Radsport: Über den Sturz von Mark Cavendish (Dimension Data) auf der vierten Etappe der Tour de France wird in den Sozialen Medien heftig diskutiert. Jetzt hat die Tour-Organisation eine Entscheidung bekannt gegeben: Peter Sagan (Bora-hansgrohe) wird für den Unfall verantwortlich gemacht und von der Tour de France 2017 ausgeschlossen!
Peter Sagan wird disqualifiziert
Der Weltmeister wird von der Organisation der Tour de France hart bestraft. Peter Sagan muss die Frankreich-Rundfahrt verlassen. Ihm wird die alleinige Schuld für den Sturz von Mark Cavendish gegeben. Ist diese Bestrafung fair? Die Meinungen gehen selbst bei ehemaligen Profis stark auseinander. Während Alessandro Petacchi im italienischen Fernsehen davon sprach, es sei nichts gewesen, forderte Rolf Aldag den Tour-Ausschluss von Peter Sagan. Auf Grund der unterschiedlichsten Äußerungen von Profis und Fans stellt sich die Frage, ob es bei einem solchen Vorfall überhaupt eine klare, eindeutige und faire Entscheidung der Jury geben kann.
Im Vergleich: Die Sprints von Arnaud Démare und Peter Sagan
Bezweifelt werden darf dies allein durch Betrachtung des heutigen Sprints. Durch die Vogelperspektive haben wir einen hervorragenden Blick auf die Fahrtlinien der betroffenen Profis. Jede kleine Welle ist erkennbar – wenn nicht gerade ein Baum dem Blick im Weg steht. Im Video erkennen wir ab Sekunde vier, dass der Tagessieger Arnaud Démare (FDJ) von ganz rechts nach links zieht und dabei seinen Intimfeind Nacer Bouhanni (Cofidis) schneidet. Nacer Bouhanni kommt dabei völlig aus dem Tritt und fast zu Fall. Arnaud Démare zieht weiter durch und gewinnt die vierte Etappe der Tour de France souverän. Zur gleichen Zeit ereignet sich der Sturz von Mark Cavendish auf der rechten Seite der Fahrbahn. Auf den ersten Blick sah es auf den TV-Bildern so aus, als hätte Peter Sagan seinen Kontrahenten mit dem Ellenbogen gegen die Bande gedrückt. Bei genauerer Betrachtung muss zumindest diese Behauptung angezweifelt werden.
Mark Cavendish vs. Peter Sagan: Auffahrunfall oder Ellenbogencheck?
In vielen weiteren Videos mit unterschiedlichen Kamera-Perspektiven ist zu erkennen, dass Arnaud Démare sehr deutlich eine extreme Welle gefahren ist. Peter Sagan und Mark Cavendish haben im Vergleich dazu kaum ihre Linie verlassen. Sagan fuhr bereits extrem weit rechts, als Cavendish den Versuch unternahm, noch zwischen dem Weltmeister und der Bande hindurchzuschlüpfen. Auf Grund des Windschattens war der Brite auch tatsächlich etwas schneller unterwegs, so dass er Sagan immer näher kam. Schließlich kam es zu einer Berührung der Oberkörper. In keiner Kameraeinstellung ist jedoch zu sehen, dass Sagans Ellenbogen Cavendish berührt hat. Vielmehr haben sich die versetzten Oberkörper berührt, weshalb beide Fahrer etwas das Gleichgewicht verloren haben. Daraufhin drückte Sagan den Ellenbogen nach außen. In diesem Moment war der Sturz von Cavendish jedoch bereits voll im Gange.
Wer hat Schuld? Was ist grundsätzlich in einem Sprint erlaubt?
Die Schuld-Frage ist in diesem Vorfall enorm schwer zu klären. Klar ist, dass in einem Massensprint keine Welle erlaubt ist, um den Kontrahenten zu schneiden. Der Sprint von Arnaud Démare wäre also dementsprechend nicht in Ordnung gewesen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass dem Gegner keine Tür zugemacht werden darf. Peter Sagan wirft man vor, er hätte Cavendish nicht genügend Platz gelassen. Da der Weltmeister aber wohl nicht auf der rechten Seite mit Cavendish rechnen konnte, ist eine Absicht nicht erkennbar. Mark Cavendish selbst muss sich einmal mehr fragen, ob er sich einen Gefallen damit tut, immer wieder in die kleinsten und gefährlichsten Lücken hineinzustoßen. Bereits zu Beginn seines Überholmanövers war für ein Überholen nicht genug Platz vorhanden, da sich die gesamte Gruppe konstant nach rechts bewegt hat. Peter Sagan ist nicht dazu verpflichtet, eine Tür aufzumachen, er darf sie lediglich nicht ruckartig schließen. Bei genauerer Betrachtung der Bilder könnte man also zu dem Schluss kommen, dass es sich um einen typischen Rennunfall handelt. Eine klare Schuldzuweisung scheint nahezu unmöglich zu sein – und ein Ausschluss ist sogar ein Skandal.
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