Test: Das neue Urban E-Bike Specialized Turbo Vado 4.0 wird vorgestellt und Velomotion ist bei einer ausführlichen Testfahrt dabei.
Für E-Bikes waren die sportlichen Amis von Specialized bislang in Europa wirklich nicht bekannt, obwohl es seit fünf Jahren das Specialized Turbo S (hier zum Test) gab, ein S-Pedelec mit Hinterradnabenmotor – später auch ohne „S“ als 25er –, das aber eher selten zu sehen war. Vielleicht auch, weil es nicht wirklich optimal an die Pendler-Praxis angepasst war. Das wollte Specialized jetzt anders machen. „Bike first“ ist laut Product Manager Marco Sonderegger der wichtigste Grundsatz, den man vor die Entwicklung des neuen E-Bikes gestellt hat.
Das rote Specialized Turbo Vado 4.0, das uns und 20 anderen europäischen Bike-Journalisten Anfang Mai in Düsseldorf präsentiert wird, ist optisch vor allem ein sportliches Fahrrad: Der Rahmen fließt in weichen, dynamische Linien, mit für das Unternehmen ungewöhnlich zurückhaltend verwendeten grafischen Elementen. Alle Rohre wirken sehr kräftig, aber nicht plump. Vor allem das leicht gebogene Oberrohr legt Schwung in den Auftritt des Specialized Turbo Vado 4.0. Gesamterscheinung: dynamisch. Das elektrische Antriebssystem ist so weit wie derzeit bei nur wenigen anderen E-Bikes integriert. Der Akku steckt im Unterrohr. Pfiffig: Um auch einen Rahmen mit heruntergezogenem Oberrohr zur realisieren, den Frauen häufig vorziehen, wird der Akku nicht nach oben, sondern nach schräg oben zur linken Seite herausgezogen. Das Muster des nackten Rahmen-Unterzugs, das Entwicklungsingenieur Jonas Reiter uns zeigt, macht deutlich wie viel Entwicklungsarbeit nötig war, um diesen hohen Integrationsgrad zu erreichen. Im Tretlagerbereich dreht sich ein Mittelmotor. Und der hat es in sich!
Produktnews: Specialized mit Pop-Up Store in Düsseldorf – Eröffnungsparty heute 5.Mai
Der Grand Départ in Düsseldorf und die globale Aufmerksamkeit auf den deutschen Radsport nimmt Specialized zum Anlass, mit einem innovativen Retail-Konzept zu experimentieren: Für die Zeit vor, während und nach der Tour de France 2017 launcht Specialized einen temporären Shop im Herzen Düsseldorfs. Der Pop-Up Store öffnet am 5. Mai 2017 und wird für Produkt-Launches, […]
Specialized Turbo Vado – ein Lifestyle-Commuter
21 europäische Journalisten steigen auf ihre rot-schwarzen Vados, um deren Qualitäten in der Düsseldorfer City und im Umland zu testen. Commuter – also Pendler – fahren vor allem längere Strecken; nichts für aufrechte Haltung wie auf einem Citybike. Die Sitzposition auf dem Specialized Turbo Vado ist entsprechend sportlich angehaucht, leicht gestreckt; bequem greifen die Hände auf die Specialized-Griffe am leicht geschwungenen Lenker.
Per ins Oberrohr eingelassenen Knopf wird das System eingeschaltet. Das puristisch gehaltene Lenkerdisplay zeigt im Standardscreen per Balkendiagramm die Unterstützungsstufe (drei mögliche Modi) an, daneben die Geschwindigkeit. Der erste Tritt auf das große Plattform-Pedal, nach sehr kurzem Pedalweg packt der Motor mit an. Sanft, aber bestimmt und unhörbar. Bei der ersten Steigung auf der Radfahrer-Brücke hinüber in die Halbinsel am Hafen zeigt sich: da ist richtig Power drin, die aber sehr gut mit dem menschlichen Antrieb zusammenwirkt. Die ersten paar Meter Stop-and-Go in der City, Bike first: Das Rad läuft so easy wie ein leichtes Trekkingrad. Aber es liegt viel ruhiger auf der Straße: Gelungene Geometrie, das höhere Gewicht eines E-Bikes und der tiefe Schwerpunkt von Motor und Akku machen’s möglich. Das Handling ist harmonisch, die Bedienung intuitiv. Per kleinem Daumen-Satellitenschalter variiert man die Fahrmodi ohne die Hand vom Griff zu nehmen. Um die Ecke oder durch die langgezogene Kurve: Das Vado ist munter dabei, und der Fahrer fühlt sich wohl. Bei den Bordsteinen von Radwegauffahrten macht sich die Federgabel positiv bemerkbar, ansonsten bleibt sie unauffällig. Wer die Unterstützung auf ebener Straße abschaltet oder über die 25er-Marke hinauspedaliert stellt sofort fest: Auch hier passt „Bike first“. Der Motor ist dann entkoppelt, der Radler tritt direkt ins Hinterrad – und pedaliert wie mit einem normalen Fahrrad dahin – andere Mittelmotor-Systeme bauen hier einen enormen Widerstand auf.
Die Motor-Hardware kommt vom Berliner Hersteller Brose, die komplette Software von Specialized. Der Akku mit 504 Wattstunden beimS pecialized Turbo Vado 4.0 stammt von einem großen asiatischen Zulieferer. Bald kann das System per Handy-App noch mehr: „Smart Control“ kann zum Beispiel den Krafteinsatz des Motors an der gewünschten Reichweite orientieren. Man stellt vor Fahrtantritt die gewünschte Reichweite ein (oder die gewünschte Fahrdauer), das System setzt nur so viel Kraft ein, dass diese Vorgabe eingehalten wird. Die Fahrmodi können dann natürlich nicht mehr gewechselt werden, da diese Funktion mit der zu erwartenden Reichweite in Konflikt kommen könnte.
