IKEA Fahrrad Sladda Test: Seit seiner Ankündigung wartet man in Europa mit großer Spannung auf das erste Serienrad von Möbelgigant IKEA. Das Sladda getaufte Zweirad wird ab August sowohl in den Filialen als auch im Onlineshop erhältlich sein. Wir hatten Gelegenheit, den schicken Cityflitzer bereits vor Verkaufsstart unter die Lupe zu nehmen.
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IKEA Sladda: Der Aufbau – Eigeninitiative ist gefragt
Wie man es von IKEA kennt, ist nach dem Auspacken des Sladda direkt Eigeninitiative gefragt: Das Zusammenbauen muss wie bei Billy, Pax und Co. selbst erledigt werden. Doch keine Sorge, denn wir können direkt vorab verraten: Das Sladda lässt sich auch ohne Vorkenntnisse und ohne vorhandenes Werkzeug in kurzer Zeit in einen fahrbereiten Zustand bringen. In dem Karton versteckt sich neben dem Sladda selbst eine kleine Schachtel, in der wir neben der IKEA-typischen Montageanleitung auch das nötige Werkzeug, einen Schnellspanner, Batterielichter für vorn und hinten, einen Mittelständer, das Vorderradschutzblech und einfache Pedale finden.
Das Fahrrad Sladda selbst ist sehr gut verpackt und gepolstert. Das Hinterrad ist bereits eingesetzt, Vorderrad und Sattelstütze müssen ebenso wie der Mittelständer noch selbst montiert werden. Wer noch nie an einem Fahrrad geschraubt hat, dem hilft die wortkarge Anleitung, deren klare Zeichnungen jedoch auch Neulingen die Arbeitsschritte verständlich erläutern. Jegliches für die Montage benötigte Werkzeug liegt bei: Drei Inbusschlüssel und ein Maulschlüssel für verschiedene Größen. Uns kostet der Zusammenbau eine knappe halbe Stunde, weniger versierte Schrauber dürften etwas länger benötigen.
Einige Dinge sind uns während der Montage aufgefallen: Zum einen sind sowohl die meisten Bauteile wie die Anweisungen der Anleitung mit Drehmomentangaben versehen. Damit dürften wohl große Teile der Zielgruppe wenig anfangen können und eine kurze Erläuterung diesbezüglich wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen. Etwas problematisch fanden wir zudem den Einbau des Vorderrads: Sowohl die Achsstummel der Nabe als auch der Schnellspanner sind üppig mit Schmierfett und Öl präpariert – das ist zwar einerseits lobenswert, doch in Verbindung mit der Scheibenbremse besteht hier die Gefahr, dass die Schmierstoffe am Ende auf der Bremse landen und im Betrieb für große Probleme sorgen – hier ist also Vorsicht geboten.
Der Endmontagezustand ist zufriedenstellend – jedoch schleifen sowohl Schutzblech als auch die Scheibenbremse am Vorderrad: Hier könnten Neulinge mit der richtigen Ausrichtung überfordert sein, wenngleich das Sladda natürlich auch ohne diese Feinjustierung fahrbar ist.
IKEA Fahrrad Sladda: Verarbeitung und Komponenten – Licht und Schatten
Kommen wir nun zum Rad selbst: 699€ kostet das Sladda, IKEA Family Card Inhaber kommen sogar noch 200€ günstiger weg. Auf den ersten Blick scheint das in beiden Fällen ein super Deal zu sein: Schließlich kommt das Schweden-Rad mit einem durchaus gelungen Rahmen, einem Riemenantrieb, einer Automatix-Nabe von SRAM und einer Scheibenbremse am Vorderrad. Doch wie sich bei einem genaueren Blick zeigt, kann man auch beim Möbelriesen nicht hexen und so wird schnell klar, wo am Sladda die Kosten eingespart wurden, um den niedrigen Preis zu erreichen – bleiben wir jedoch noch einen Moment bei den positiven Aspekten des Sladda.
