Bike Build Story: Langsam aber sicher nimmt unser XC Hardtail rund um den Giant XTC Advanced Rahmen Gestalt an. Nachdem wir euch bereits die Federgabel, Laufräder und den Antrieb vorgestellt haben, folgt heute nun die Bremse. Hier gibt’s bei unserem Aufbau CNC Fräskunst aus Großbritannien: Die Hope X2 Tech3.
Der Scheibenbremsmarkt hat sich in den letzten Jahren seit dem Durchsetzen der hydraulischen Bremsen bei den MTBs verändert und stetig entwickelt. Gab es noch vor vier oder fünf Jahren spürbare, entscheidende und teils erschreckend große Unterschiede bei der Bremsleistung zwischen den zahlreichen verschiedenen Modellen, sind sie in jüngerer Vergangenheit näher zusammengerückt. Klar, auch heute sind die Unterschiede zwischen leichter XC Bremse und Downhill-Anker noch immer spürbar, doch genügt die nackte Bremsleistung selbst günstiger hydraulischer Bremsen heute für fast alle Einsatzbereiche.
Das heißt freilich nicht, dass alle Bremsen gleich sind: Verarbeitung, Ergonomie, Dosierbarkeit, Wartung – all das sind nach wie vor kaufentscheidende Faktoren, wo es nach wie vor teils riesige Unterschiede gibt. Und der Preis natürlich – auch hier muss man abwägen, wie viel man investieren möchte.
Hope X2 Tech3: Verarbeitung und Optik auf höchstem Niveau
Der Hersteller Hope aus dem Norden Englands zählt zu den Scheibenbremsveteranen und war eigentlich von Beginn an mit dabei. Auch heute baut man in Barnoldswick mit Hingabe sämtliche Bremsen noch selbst, geht aber nach wie vor einen Sonderweg. Man möchte nicht mit den Riesen von Shimano, SRAM oder auch Magura mithalten und konzentriert sich stattdessen auf die Dinge, die Hope-Fans seit jeher schätzen. Dazu zählt zweifellos die herausragende Verarbeitung der CNC gefrästen Bauteile und die damit verbundene, markante, extravagante und einzigartige Optik.
Wirklich sämtliche Einzelteile des Hope Bremssystems bestehen aus Metall, Kunststoff sucht man vergebens. Ausnahme in unserem Fall: Die Bremsleistungen. Auch hier gibt es von Hope nach wie vor Stahlflexleitungen für einen besseren Druckpunkt und längere Haltbarkeit, doch wir entschieden uns auch aus Gewichtsgründen für die Kunststoffvariante. Der Hope X2 Bremssattel ist das leichteste derzeit von Hope erhältliche Modell und ersetzt den bewährten Mini. Derzeit gibt es ihn in Kombination mit den Allround Tech3 Bremsgriffen oder den sehr leichten Race Evo, die jedoch wegen eines etwas anderen Übersetzungsverhältnisses auch etwas weniger Power haben.
In unserem Fall nahmen wir das geringe Mehrgewicht der Tech3 Hebel in Kauf für eine bessere Bremsleistung und mehr Reserven. Ohnehin ist die Bremse auch so sehr leicht – obwohl man komplett auf Carbon verzichtet. Ohne Scheiben bringt die Vorderradbremse mit 900mm Leitung gerade einmal 242g auf die Waage – das ist sogar weniger als von Hope angegeben und bewegt sich ungefähr auf dem Niveau der Shimano XT.
Hope X2 Tech3: Einstellmöglichkeiten satt
Nun haben wir viel über die Bremssättel gesprochen, doch der eigentliche Star der Show sind die Tech3 Bremshebel – gleich aus mehreren Gründen. Klar: Die Verarbeitung ist auch hier großartig und die gesamte Konstruktion fühlt sich steifer, robuster und hochwertiger an als bei weiten Teilen der Konkurrenz. Großzügige Löcher im Bremshebel selbst verbessern den Grip auch bei Nassen Bedingungen.
Herausragend sind die Einstellmöglichkeiten des Tech3 Hebels. Griffweite und Druckpunkt lassen sich den individuellen Bedürfnissen anpassen. Richtig, das bieten inzwischen fast alle Scheibenbremsen, zumal in der Preisklasse in der sich die Hopes bewegen. So gut, so gewöhnlich also. Doch bei wahrscheinlich keinem anderen Bremssystem funktioniert die Verstellung so gut, spürbar, intuitiv und effektiv wie bei den Tech3 Hebeln. Das beginnt bei der Druckpunktverstellung, die bei den Engländern auf den Namen Bite Point Control (BPC) hört. Bei der Konkurrenz bewegt sich der Spielraum der Druckpunktverstellung meist eher im homöopathischen Bereich und lässt sich gerade während der Fahrt kaum erfühlen. Ganz anders bei Hope: Hier kann man wirklich effizient einstellen, wie viel Leerweg man bevorzugt, ob man den Druckpunkt schon auf den ersten Millimetern möchte, oder eher nah am Lenker.
Gleiches gilt für die Griffweite, die sich in einem erstaunlich großen Bereich regulieren lässt und sehr kleine und sehr große Hände gleichermaßen zufriedenstellen sollte. Gerade in Kombination mit der Druckpunktverstellung hat man bei der Ergonomie sehr viel Spielraum – super!
Hope X2 Tech3: Installation, Wartung und Entlüften
Selbst erfahrene Schrauber sind bei der Montage und Wartung von Scheibenbremsen vorsichtig und skeptisch: So viel sich in puncto Bremsleistung bei den hydraulischen Stoppern auch getan hat, nur wenige Systeme können hier so richtig überzeugen. Oft gerät selbst simples Entlüften zum Geduldsspiel und auch das korrekte Ausrichten des Bremssattels ist nur selten in fünf Minuten erledigt. Wie schlagen sich die edlen Hope Bremsen?
