Test Bulls Desert Falcon Disc: Mit seinem Sloping-Rahmen sieht der Wüstenfalke wie ein Komfort-Renner aus, doch Fahreigenschaften und Sitzhaltung sind so sportlich, wie die Ausstattung funktionell ist.
Jahrzehnte lang war das Gewicht beim Rennrad das Maß aller Dinge – wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, dass es das Einzige war, was man messen konnte. Um Dinge wie die Steifigkeit kümmerte man sich im Stahl-Zeitalter kaum; der gemuffte Rennrahmen bot in dieser Hinsicht ohnehin wenig Spielraum. Und abgesehen von ein paar Ansätzen (Seidentrikots, weniger Speichen) wurde auch die Aerodynamik erst Anfang der 1990er Jahre „erfunden“.
Inzwischen ist die Radbranche weiser geworden; das Zauberwort der Gegenwart heißt „Funktion“. Und ein Rad wie das Bulls Desert Falcon Disc hat in dieser Hinsicht so viel zu bieten, dass andere Aspekte schnell nebensächlich erscheinen.
Bulls Desert Falcon Disc – Zauberwort Funktion
Starten wir mit der Geometrie: Auf den ersten Blick mag das Bulls Desert Falcon wie ein Komfort-Renner erscheinen, doch das täuscht. Bei diesem Rad ist nicht das Steuerrohr lang, sondern das Sitzrohr kurz; das Verhältnis von Stack und Reach (Bauhöhe und Sitzlänge) liegt im Bereich sportlicher Rennrahmen. Allerdings wäre das Testrad in Größe 56 bei anderen Herstellern eher ein 58er – bei Cervélo etwa, dessen R-Serie nahezu identisch geschnitten ist. Die passende Rahmenhöhe vorausgesetzt, sitzt man mäßig gestreckt und mit sehr ausgewogener Überhöhung. Es ist eine Haltung, die Einsteiger nicht überfordert und Könner nicht langweilt, zumal man mit Spacern oder Vorbauwinkeln noch den einen oder anderen Zentimeter nach oben bzw. unten herausholen kann.
Ebenfalls sportlich ist das Lenkverhalten; auf den ersten Metern erscheint das Bulls Desert Falcon überaus wendig, fast schon nervös. Verantwortlich dafür ist wohl der Vorbau, der mit 110 mm für die Rahmenhöhe recht kurz ausfällt. Gerade im Wiegetritt ist das sehr angenehm; am Zwölfprozenter zu Beginn der Testrunde tänzelt das Rad munter unterm Fahrer hin und her, wenn man aus dem Sattel geht. Auf dem folgenden Flachstück fällt dann das geschmeidige Rollverhalten der Schwalbe One in 25 mm Breite auf. Dabei ist nicht einmal das aktuelle Modell aufgezogen, sondern die etwas ältere Slick-Variante. Auf den Mavic Aksium ist der Reifen übrigens wirklich 25 mm breit; die Felgen ziehen ihn weniger weit auseinander wie die breiteren Profile, die viele andere Anbieter inzwischen bevorzugen.
Der Aluminiumrahmen des Bulls Desert Falcon wirkt in keiner Situation anders als bocksteif, ist dabei aber ziemlich schlank und mit grazilen Hinterbaustreben ausgestattet. An denen mag es auch liegen, dass das Rad nicht sonderlich hart ist – dabei wurde nicht einmal eine Carbonstütze montiert. Der Komfort stimmt also; wer mehr will, kann 28er und vielleicht auch 30er Reifen nachrüsten – Gabel und Hinterbau bieten recht viel Platz, wie es sich für einen Disc-Renner gehört. Womit wir wieder beim Thema „Funktion“ sind: Gerade Traditionalisten vermissen die klassische Bremszange an Gabel und Hinterbau, doch in Sachen Dosierbarkeit und Bremswirkung bei Nässe sind Scheibenbremsen klar überlegen. Das können wir auf gleich mehreren steilen Abfahrten feststellen, wo verwinkelte Dorfstraßen immer wieder starke Verzögerung fordern: Hinten wie vorne kann man sich angstfrei an die Reifenhaftgrenze herantasten.
Bulls Desert Falcon – unschlagbar: Shimanos Ultegra
Die mit der Bremsanlage kombinierte Ultegra-Gruppe ist in Sachen Funktion ebenfalls kaum zu schlagen. Im Neuzustand läuft die Kette weich und geräuschlos über Ritzel und Kettenblätter; der Gangwechsel geht schnell und leise vonstatten. Nur vorne muss man beim Betätigen der Trimmstufe auf der großen Scheibe etwas aufpassen – drückt man den Taster zu weit durch, fällt die Kette aufs kleine Blatt. Kompakt-Abstufung und 11-28er Kassette reichen für so ziemlich jeden Einsatzzweck aus.
Die Optik des zurückhaltend lackierten Rahmens profitiert von im Unterrohr verlegten Schaltzügen und Bremsleitung; alle drei werden ohne viel Bohei durch eine große Bohrung links am Rohr geführt. Dass die Schaltzüge komplett in Außenhüllen verlegt sind, macht sie verschmutzungsresistent und sorgt für dauerhaft gutes Schaltverhalten. An der Kettenstrebe finden sich sogar angeschweißte Ösen statt Plastikclips, die den Zug eng am Rohr halten. Die Vollcarbongabel des Desert Falcon Disc ist aero-mäßig schmal, bietet jedoch nicht den optischen Luxus einer innenliegenden Bremsleitung. Ebenfalls nicht luxuriös und der einzige funktionelle Makel am Bulls ist die schwer zu bedienende Steckachse am Vorderrad – deutlich einfacher anzuwendende Exemplare gibt es etwa von DT Swiss.
Bulls Desert Falcon: Funktion schlägt Gewicht
Was das Bulls Desert Falcon wiegt, fanden wir erst bei der Rückkehr raus – und waren angesichts des leichtfüßigen, agilen Charakters dieses Alu-Renners überrascht: Ganze neun Kilo sind es ohne Pedale und Flaschenhalter, doch das spürt man weder am Berg noch beim Beschleunigen. Sparpotenzial ist vorhanden, muss aber nicht genutzt werden, denn beim Bulls Desert Falcon schlägt Funktion ganz klar Gewicht. Rennräder, die neue Wege einschlagen, haben ihren Vorfahren nun mal einiges voraus.