Test Storck E:nario: Was herkömmliche Zusatzantriebe nicht schafften, gelingt dem noch jungen Evation-Motor des Münchener Anbieters Fazua recht gut: Rennrad-Feeling plus kräftiger Schub am Berg bei vertretbarem Mehrgewicht.
Epochemachende Neuerungen haben den Rennrad-Traditionalisten schon immer das Leben schwergemacht. Selbst große Innovationen wie das Klickpedal und der Bremsschaltgriff wurden erst einmal abgewehrt („Braucht keiner“), dann ignoriert und irgendwann stillschweigend vereinnahmt. Ähnlich verhielt es sich mit GPS-Radcomputern und elektronischen Schaltungen, und auch das zehnte, elfte und zwölfte Ritzel können ein Lied davon singen: „Was bringt mir jetzt ein Gang mehr?“ fragten die Traditionalisten immer wieder, doch mit dieser Einstellung würden wir noch Fünffach-Zahnkränze fahren.
Nun bricht jedoch eine Ära an, die das Rennrad stärker verändern könnte als alles hier Aufgezählte. Die Fahrrad-Innovation des beginnenden 21. Jahrhunderts könnte der elektrische Unterstützungsmotor werden. Nachdem er sich erst Alltags- und Tourenräder und dann das Mountainbike einverleibt hat, sind nun die Rennmaschinen daran.
Dabei sah es erst danach aus, als sei dies gar nicht möglich. 2011 präsentierte Haibike mit dem „EQ Race“ ein Vorserienmodell mit 350-Watt-Motor und 45 km/h Höchstgeschwindigkeit, das zwar ziemlich schnell war, aufgrund der rechtlichen Einschränkungen für S-Pedelecs aber nicht praxistauglich. Das neue Cannondale Synapse Neo macht mit seinem widerstandsarmen „Bosch Active“-Motor, der bis 25 km/h unterstützt, schon mehr Sinn – die echte Leichtigkeit des Rennradfahrens wollte sich bei einer Probefahrt aber doch nicht einstellen, nicht zuletzt wegen des relativ hohen Fahrzeuggewichts. Das macht sich nämlich spätestens dann bemerkbar, wenn die 25-km/h-Schwelle überschritten wird, und verwandelt den Bosch-Renner (wie jedes Pedelec) in ein ziemlich schwerfälliges Gefährt.
Harmonisches E-Rennradeln dank Fazua?
Aufatmen bei den Traditionalisten also – doch nur kurz, denn ein noch junger Anbieter hat sich angeschickt, den Markt für sportliche Elektroräder zu beleben. „Fa’ zua!“, schallt es in Bayern an der Kreuzung, wenn man bei Grün nicht schnell genug vom Fleck kommt – und Fazua heißt der Erfinder des „Evation“-Motors, der eine innovative Lösung für Zusatzantrieb und Akku anbietet und nebenher ein ganz neues Fahrgefühl kreiert hat.
Akku wie Antrieb haben eine ziemliche Odyssee am Bike hinter sich. Frühe Tourenbikes führten die Batterie am Gepäckträger spazieren und wurden von einem Nabenmotor im Vorderrad gezogen; beliebt war lange Zeit die Kombination von Nabenmotor hinten und Akku am Unterrohr – etwa an den ersten E-MTBs. Als Standardlösung für Alltagsräder galt der Mittelmotor mit Akkupack hinterm Sitzrohr, und heute scheint sich die Kombination von Tretlagerantrieb und Intube-Akku durchzusetzen.
An dieser Stelle setzt Fazua an. Die Münchener verstecken nicht nur die Batterie im Unterrohr, sondern packen den Motor gleich dazu – in einer schlanken Einheit, die komplett entnommen werden kann. Am Rahmen verbleibt dann lediglich ein Winkelgetriebe, das die Kraft des Antriebs auf die Tretlagerwelle bringt – und natürlich die Bedieneinheit am Lenker, deren zwei Tasten den Wechsel der Unterstützungsmodi erlauben.
