Radsport: Bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt gibt es vier Favoriten auf den Gesamtsieg. Doch bei 198 Startern kommen weit mehr Podiumkandidaten in Frage. Selten kommen alle Favoriten gesund und in Topform durch die drei harten Wochen – und dann schlägt die Stunde der Tour de France Außenseiter.
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Vincenzo Nibali (Team Astana)
Es wirkt schon fast ironisch, wenn Vincenzo Nibali als Außenseiter bezeichnet wird. Schließlich gewann er bereits jede Grand Tour bereits mindestens einmal. Im Mai diesen Jahres triumphierte der 31-Jährige beim Giro d’Italia zum zweitem Mal. 2014 gewann er die Tour de France, als Chris Froome und Alberto Contador verletzt aufgeben mussten, Nairo Quintana nicht am Start stand und Richie Porte sich nicht auf die Gesamtwertung konzentrierte. Da er den Giro d’Italia in den Beinen hat, wird er es in diesem Jahr sehr schwer haben, ein Wörtchen um den Toursieg mitzureden. Doch sein Team ist stark, Nibali ist ein Kämpfer und selbst schlechte Wetterbedingungen oder komplizierte Abfahrten können ihn nicht aufhalten. Auf der Rechnung haben sollte man den Italiener deshalb auf jeden Fall.
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Fabio Aru (Team Astana)
Wie stark das Team Astana ist, sieht man daran, dass gleich zwei Fahrer als Podiumkandidaten bezeichnet werden können. Fabio Aru wird auf der 2. Etappe der Tour de France erst 26 Jahre alt, hat aber in seiner noch recht jungen Karriere schon so einiges erreicht. Im letzten Jahr wurde er Zweiter beim Giro d’Italia und er gewann die Vuelta a España. Es wird seine erste Teilnahme bei der Tour de France werden und vermutlich darf er die Rundfahrt direkt als Kapitän bestreiten. Dass auch die Konkurrenz mit Fabio Aru rechnet, zeigt eine Aussage von Alberto Contador nach Arus Etappensieg beim Critérium du Dauphiné: „Natürlich ist er ein Kandidat für die Tour de France“.
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Tejay Van Garderen (Team BMC)
Der US-Amerikaner Tejay Van Garderen wird spätestens seit 2012 jedes Jahr als einer der Podiumkandidaten genannt. Bisher konnte er dieses Ziel noch bei keiner Grand Tour erreichen. Zweimal wurde er Fünfter bei der Tour de France. Außerdem konnte er bei einwöchtigen Rundfahrten mehrere Etappensiege einfahren und sein Talent unter Beweis stellen. Der ganz große Wurf blieb bisher jedoch aus. Mittlerweile ist Van Garderen 27 Jahre alt und nach drei erfolglosen Versuchen, ihn als Kapitän zu nominieren, hat das Team BMC nun mit Richie Porte nachgebessert. Van Garderen wird daher zuerst den teaminternen Kampf gewinnen müssen. Trotz seines Etappensieges bei der Tour de Suisse ist aber davon auszugehen, dass BMC zunächst auf Richie Porte setzen wird.
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Alejandro Valverde (Team Movistar)
Wenn die Rede von den erfolgreichsten Radsportlern nach der Jahrtausendwende ist, dann darf der Name Alejandro Valverde keinesfalls fehlen. Der Spanier ist seit 2002 aktiv und war sowohl bei Eintagesklassikern als auch bei Rundfahrten sehr erfolgreich. Seit 2007 fuhr er bei der Tour de France fünfmal in die Top 8, doch für den Sieg hat es nie gereicht. Das wird wohl auch nichts mehr werden, denn in der Team-Hierachie steht er nun ganz klar hinter Nairo Quintana. Diese Tatsache wird wohl auch entscheidend sein bei der Frage, ob Alejandro Valverde es in diesem Jahr auf das Podium schaffen kann. Sollte er viele Helferdienste für Quintana leisten müssen, dann wird die Konkurrenz vermutlich zu stark sein. Wenn Quintana jedoch erst sehr spät das Gelbe Trikot übernimmt und Movistar mit einer Doppelspitze agieren wird, dann kann Valverde durch etwaige taktische Konstellationen auf das Podium rutschen.
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Thibaut Pinot (Team FDJ)
Thibaut Pinot ist auch in diesem Jahr die größte Hoffnung der französischen Fans. Der Stern des jetzt 26-Jährigen ging im Jahr 2012 auf, als er auf Anhieb Zehnter bei der Tour wurde. 2014 landete er mit dem dritten Platz auf dem Podium. Der französische Meister im Einzelzeitfahren hat auch diese Saison bereits achtbare Ergebnisse eingefahren, indem er das Critérium International gewann und je eine Etappe bei der Tour de Romandie und dem Critérium du Dauphiné für sich entscheiden konnte. Im letzten Jahr gewann er seine erste Tour-Etappe. Sein Ziel ist in jedem Fall eine Top 10 Platzierung, wobei er unter Umständen auch das Bergtrikot und einen Etappensieg im Visier haben könnte.
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Romain Bardet (Team Ag2r)
In den vergangenen beiden Jahren fuhr Romain Bardet mit dem sechsten bzw. neunten Rang in die Top 10 der Gesamtwertung. Dass seine Form für die Tour de France passt, bewies er beim Critérium du Dauphiné. Dort wurde er hinter Chris Froome Gesamtzweiter. Sein Team Ag2r wird sich voll auf die Gesamtwertung konzentrieren und Bardet kann mit Alexis Vuillermoz und Domenico Pozzovivo auf namhafte Unterstützung bauen. Im letzten Jahr gewann der Franzose nicht nur seine erste Etappe bei der Tour de France, sondern er wurde in Paris zusätzlich mit der roten Rückennummer für den kämpferischsten Fahrer ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr können wir mit seinen Attacken in den Bergen rechnen.
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Joaquim Rodríguez (Team Katusha)
Mit 37 Jahren ist Joaquim Rodríguez der älteste Fahrer mit realistischen Ambitionen auf eine Top Platzierung in der Gesamtwertung. Sein Palmarès liest sich hervorragend. 2010, 2012 und 2013 gewann er das UCI World Ranking, 2012 den Flèche Wallonne und 2012 und 2013 die Lombardei-Rundfahrt. Insgesamt konnte er in seiner Karriere bisher zwei Etappensiege beim Giro, neun bei der Vuelta und drei bei der Tour de France feiern. Damit gehört er zu den erfolgreichsten Fahrern seiner Generation, obwohl er sein Ziel, eine Grand Tour zu gewinnen, bis heute nicht erreichen konnte. Acht Top 5 Platzierungen sprechen aber eine deutliche Sprache für seine Konstanz. In seinem jetzigen Alter rechnet kaum jemand damit, dass der Spanier es dieses Jahr auf das Podium schaffen könnte, was vor allem an seinen zuletzt schwachen Leistungen liegt. Bei der Baskenland-Rundfahrt wurde er Gesamtfünfter und bei Lüttich-Bastogne-Lüttich Achter. Es ist daher zu vermuten, dass sich sein Team Katusha vorwiegend auf den Sprinter Alexander Kristoff konzentrieren wird.
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Warren Barguil (Team Giant-Alpecin)
Warren Barguil geht als klarer Favorit in der Nachwuchswertung ins Rennen. Der 24-jährige Franzose beendete die Tour de France im vergangenen Jahr auf Rang 14, wurde bei der Vuelta 2014 aber schon Gesamtachter. Es ist davon auszugehen, dass sein Team Giant-Alpecin auf eine Doppelspitze, bestehend aus ihm und Tom Dumoulin, setzen wird. Bei der Tour de Suisse eroberte er den dritten Gesamtrang hinter Angel Lopez und Ion Izagirre. Je nach Verlauf der ersten Tour-Woche wäre es auch denkbar, dass Warren Barguil nur auf Etappenjagd geht oder den Sieg in der Bergwertung anpeilt.
Viele Kandidaten für das Podium der Tour de France 2016
Neben unseren vier Topfavoriten auf den Tour-Sieg und den hier aufgezählten acht Außenseitern gibt es noch weitere interessante Fahrer. Zu beachten sind beispielsweise auch die Teamkollegen von Chris Froome, Mikel Landa und Geraint Thomas, oder auch die Helfer von Alberto Contador, Rafal Majka und Roman Kreuziger. Wir dürfen ebenfalls gespannt sein, wie Tom Dumoulin sein Erlebnis beim Giro d’Italia verkraftet hat. Robert Gesink, Daniel Martin, Pierre Rolland, Andrew Talansky und Bauke Mollema schielen ebenfalls auf ein Resultat in den Top 10 der Gesamtwertung. Neben der Jagd auf Etappensiege könnte dabei für den ein oder anderen Fahrer auch das Bergtrikot herausspringen. So oder so erwartet uns ein spannender Kampf – nicht nur um den Tour-Sieg, sondern auch um die Plätze dahinter. Die Top 10 der Tour de France sind für jeden Profiradsportler eine unvergessliche Auszeichnung.
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