Test / Antriebe: Mit dem ZF Centrix konnten wir einen der spannendsten neuen E-Bike Antriebe für das Modelljahr 2025 in der Praxis am E-Mountainbike testen. Das kleine Kraftpaket schlägt sich dabei beeindruckend.
Keine Frage, der ZF Centrix war eines der ganz großen Highlights auf der diesjährigen Eurobike. Kein Wunder, schließlich verspricht der Antrieb etwas, was bislang unmöglich erschien: Volle Power bei kompakten Abmessungen und geringem Gewicht.
Fast schon unglaublich klein
In Zahlen gesprochen bedeutet das: Der ZF Centrix soll bis zu 90 Nm bei 600 Watt Maximalleistung liefern, bringt dabei jedoch nur 2,5 kg auf die Waage und ist vor allem extrem kompakt. Möglich wird dies durch den inneren Aufbau, der sich grundlegend von dem unterscheidet, was die allermeisten anderen Mittelmotoren auf dem Markt machen. So setzt ZF auf ein Wellgetriebe anstelle des ansonsten üblichen Planetengetriebes, zudem wurden auch die sonstigen Komponenten auf maximale Platzersparnis optimiert.
Natürlich konnte man hier bei ZF auf einen unglaublich großen Erfahrungsschatz im Bereich von Getrieben und Motoren zurückgreifen. So soll man es auch möglich gemacht haben, die Hitze, die in einem solchen Motor entsteht effektiv nach außen abzuführen – trotz der extrem kompakten Abmessungen. Dafür setzt man unter anderem ein spezielles Getriebeöl ein, das neben der Schmierung auch als Wärmeleitmaterial dienen und die Hitze gleichmäßig nach außen abführen soll. Außerdem kommt hier die innovative Befestigung im Rahmen ins Spiel: Der Motor wird nicht direkt verschraubt, sondern über eine Klammer von unten im Rahmen geklemmt. Diese Klammer aus Aluminium dient nicht nur der Befestigung und dem Schutz, sondern ist auch eine zusätzliche Kühlfläche.
Ein weiterer grundlegender Baustein für Baugröße und Performance ist die Entscheidung seitens ZF zugunsten eines 48V Systems, während die meisten anderen E-Bike Antriebe noch immer eine 36V Infrastruktur nutzen. Durch die niedrigeren Ströme wird nicht nur die Effizienz erhöht, sondern auch die Wärmeverluste fallen geringer aus.
Akkus, Displays und Peripherie
Mit dem ZF Centrix stellt das deutsche Traditionsunternehmen auch ein komplettes E-Bike Ökosystem vor. Neben dem Motor selbst gehören dazu natürlich auch Akkus, Bedienteile und Displays. Die Akkus wird es zunächst mit 756 Wh und 504 Wh geben. Leider fallen beide mit 4,2 kg und 3,2 kg ziemlich schwer aus. Dies könnte auch an den massiven Metallgehäusen liegen, in denen auch die Montagepunkte im Rahmen integriert sind. Hierfür gibt es nämlich eine spezielle Schiene, die im Rahmen verschraubt wird und auf der die Akkus aufgeschoben werden. So entfällt das fummelige und fehleranfällige Einstellen des Akkuschlosses und Rahmentoleranzen spielen keine Rolle mehr. Zudem sind beide Akkus problemlos untereinander tauschbar und passen auf die gleiche Schiene.
Integriert in dieser Akku-Rail sind auch das entsprechende Schloss und ein Anschlussterminal: Der Motor selbst besitzt nämlich nur zwei Anschlüsse, einer davon dient der Stromversorgung, der andere verbindet den Geschwindigkeitssensor am Hinterrad mit dem System. Am Stromterminal befinden sich dann alle weiteren Ports für die Bedienung oder die Beleuchtung.