Dass diese Antriebseinheit ausgesprochen kompakt und leicht ist, liegt auf der Hand. Beim Testrad sind es genau 3.280 Gramm, wozu man den Schalter am Lenker und das rahmenfeste Getriebe addieren muss, das laut Hersteller gut ein Kilo wiegt. Klar scheint auch, dass dafür Opfer in Form der Reichweite gebracht werden müssen. Mit 250 Wattstunden ist die Kapazität der Akkus vergleichsweise gering – eine Aussage, auf die später noch zurückzukommen sein wird.
Was das Fazua-System abgesehen von seiner Bauweise einzigartig macht, ist jedoch das Planetengetriebe in der Antriebseinheit, das den Motor oberhalb von 25 km/h unmerklich und komplett vom Tretlager entkoppelt. Wenn der Fahrer dann in die Pedale tritt, bewegt er zwar noch das Winkelgetriebe mit sowie das Sternrad, das die Verbindung zum Motor herstellt, aber sonst nichts. Das bedeutet, dass der Fazua-Antrieb oberhalb des Regelbereichs praktisch widerstandsfrei ist – und dadurch wird elektrisch unterstütztes Rennradfahren, das sich ja in ebenem Gelände meist oberhalb von 25 km/h abspielt, überhaupt erst möglich.
Das neue Storck E:nario – Rennrad? E-Bike? Beides?!
Soweit die Theorie – wie sich der Fazua-Antrieb auf der Straße bewährt, konnte Velomotion anhand des brandneuen Storck E:nario feststellen. Der mit hochwertigen P1800-Laufrädern von DT Swiss und Shimano-Ultegra-Komponenten ausgestattete Carbonrenner gehört mit 4.800 Euro zu den eher preiswerten Fazua-Bikes. Der große Reifendurchlauf vorne und hinten erlaubt es, das Rad mit knapp zwei Zoll breiten Reifen auszustatten, womit es zum vollwertigen Gravelracer mutiert – so fährt Markus Storck selbst dieses Rad, und auch Co-Tester und Radprofi Florian Nowak zog aus dieser Kombination viel Fahrspaß. Ich dagegen bin vor allem daran interessiert, wie sich der Antrieb auf Asphalt schlägt, und montierte 30er Schwalbe G-One Speed auf die Tubeless-Felgen.
Erst einmal der Gang zur Waage: 13,17 Kilo wiegt der Elektro-Renner, dazu kommen noch einmal rund 300 Gramm für Pedale und Flaschenhalter. Für ein Rennrad ist das üppig, für ein E-Bike dagegen rekordverdächtig wenig. Baut man die Antriebseinheit aus, reduziert sich das Gewicht auf knapp zehn Kilo ohne Pedale, wobei man eine Abdeckklappe für den Schacht im Unterrohr aufschlagen muss. Und damit wäre das unmotorisierte Rad annehmbar leicht.
Abgesehen vom dicken Unterrohr macht sich der Zusatzantrieb nur durch einen etwas klobigen Tastenblock am Lenker bemerkbar, der mit elf Leuchtpunkten versehen ist. Diese zeigen den Akkustand und wechseln je nach Unterstützungsmodus die Farbe. Eine An/Aus-Taste fehlt – um den Antrieb zu aktivieren, muss man den etwas schwergängigen Entriegelungsknopf am Unterrohr betätigen und die Antriebseinheit ein Stück weit herausfallen lassen. Hintergrund ist, dass der Antrieb nach einigen Stunden in den Schlafmodus fällt; könnte man ihn mit dem Tastenblock wecken, würde ständig Strom fließen und den Akku schwächen.
Ein typisches Merkmal von Tretlagermotoren findet sich auch am Fazua-Rad: Es verfügt über einen Frontfreilauf; wenn ich die Kurbeln nach hinten kreiseln lasse, stehen die Kettenblätter still. Im Fahrbetrieb fällt das freilich nicht weiter auf.
Typisch Storck ist die sportliche Sitzgeometrie mit 160er Steuerrohr und 582 mm langem Oberrohr bei Rahmengröße L. Drei Spacer unterm Vorbau entschärfen die Sitzhaltung etwas, dafür muss ich die stark flexende Sattelstütze im Laufe der Testfahrt gut 2 cm weiter ausziehen, um ihren „Negativfederweg“ auszugleichen. Stütze und 30-mm-Reifen sorgen auf Anhieb für viel Komfort auf dem Elektro-Renner.