Der Rahmen kommt in einem etwas abgetönten, matten Weißton und macht bezüglich seiner Verarbeitung einen recht guten Eindruck. Die Schweißnähte sind sauber, scharfe Kanten oder andere Mängel können wir keine feststellen. Die beiden Schutzbleche erscheinen robust, bestehen aus Aluminium und sind im gleichen Farbton gehalten wie der Rahmen: Optisch macht das IKEA Sladda jedenfalls ganz schön was her. Große Schrauben an der Sitzstrebe und am Steuerrohr weisen auf die universellen Montagemöglichkeiten hin: Rechtzeitig zur Markteinführung im August soll es auch einen Korb für die Front und einen Anhänger für das Heck geben – beides kann im Handumdrehen dank gut erreichbarer aufeinander abgestimmter Aufnahmen montiert werden.
Nun zum Prunkstück des Sladda: Dem Riemenantrieb. Dieser kommt von Continental und bietet gegenüber herkömmlichen Schaltungsketten einige nicht zu unterschätzende Vorteile: Der aus einem speziellen Composite-Material bestehende Riemen benötigt keinen Tropfen Öl oder Fett um geräuschlos zu laufen. Ebenso längt er sich wesentlich weniger stark als Stahlketten. Beides führt zu einem leisen und vor allem fast wartungsfreien Antrieb – egal ob im Sommer oder im Winter. Ähnlich wartungsfreundlich zeigt sich die am Sladda verbaute Schaltung: Die Automatix Nabe von SRAM kommt ohne Schalthebel aus – wie das funktioniert? Eine Fliehkraftkupplung im Inneren wechselt zwischen den beiden verfügbaren Gängen abhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit. Der große Vorteil ist neben der cleanen Optik auch hier, dass die Zweigangnabe meist komplett ohne Wartung auskommt.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist jedoch auch am IKEA Sladda nicht alles Gold, was glänzt: Ein Fahrrad besteht aus mehr als Rahmen und Antrieb und gerade bei den Anbauteilen leistet sich das Rad vom Möbelriesen einige Schwächen, von denen zwei ganz besonders ins Gewicht fallen: Das Cockpit und die Bremsen. Ersteres besteht aus einem höhenverstellbaren Vorbau, einem sehr schmalen Riser-Lenker und aufgeschobenen Hartgummi-Griffen. Vor allem die Lenker-Vorbaukombination machte auf uns keinen allzu beruhigenden Eindruck: Zwar flexen in Winkel- und Höhe anpassbare Vorbauten konstruktionsbedingt immer etwas stärker als einfache Modelle, doch das Aluminium-Spritzgussteil am Sladda neigt sich bei einseitiger Belastung beunruhigend stark nach rechts und links. Ähnliches gilt für den Lenker: Auch dieser erweist sich nicht unbedingt als Steifigkeitswunder und lässt das Cockpit bereits beim ersten Aufsitzen zu einer insgesamt doch recht schwammigen Angelegenheit werden. Die günstigen Griffe fallen dabei nicht so sehr ins Gewicht, auch wenn man hier sicherlich keine Komfortwunder erwarten darf.
Bei den Bremsen setzen die Entwickler des Sladda auf eine Kombination aus mechanischer Scheibenbremse am Vorderrad und Rücktritt für das Hinterrad. Zwar passen beide Bremstypen in das Anforderungsprofil eines wartungsarmen Citybikes, doch erfahrungsgemäß zählen auch beide nicht unbedingt zu den stärksten Vertretern ihrer Art. Bei der Scheibenbremse vorn handelt es sich um eine Kombination aus einer Tektro MD-M280 Bremszange und einem no-name Bremshebel, in den auch eine kleine, aber laute Klingel integriert ist. Schon die Trockenübung im Stand fällt nicht allzu überzeugend aus: Der Bremshebel bewegt sich recht hakelig und eher schwergängig.