Die Montage selbst ist denkbar einfach. Mit den passenden Adaptern (die übrigens ebenfalls großartig verarbeitet sind – die Adapter!) sind die Bremssättel schnell befestigt und der doch recht großzügige Luftspalt lässt die Scheibe nach nur wenigen Handgriffen bereits schleiffrei zwischen den Belägen rotieren. Als nächstes steht dann natürlich das Kürzen der Leitung an – auch hier gibt’s kaum etwas auszusetzen und wer mit etwas Sorgfalt vorgeht, spart sich sogar das Entlüften im Anschluss.
Wer etwas kleckert und doch Bremsflüssigkeit nachfüllen muss, braucht sich keine Sorgen zu machen. Hope verwendet nach wie vor DOT Bremsflüssigkeit, die zu Unrecht einen schlechten Ruf bei vielen Bikern genießt. Aus eigener Erfahrung performt eine DOT Bremse nicht schlechter oder besser als eine Disc mit Mineralöl und auch die Wartungsintervalle hängen viel mehr von der Bremskonstruktion selbst als vom verwendeten Medium ab. Doch zurück zum Entlüftungsprozedere; man ist hier zwar nicht ganz auf dem Komfort-Niveau moderner Shimano Bremsen mit ihrem Trichter-System und muss eher old-school den Ausgleichsbehälter am Hebel selbst nachfüllen, aber auch für Anfänger kein Grund zur Panik. Zum einen gibt es hier sehr gute Video-Anleitungen von Hope, zum anderen sind die Bremsen sehr gutmütig und schnell zu entlüften und die Luft kommt sehr schnell aus dem System.
Hope X2 Tech3: Vorteil Nachhaltigkeit
Nun sind Hope Bremsen sicherlich keine Schnäppchen – zumindest nicht auf den ersten Blick. Mit 350€ ohne Scheiben bewegen sie sich schon eher in der hochpreisigen Liga, ohne jedoch bei Bremskraft oder Gewicht ganz vorn mitspielen zu können. Klar: Die Herstellung komplett in der (noch..) EU, die hochwertigen Materialien und die schöne Verarbeitung haben ihren Preis, vollkommen zurecht. Doch Hope Bremsen haben darüber hinaus auch noch einen handfesten Vorteil, der den Preis relativiert und oft übersehen wird: Sämtliche Ersatzteile sind auch nach vielen Jahren noch zu fairen Preisen erhältlich und der Austausch ist für halbwegs versierte Schrauber überhaupt kein Problem.
Dazu eine kurze Anekdote, direkt aus dem Bikeralltag: Vor mittlerweile zehn Jahren habe ich mir eine Hope M4 gegönnt und mühsam vom kargen Studentenlohn abgespart. Die Bremse begleitete mich lange und erfüllte ihren Job ohne Murren und trotz vernachlässigter Wartung immer zuverlässig. Irgendwann jedoch löste ich das Bike auf und die Bremsen wanderten vorerst in die düstere Restekiste, wo sie über viele Monate Staub ansammelten. Vor einigen Monaten ergab sich jedoch die Gelegenheit, die Bremsen an einem neuen Projekt zu verbauen. Also raus aus der Restekiste! Bei genauerer Inspektion zeigten sich jedoch die Jahre der Höhenmeterfolter: Die Kolben bewegten sich ungleichmäßig, einer davon schien etwas Flüssigkeit zu verlieren, die Hebel hatten etwas Spiel und waren schwergängig.
Bei wahrscheinlich jeder anderen Bremse wäre das der sichere (wirtschaftliche) Tod gewesen. Doch nicht so bei Hope. Nachdem ich die Problemstellen ausgemacht hatte, konnte ich nämlich beim Hope Händler des Vertrauens sämtliche benötigten Ersatzteile nachbestellen – für insgesamt nicht einmal 30€ und für eine Bremse, die seit einigen Jahren nicht mehr im Programm der Engländer ist. Darunter ein Dichtungssatz für einen Bremssattel und ein komplettes Rebuild-Kit für den Bremshebel. An einem verregneten Nachmittag wurden die Bremsen dann zerlegt, vom über Jahre angesammelten Dreck befreit und die entsprechenden Teile ausgetauscht. Nur noch neue Bremsflüssigkeit und ich hatte für schmales Geld eine quasi neue Bremse, die funktionierte wie am ersten Tag. Gerade in Zeiten der heutigen Wegwerfgesellschaft eine Genugtuung.
Hope X2 Tech3: Floating Scheiben mit schmalen Nieten
Die Scheiben von Hope sind ein Augenschmaus – mit knapp 150g für eine 180mm Scheibe auch kein Leichtgewicht, dafür jedoch schon fast traditionell mit sehr gutem Fadingverhalten und vielen Reserven auch auf längeren Abfahrten. In der Vergangenheit gab es jedoch hin und wieder ein Problem mit den Hope Scheiben: Die Nieten, die den Spider mit der Bremsfläche verbinden, bauten sehr hoch und konnten bei ungünstigen Toleranzen am Bremssattel, Rahmen, Gabel oder Adapter schleifen.
Dieses Problem hat man im letzten Jahr nun ausgemerzt: Gleichzeitig hat man sich von der zackigen Sägenform verabschiedet und die neuen Scheiben sind nun deutlich runder und optisch etwas zurückhaltender.
Web
www.hopetech.com
Im nächsten Teil unserer Bike Build Story werden wir uns mit dem Cockpit beschäftigen. Unter anderem mit Carbon made in Germany. Hier findet ihr alle bisherigen Artikel und Komponenten: