Radsport: Am Samstag startet die 103. Austragung der Frankreich-Rundfahrt in Le Mont-Saint-Michel. Eine Woche vor Tourstart ist es an der Zeit, einen Blick auf die Tour de France Favoriten zu werfen. Am Start stehen die besten Klassementfahrer der Welt. Nach 21 Etappen wird der Sieger traditionell in Paris geehrt. Wir haben die Topfavoriten auf das Gelbe Trikot aus 198 Fahrern herausgepickt.
Die vier Tour de France Favoriten 2016
Wie jedes Jahr fragt sich die ganze Radsportwelt Ende Juni, wer die Tour de France gewinnen kann. Bei 198 Startern ist die Auswahl groß, doch vier Fahrer stehen in der Favoritenliste ganz weit oben. Spätestens seit 2012, als Bradley Wiggins als erster Brite die französische Landesrundfahrt gewinnen konnte, darf sein Landsmann Chris Froome bei dieser Aufzählung nicht fehlen. Im letzten Jahr gewann er knapp vor dem Kolumbianer Nairo Quintana, der auch in dieser Saison seine Klasse und seine gute Form bereits unter Beweis stellen konnte. Natürlich zählt er genauso zu den Tour de France Favoriten wie Alberto Contador. Eigentlich sollte dies seine letzte Frankreich-Rundfahrt werden, doch nach seinem Sieg bei der Baskenland-Rundfahrt im April möchte er noch ein weiteres Jahr weiterfahren. Als vierten Mitfavoriten auf das Gelbe Trikot haben wir den Australier Richie Porte ausgemacht, der nun im Schweizer Rennstall BMC endlich die Kapitänsrolle inne hat. Wer wird die Nase vorn haben nach 21 Etappen und insgesamt 3.519 Kilometern? Hier unsere vier Tour de France Favoriten.
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Nairo Quintana (Team Movistar)
Der Kolumbianer Nairo Quintana stand bei der Tour de France bisher zweimal am Start. Sowohl 2013 als auch 2015 wurde er dabei von Chris Froome bezwungen. Dieses Jahr soll der Spieß umgedreht werden und die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Zwar hat sich der 26-Jährige im Zeitfahren kontinuierlich verbessert, doch sein größter Widersacher Chris Froome ist in dieser Disziplin weiterhin als stärker einzuschätzen. Deshalb kommt es Quintana gelegen, dass bei der Tour de France 2016 nur 54,5 Kilometer im Kampf gegen die Uhr gefahren werden müssen. Davon werden sogar 17 Kilometer in einem Bergzeitfahren am 21. Juli zurückgelegt, wo es eher auf die Kletterskills als auf die Fähigkeiten im Zeitfahren ankommen wird. Bergauf kann ihm sowieso niemand mehr etwas vormachen. Schon bei der vergangenen Austragung konnte Froome Quintana gerade in der letzten Woche mehrmals nicht folgen und verlor wertvolle Zeit. 24 Sekunden war er auf allen Bergetappen zusammengezählt sogar schneller als der Brite. Verloren hat er die Rundfahrt auf der ersten Bergetappe in den Pyrenäen und im Wind auf dem flachen zweiten Teilstück der Tour. 1:10 Minuten und 1:28 Minuten lautete dort der Zeitverlust. In den Alpen war er dann zwar der Stärkste am Berg, doch der Rückstand war bereits zu groß. Am Ende fehlten 72 Sekunden für den großen Sieg. Auch 2016 wird die Tour de France wieder gegen den Uhrzeigersinn gefahren, so dass die Pyrenäen vor den Alpen kommen. Hat Quintana dann bereits in der zweiten Woche bessere Beine, dann hat er die besten Aussichten auf den Toursieg. In Form ist der Kolumbianer auf jeden Fall, denn in diesem Jahr gewann er bereits die Volta a Catalunya, die Tour de Romandie und in der Vorbereitung vor einer Woche auch die Route du Sud. In schweren Zeiten kann Quintana zudem auf ein sehr starkes Team zurückgreifen. Mit Alejandro Valverde, der bei der Tour de France bereits fünfmal in die Top 8 fahren konnte, hat er vermutlich den besten Helfer in den Bergen an seiner Seite.
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Chris Froome (Team Sky)
Chris Froome ist das, was man gemeinhin als Spätzünder bezeichnet. Erst im Alter von 26 Jahren – und damit genau dem jetzigen Alter von Quintana – rückte Chris Froome in die Riege der Klassementfahrer auf. Bei der Vuelta a España 2011 wurde er als Helfer von Bradley Wiggins eingespannt. Viel zu spät bemerkte man, dass Froome schneller ist als Wiggins. Als er dann freie Fahrt bekam, war es jedoch zu spät und er wurde mit nur 13 Sekunden Rückstand Zweiter hinter dem Spanier Juan José Cobo. Viele vermuteten damals eine Eintagsfliege, doch spätestens bei der Tour de France im darauffolgenden Jahr wurden diese Meinungen widerlegt. Chris Froome schien erneut schneller zu sein als Bradley Wiggins, doch auf Grund der Teamorder musste er sich hinten anstellen und wurde erneut Gesamtzweiter bei einer Grand Tour. Der in Nairobi geborene Brite war fortan der dominierende Mann, wenn es bei Rundfahrten viele Zeitfahrkilometer gab und in die Berge ging. 2013 und 2015 schlug er Nairo Quintana und gewann die Tour, weshalb er automatisch auch in diesem Jahr zu den Tour de France Favoriten zu zählen ist. Nicht wenige Experten denken jedoch, dass Froome seinen Vorsprung auf Quintana mittlerweile eingebüßt haben könnte. In diesem Jahr mussten seine Fans lange auf ein beachtenswertes Ergebnis warten, ehe er pünktlich zur Tour-Vorbereitung beim Critérium du Dauphiné seine gute Form unter Beweis stellen konnte. Er gewann die einwöchige Rundfahrt vor Romain Bardet und Daniel Martin. Richie Porte und Alberto Contador blieben dabei nur die Plätze vier und fünf. Den jetzt 31-Jährigen erwartet vermutlich die schwierigste Tour de France seiner bisherigen Karriere. Er geht als Titelverteidiger und Topfavorit an den Start, doch der fünf Jahre jüngere Quintana scharrt mit den Hufen. Keine Sorgen machen muss sich Chris Froome aber bezüglich seiner Teamgefährten. Wie immer schickt das Team Sky eine ausgezeichnete Truppe an den Start. Mit Geraint Thomas, Wouter Poels, Mikel Nieve, Mikel Landa, Vasil Kiryienka und Sergio Henao muss sich das Team an den Bergen in der Breite sicher vor keinem anderen verstecken. Dennoch schmerzt der Verlust von Richie Porte. Der Australier wird vermutlich auch dieses Jahr die Berge hinauf lange Zeit an der Seite von Chris Froome fahren, doch er wird dies als Konkurrent und für das Team BMC tun.