Storck E:nario: Gemäßigte Motorunterstützung – großer Effekt
Erst einmal geht es natürlich um den Antrieb, und der ist schon bei den ersten Pedaltritten spürbar. Im stärksten Modus schiebt er kräftig an, um dann unmerklich rauszunehmen – kein Rucken zeigt das Abklingen der Unterstützung an; wie versprochen rolle ich leichtfüßig aus eigener Kraft dahin. Das allerdings bereits ab 24,3 km/h, wie der GPS-Tacho anzeigt – bei diesem Tempo ist keine Unterstützung mehr fühlbar.
Mit rund 27 km/h fahre ich flach an der Bahnstrecke entlang; der entkoppelte Antrieb ist nicht zu spüren. An einer Kreuzung muss ich bremsen, was mit den starken Shimano-Discs eine leichte Übung ist; zum Beschleunigen bleibe ich einfach sitzen und genieße den Schub des Fazua-Aggregats. So geht das bis zum ersten Anstieg – gut 1,5 Kilometer mit 105 Meter Höhendifferenz und teils zweistelligen Steigungsprozenten. Bei mittlerer Belastung brauche ich für die Kletterpartie rund sechs Minuten; mein persönlicher Rekord liegt laut Strava bei 4:49 Minuten. Das motorisierte Storck macht jedoch kurzen Prozess mit dieser Bestzeit: Kaum mehr als viereinhalb Minuten benötige ich, um mit mäßiger Anstrengung das Plateau zu erreichen. Kein Wunder mit maximal 400 Watt zusätzlicher Leistung, die ich freilich nur zu einem geringen Teil abrufen muss – rund 150 Extrawatt genügen, um an dem kurzen, steilen Anstieg eine Minute zu gewinnen. Das lässt bereits Rückschlüsse auf die mögliche Reichweite des 250-Wh-Akkus zu, denn der Antrieb muss gar nicht mal stark gefordert werden, um ein deutliches Geschwindigkeitsplus zu ermöglichen.
Flach bis wellig geht es nun dahin, und mein erster Eindruck verfestigt sich: Solange ich im Sattel bleibe und rolle, fühlt sich das E:nario wie eine normale Rennmaschine an; bergauf ist bei gewohnter Belastung ein deutlich höheres Tempo drin. Die schnelle Abfahrt hinunter ins Ahrtal nach Dernau bringt eine weitere Eigenschaft des E-Renners ans Licht: Auf den breiten, sicheren Grip bietenden Schwalbe-Reifen läuft das Storck wie auf Schienen bergab; mein Eindruck ist, dass die tief angeordnete Antriebseinheit die Straßenlage verbessert – etwas, das bei E-MTBs immer wieder hervorgehoben wird.
Nun steht ein weiterer Anstieg an: Knapp 2,6 Kilometer mit 137 Klettermetern, wiederum mit teils zweistelligen Steigungsprozenten. Ich lege es nicht drauf an, sondern fahre die Steigung im gewohnten Rhythmus, so dass ich mich zwar ordentlich anstrenge, aber nicht verausgabe. Später am Rechner stell ich fest, dass ich mir selbst fast zwei Minuten abgenommen habe – als „Der mit dem Elektrorad“ stehe ich mit 7:15 auf Platz neun im Strava-Klassement, ohne Motor auf Platz 122…
Storck E:nario: Kein Roller-Spezialist
Bis hierhin gibt es also nur Lob für den Münchener Antrieb und seinen Storck-„Wirt“, doch ganz ohne Nachteile ist ein motorisiertes Rennrad nicht zu haben. Das zeigt sich auf einem zügig gefahrenen Flachstück mit leichten Wellen, an denen ich kurz in den Wiegetritt wechseln will – und das hat das E:nario gar nicht gern. Wo sich eine leichte Rennmaschine spielerisch hin und her bewegen lässt, ist das Fazua-Bike träge und störrisch – kein Wunder bei vier Kilo Mehrgewicht an Unterrohr und Tretlager.