IKEA Fahrrad Sladda: Fahrbericht – Hoher Komfort und schwache Bremsen
Okay, das Sladda ist aufgebaut und bereit für seine erste Testfahrt. Wie bereits zuvor erwähnt, müssen wir beim Schutzblech am Vorderrad und bei der Bremse noch etwas nachjustieren, bis alles schleiffrei läuft, dann kann es losgehen. Wie zu erwarten war, sitzt man sehr aufrecht auf dem IKEA-Rad, das ist sehr komfortabel und Geschwindigkeitsrekorde möchte damit wohl ohnehin niemand brechen. Der Antrieb überzeugt: Der Riemen gibt keinen Mucks von sich und verrichtet seinen Job unauffällig. Der automatische Gangwechsel am Hinterrad funktioniert ziemlich gut und zuverlässig, die gewählte Übersetzung ist jedoch in beiden Fällen recht sportlich: Geht es mal etwas steiler bergauf, kommen wir ganz schön ins Schwitzen und ohne Wiegetritt ist ohnehin Schluss – untrainierte Fahrer in hügeligen Regionen sollten sich den Kauf gut überlegen. Apropos Wiegetritt: Hier wird nochmals überdeutlich, was sich schon zuvor abgezeichnet hatte. Das Sladda ist ziemlich „weich“ – das Cockpit flext unter hoher Belastung stark und auch der Rahmen verwindet sich spürbar. Alles nicht allzu tragisch und im Alltagseinsatz für die meisten Fahrer wohl nicht unbedingt spürbar, doch waren wir angesichts des maximal zugelassenen Systemgewichts von 160kg (inkl. Korb und Gepäckträger) doch etwas überrascht. Das Sladda selbst bringt inklusive der mitgelieferten Pedale 15,6kg auf die Waage.
Am meisten zu schaffen machten uns während der Testfahrt die Bremsen. Selbst unser leichgewichtiger Testfahrer benötigte einige Überzeugungskraft, um am Vorderrad eine annehmbare Bremswirkung zu erzielen. Zwar dürfte sich diese während des Einbremsprozesses noch verbessern, liegt aber allenfalls im ausreichenden Bereich. Ähnliches gilt für den Rücktritt: Nach kurzer Eingewöhnung geht das zwar intuitiv, aber um das Hinterrad zu blockieren benötigt es auch hier recht viel Nachdruck. Für gemütliche Fahrten reichen die Bremsen am IKEA Sladda in jedem Fall aus, sobald es jedoch schneller wird oder längere Abfahrten warten, muss etwas vorausschauend gefahren werden.
Die Reifen ohne Aufdruck machen einen ziemlich guten Eindruck: Reflexstreifen, ordentliches Semi-Slick Profil und ca. 42mm breit sorgen sie auch auf Pflastersteinen für den nötigen Komfort, auch wenn man auf eine Pannenschutzeinlage verzichten muss. Auch nach längerer Fahrt fällt vor allem die Geräuschkulisse positiv auf: Die robusten Schutzbleche klappern ebenso wenig wie der Riemenantrieb oder andere Anbauteile.
IKEA Fahrrad Sladda: Fazit
Selten ließ uns ein Rad mit einem ähnlich zwiegespalteten Gefühl zurück wie das IKEA Sladda. Auf der Haben-Seite des Stadtflitzers stehen die wirklich gelungene Optik, der in dieser Preisklasse tolle Antrieb und ein universelles Befestigungssystem für Anhänger, Körbe und Gepäckträger. Das auffällig weiche Cockpit und die schwachen Bremsen trübten während unseres Tests den positiven ersten Eindruck jedoch erheblich.
Ist das Sladda also ein Rad für Jedermann? Das gewiss nicht – allein die sportliche Übersetzung der beiden Gänge dürfte das Schweden-Rad für hügelige oder bergige Gegenden nur für wenige interessant machen. Wer jedoch ein einfaches, schönes, universelles und vor allem nahezu wartungsfreies Rad für eher gemütliches Tempo auf Stadt und Land sucht, dürfte beim Sladda genau richtig sein. Vor allem für Inhaber der IKEA Family Card ist der Preis ziemlich attraktiv: Für 500€ gibt es hier sehr viel Rad für’s Geld. Den Standardpreis von 699€ finden wir jedoch angesichts der erwähnten Schwächen für ein wenig hoch gegriffen.