Das Gehirn des Systems sitzt im Oberrohr und nennt sich Core Controller. Dieser wird mit einem Kabel am Terminal angeschlossen und ist die einzig notwendige Komponente, um das System in Betrieb zu nehmen. Über zwei Knöpfe lässt sich das E-Bike einschalten und die Unterstützungsstufe wechseln. LEDs geben Auskunft über den eingelegten Modus und den Ladestand des Akkus. An einem magnetischen Anschluss auf der Oberseite lässt sich ein spezielles Kabel anbringen über das sich das Smartphone mit bis zu 20 W laden lässt. Zudem kann der Fachhändler diesen Anschluss zur Diagnose oder zum Update des Systems nutzen. Apropos Updates: Das System ist grundsätzlich vorbereitet für Updates über das Smartphone, ob die Funktionalität jedoch direkt zum Launch der ersten Räder vorhanden sein wird, ist derzeit noch fraglich.
Optional lassen sich am Core Controller noch weitere Komponenten anschließen. Zum Marktstart gibt es eine kompakte Bedieneinheit für den Lenker mit drei Knöpfen und ein großes, farbiges Display mit Touchfunktion.
Der ZF Centrix in der Praxis
Getestet haben wir den ZF Centrix im neuen Raymon Tarok. Das Bike bringt 160 mm Federweg an Front und Heck mit und rollt auf Mullet-Laufrädern. Testgelände war der Bikepark Weingarten in der Nähe von Ravensburg, der mit unterschiedlichstem Terrain gute Bedingungen zum Testen bot.
Auf der rund zwei Stunden langen Testrunde konnten wir dem neuen Antrieb auf den Zahn fühlen. Zunächst fällt die überraschend kräftige Unterstützung und die zuweilen fast unbändige Beschleunigung auf. Gerade in leichteren Gängen zeigt sich der Centrix mit enormem Punch und liegt hier deutlich vor Bosch, Shimano und Co. Im steilen Gelände zeigt er sich zudem recht unbeeindruckt von der Trittfrequenz: Auch schwere Gänge verkraftet er gut und zieht Fahrer samt Bike stoisch dem Gipfel entgegen.
Für die meisten Zeit waren wir entweder in der höchsten Unterstützungsstufe Boost oder dem progressiven Unterstützungsmodus Sport unterwegs. Darunter gibt es noch zwei weitere, etwas zahmere Modi. Über eine Smartphone App wird es möglich sein, die Charakteristik der einzelnen Stufen selbst anzupassen. Ob es jedoch schon zum Verkaufsstart so weit sein wird, wollte man uns noch nicht verraten.
Die Dosierbarkeit des Antriebs weiß ebenfalls zu gefallen, auch wenn hier eventuell noch ein wenige Feinjustage bis zum Launch in einigen Monaten notwendig ist. Während man die Power des Antriebs bei viel Kettenzug und schweren Gängen sehr feinfühlig auf den Untergrund bringt, fällt dies bei leichten Gängen teils etwas schwerer und der Antrieb hat fast schon etwas zu viel Beschleunigung im Antritt. ZF feilt jedoch noch an der Abstimmung in einigen Bereich und so kann es durchaus sein, dass man auch hier bis zum Launch noch einmal Hand anlegt.
Absolut positiv ist die Lautstärke des ZF Centrix auf dem Trail bergab: Das Raymon Tarok war flüsterleise und zu keinem Zeitpunkt war irgendein unangenehmes Klappern oder ähnliches vom Antrieb zu hören – top! Genau so soll es sein. Bergauf ist der Motor dann nicht immer ganz leise: Während das Unterstützungsgeräusch bei moderater Leistung noch unter den Abrollgeräuschen der Reifen verschwindet, sieht es bei voller Power ein wenig anders aus. Hier ist der Antrieb deutlich zu hören, bewegt sich bei der Lautstärke jedoch noch im ordentlichen Bereich. Dadurch, dass die Tonalität eher etwas tiefer ausfällt, dürften die meisten Fahrer es auch als weniger penetrant empfinden.
Für eigene Eindrücke zur Lautstärke und ausführlichen Praxistests legen wir euch unser Testvideo ans Herz:
Insgesamt ist der ZF Centrix ein beeindruckender Motor. So viel Power bei gleichzeitig so kompakter Bauform war bislang undenkbar. Dass auch das Ansprechverhalten, die Features und die Dosierbarkeit in den meisten Szenarien auf hohem Niveau liegt, der Motor nicht klappert und die Peripherie einen guten Eindruck macht – super! Dass es in einigen wenigen Szenarien noch etwas Luft nach oben gibt was die Dosierbarkeit angeht würden wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht allzu tragisch sehen.
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