Specialized Turbo Vado 4.0 – das Rad für die Pendler-Praxis
Im neuen, temporären Specialized-Shop fast direkt an der schicken Düsseldorfer Königsallee bekommen wir die theoretischen Grundlagen für den angenehmen ersten Fahreindruck dargestellt: Das Vado ist, so der zweite Grundgedanke der Entwicklung, ganz primär vom Anspruch des Pendlers her entwickelt. Was die Ergonomie betrifft, hat Specialized einen enormen Erfahrungshintergrund, der sich auch in eigenen Komponenten wie Body-Geometrie-Sättel und -Griffe widerspiegelt. Weniger Erfahrung hat man mit den deutschen Vorstellungen vom Pendlerrad; hier hat Specialized seine Hausaufgaben gemacht, das sieht und er-fährt man am Vado.
Ein Muss für ein Rad für die Arbeitsstrecke: Eine praktikable Möglichkeit zur Gepäckbeförderung. Das Vado hat einen schmalen Racktime-Gepäckträger, der unter anderem die Aufnahme von Packtaschen erlaubt. Über das integrierte Adaptersystem können aber auch viele verschiedene Körbe und Taschen oder Boxen mit dem Träger verbunden werden. Dabei ist der Träger über den Radschützer schön in das Rad integriert. In seinem hinteren Abschluss wiederum sitzt das Rücklicht. Auch die feste Lichtanlage ist in der Pendler-Praxis nicht wegzudiskutieren. Im Vado-Träger ist es nur einige Millimeter hoch, aber über die ganze Breite der Trägerreling gezogen und dadurch weit sichtbar. Bei der S-Pedelec-Variante ist hier auch noch ein Bremslicht – die StVZO macht’s nötig –, integriert. Vorn sitzt ein von der Batterie gespeister Scheinwerfer mit aspherischer Linse, der satte 300 Lumen Leuchtkraft bringt. Auch der Ständer am sehr schön gearbeiteten Hinterbau ist für perfekt für den Pendler: steif, auch mit beladenem Träger standsicher.
Dry-Tech: Specialized kann jetzt auch Schutzblech
Aber erst die wettertechnische Anpassung an unsere Breitengrade zeigt, wie sehr sich die Spezialisten wirklich ins Zeug geschmissen haben: Sie haben für die das Turbo Vado spezielle Radschützer entwickelt, weitab vom verkümmerten „Schmuckblech“, das sportfokussierte Unternehmen ansonsten oft verpassen, mit zwei Besonderheiten: Vor allem das vordere Schutzblech ist extrem weit nach unten gezogen, sodass der Fahrer auch bei Pfützenpassagen keine nassen Füße bekommt.
Da so lange Schützer schon mal mit dem Bordstein Kontakt bekommen, sind die letzten etwa 15 Zentimeter separat aus einem flexiblen Kunststoff gezogen, der, setzt der Schützer auf, einfach nachgibt, dann aber wieder in seine ursprüngliche Form übergeht. Zweites Feature: Die Seitenwände der Radschützer wurden im Windkanal geformt. „Dabei ging es uns darum, eine Form zu finden, die verhindert, dass der Vorderreifen viel Wasser unter dem Schutzblech transportiert – das am Ende des Schützers schließlich per Zentrifugalkraft nach oben, ins Gesicht des Fahrers spritzt“. Die neuen Dry-Tech-Schützer sind also an den Seiten so geformt, dass das meiste Wasser bereits vorher über ihre Seiten schnell nach unten geleitet wird.
Ein weiteres Pendler-Feature könnte eine Nabenschaltung sein: Sie ist wesentlich weniger wartungsintensiv als eine Kettenschaltung, und auch die Kette hält mit ihr im Verbund länger. Doch hier winkt man bei Specialized ab: Bei einer Fahrer-Leistung von 100 Watt werden bis zu 320 Watt zugesteuert. Wenn 420 Watt an der Kette zerren, erteilt kaum ein Nabenhersteller die Freigabe für die Nutzung mit diesem Motor.
Das Specialized Turbo Vado ist in großen Teilen keine Weiterentwicklung des Specialized Turbo, sondern ein neues Pedelec. 19 Leute auf drei Kontinenten arbeiten an den Specialized Turbo-Rädern, wie die gesamte E-Bike-Range heißt. Nach dem ersten Eindruck kann sich das Rad nicht nur sehen lassen, es könnte in der einen oder anderen Hinsicht sogar den State of the Art definieren. Der Preis von 3.499 Euro ist für das 25er Spitzenmodell Vado 4.0 unerwartet niedrig, schließlich ist das E-Bike mit vielen neu entwickelten Detaillösungen ein Specialized – und für gute Markennamen zahlt man meist ein bisschen mit.
Specialized Turbo Vado 4.0, wichtigste Daten:
- Rahmen: Aluminium e5
- Federgabel: Suntour NCX, 50 mm Federweg
- Sattel: Specialized Body Geometry
- Bremsen: Scheibenbremsen Shimano mit XT-Hebel
- Reifen: Trigger Sport Reflect, 700 x 47 mm
- Naben mit Steckachsen, 15 mm
- Schaltung: Shimano XT, 11-fach
- Motor: Mittelmotor, 250 Watt
- Batterie: 504 Wattstunden, im Unterrohr integriert
- Web: specialized.com
- Preis: 3.499 Euro