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Alberto Contador (Team Tinkoff)
Auch er darf bei den Tour de France Favoriten nicht fehlen. Als Alberto Contador 2007 seine erste Tour gewann, war er gerade einmal 24 Jahre alt. Nach der Ära von Lance Armstrong und der Skandal-Tour 2006 hatte die Radsport-Welt das Gefühl, einen neuen absoluten Dominator gefunden zu haben. Dies bestätigte sich, denn der Spanier gewann in den darauffolgenden Jahren alle drei großen Landesrundfahrten mindestens einmal. Eine Statistik, die im aktuellen Fahrerfeld ansonsten nur Vincenzo Nibali ebenso vorweisen kann. Bei der Tour de France konnte Contador jedoch in den letzten Jahren nicht einmal mehr auf das Podium fahren. Viele Experten denken deshalb, dass seine große Zeit vorbei ist. 2015 gewann er den Giro d’Italia, wurde bei der Tour de France dann nur Fünfter. In dieser Saison verzichtete er auf die italienische Landesrundfahrt, um sich voll und ganz auf die Tour vorzubereiten. Dabei gewann er die Baskenland-Rundfahrt und wurde bei Paris-Nizza und der Volta a Catalunya Gesamtzweiter. Beim Critérium du Dauphiné blieb er hinter Chris Froome und Richie Porte, setzte jedoch ein Ausrufezeichen, indem er das Bergzeitfahren gewinnen konnte. Im flachen Zeitfahren wird er Chris Froome unterlegen sein, womit er den Briten in den Bergen wird attackieren müssen. Gemeinsam mit Nairo Quintana könnte er somit eine Allianz bilden. Mit Roman Kreuziger und Rafal Majka hat Contador zudem zwei potentielle Top 5 Kandidaten in seinem Team, die ihm aber vollkommen untergeordnet sind. Zu Spannungen könnte es nur dann kommen, wenn Contador direkt auf der ersten Bergetappe viel Zeit verliert, denn dann wird Weltmeister Peter Sagan eventuell die Teamunterstützung für das Grüne Trikot einfordern.
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Richie Porte (Team BMC)
Der Vierte im Bunde der Tour de France Favoriten ist der Australier Richie Porte. Er fährt seit Beginn des Jahres für den Rennstall BMC aus der Schweiz. Zuvor war er treuer Helfer von Chris Froome und mit der wichtigste Mann in den Bergen. Doch auch Alberto Contador kennt er gut, denn 2010 und 2011 war er Mitglied des Teams Saxo-Bank und damit der Teamkollege des Spaniers. Da er noch keine dreiwöchige Landesrundfahrt als Kapitän fahren und beenden durfte, fällt seine Einschätzung schwer. Bei einwöchigen Landesrundfahrten präsentierte sich Richie Porte in den vergangenen Jahren immer als einer der Topfahrer. Zweimal Paris-Nizza und einmal die Volta a Catalunya sind seine bisher größten Erfolge. In diesem Jahr konnte er bisher nur einen Sieg feiern. Er gewann bei der Tour Down Under die Etappe hinauf zum Willunga Hill, konnte seinen Erwartungen ansonsten aber nicht gerecht werden. Lediglich durch den dritten Platz bei Paris-Nizza stand er dieses Jahr noch einmal auf dem Podium eines Etappenrennens. Dennoch sollte der Australier nicht unterschätzt werden. Hat er seinen Formaufbau genau getimed, dann hat er das Potential dazu, auch eine dreiwöchige Landesrundfahrt für sich zu entscheiden. Im Zeitfahren könnte man ihn hinter Chris Froome als zweitbesten der Top 4 einstufen. Abstriche machen muss Richie Porte jedoch bei der Bewertung seines Teams. Mit Tejay Van Garderen hat er zwar einen potentiellen Top 5 Fahrer an seiner Seite, doch die nächstbesten Bergfahrer im Team BMC sind dann schon Damiano Caruso und Rohan Dennis. Sollte er früh in das Gelbe Trikot schlüpfen, könnte diese Aufgabe für das Team BMC deutlich schwieriger zu bewältigen sein, als für die Teams der drei anderen Favoriten. Richie Porte hat in diesem Jahr erstmals die Gelegenheit, bei der Tour de France eigenen Interessen zu folgen. Diese neue Herausforderung kann Fluch und Segen zugleich sein. Stimmt die Form und behält er die Nerven und die Konzentration, dann ist er ein ganz heißer Podiumkandidat.
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