunkt bleibt die exakte Ausrichtung, für die es nun ein neues Montagewerkzeug gibt. Wie bisher kann man dieses jedoch nur benutzen, wenn die Kette demontiert ist. Der neue Umwerfer ist auf die Kettenblatt-Kombinationen 46/33 bis 56/43 Zähne ausgerichtet – Profiteams brauchen also keinen speziellen Werfer für ihre extrem großen Kettenräder. Der Werfer verfügt über eine elektronische Trimmfunktion; die Schräubchen zur Festlegung des äußeren und inneren Anschlags sind endlich mit H bzw. L gekennzeichnet worden, damit man sie beim Einstellen nicht ständig verwechselt.
Jetzt auch 160er Kurbeln
Optisch kaum verändert präsentiert sich das Tretlager der neuen Red. Wie bisher kommen die Kettenblätter als One-piece-Kombination in den Abstufungen 50/37, 48/35 und 46/33 (plus 52/39, 54/41 und 56/43 für die Profiteams). Die Kurbeln, die zusammen 29 Gramm leichter geworden sind, werden in den Längen 160, 165, 167,5, 170, 172,5 und 175 mm angeboten. Auch ein nun noch besser in die Kettenblatt-Kombi integriertes Powermeter gibt es, dem SRAM eine Messgenauigkeit von +/- 1,5 % bescheinigt. Der Kurbelsatz kann auch mit einem Monokettenblatt ausgestattet werden (48 oder 50 Zähne), das es mit oder ohne Powermeter gibt.
Zum Getriebe gehören vier Kassetten: 10-28, 10-30, 10-33 und 10-36. Die letzten zwei gab es zwar bisher schon, aber nicht bei der Red. Der Kraftübertragung dient eine um 13 Gramm erleichterte Hollow-Pin-Kette. Kette wie Kassetten sind auch in der schillernden Rainbow-Version verfügbar. Ebenfalls Teil der neuen Gruppe ist ein eigener Radcomputer: ein Hammerhead Karoo mit Display „in Smartphone-Qualität“, der auf optimale Konnektivität mit SRAM-Produkten zugeschnitten ist.
Die leichteste elektronische Gruppe?
SRAM bezeichnet die neue Red als „leichteste elektronische Gruppe aller Zeiten“ und gibt ein Gewicht von 2.496 Gramm für die Komplettgruppe mit Powermeter an (172,5er Kurbel, 48/35, 10-28er Kassette, inkl. Akkus). Das soll einer Gewichtsreduzierung von immerhin 153 Gramm im Vergleich zur alten Red entsprechen. Teurer ist sie nicht unbedingt geworden: Für die 2×12-Gruppe ohne Powermeter werden ziemlich genau 3.700 Euro fällig; dazu addieren sich noch die Rotoren (ca. 240 €), außerdem Kette und Kassette, die in der neuen Version mit 110 bzw. 525 Euro (Rainbow) schwindelerregend teuer sind. Ein Preis für die Komplettgruppe inkl. Hammerhead steht noch nicht fest; die Powermeter-Kettenblattkombi kostet 895 Euro.
Praktisch ist, dass die Red 2024 vollständig abwärtskompatibel ist – wem es vor allem auf die neuen Hebel ankommt, der bzw. die ist mit zwei Mal 755 Euro (Schalthebel inkl. Bremssockel und Leitung, ohne Rotor) dabei. Mit dem heutigen Datum, dem 15. Mai 2024, soll die neue Gruppe bereits verfügbar sein – sobald ein Testmuster vorliegt, wird sich Velomotion.de der Sache noch einmal annehmen.