Es folgen noch einmal 35 Höhenmeter, die ich mit knapp 24 km/h im Regelbereich absolviere (statt der gewohnten 19 bis 20). Wenn jetzt eine Attacke käme, könnte ich ihr nur mit Mühe folgen – die Spritzigkeit eines Sieben-Kilo-Renners geht dem E:nario definitiv ab. An dieser Stelle tritt auch das mögliche Einsatzgebiet des Elektro-Renners klar hervor: In seinem Element ist es, wenn sich steile Anstiege – jedenfalls solche, die man mit nicht mehr als 20 km/h fährt – mit schnell fahrbaren Abfahrten abwechseln. „Rollerberge“, die auf dem großen Blatt absolviert werden, verträgt das Rad nicht – bei intensiver Belastung möchte man nicht über die Motorunterstützung hinauskommen, denn dann macht sich schnell das Zusatzgewicht bemerkbar. All dies gilt jedoch nur, wenn man sich mit unmotorisierten Rennradlern messen will – wer solo fährt, passt seine Geschwindigkeit eben den Gegebenheiten an.
Dass das Fazua-Rennrad fast ausschließlich bergauf die Kraft des Zusatzantriebs abruft, wirkt sich natürlich auch auf die Reichweite aus, die es aus dem 250-Wh-Akku ziehlt. Konventionelle E-Bikes lassen sich kaum ohne Motor fahren, verbrauchen also permanent Strom – ohne einen großen Akku mit 500 Wattstunden und mehr geht’s also nicht. Im Umkehrschluss heißt das, dass der knapp bemessene Speicher des E-Renners je nach Streckenprofil für 50 bis 100 Kilometer gut sein könnte. Rein rechnerisch lassen sich zweieinhalb Stunden lang konstant 100 Watt abrufen, und das ist eine ganze Menge – damit mutiert man vom Hobbyfahrer zum gut trainierten Radamateur. Nach meiner 57-km-Testrunde, mit gut 530 Höhenmetern nicht übermäßig anspruchsvoll, ist der Akku jedenfalls noch fast halbvoll.
Fazua nur für’s Rennrad? Von wegen!
Hohe Intensitäten bergauf, moderates Tempo im Flachen und bergab rollen lassen – diesen Dreiklang erleben Radsportler natürlich auch auf dem Querfeldeinrad bzw. Gravelbike. Dass mein Test-E:nario mit breiten Geländereifen ausgeliefert wurde, war daher keineswegs ein Versehen. Das führt zu einem weiteren Einsatzzweck, den Radhersteller Focus mit seiner ersten Fazua-Studie andeutete: Wer als Bikepacker mit Gepäck unterwegs ist, kann von dem Antrieb natürlich auch profitieren. An dieser Stelle kommt ein weiterer Vorteil des Antriebs ins Spiel: Der 1,3 Kilo schwere Akku kann mit einem Handgriff von der Antriebseinheit abgezogen werden, ein Ersatzakku kostet kaum mehr als 400 Euro. Radreisende können also relativ problemlos ihre Reichweite verdoppeln.
Abseits von Sport und Freizeit ist der Münchener Antrieb ebenfalls interessant. Für flotte Fahrradpendler, die bisher nur die Wahl zwischen einem maximal 25 km/h „schnellen“ E-Bike und einem unpraktischen S-Pedelec hatten, ist der Fazua-Motor wie geschaffen – in der Ebene rollen sie aus eigener Kraft zügig dahin, und am Berg oder bei starkem Gegenwind nutzen sie die Unterstützung. Auch die Option, das Rad mit ausgebauter Antriebseinheit zu nutzen, könnte diese Klientel interessieren – etwa, wenn man am Wochenende sportliche Touren unternimmt. Regenjacke und Minipumpe passen dann ins praktische Gepäckfach, das durch das Weglassen des Antriebs entsteht. Entsprechende Modelle von diversen internationalen Herstellern lassen sich auf der Fazua-Homepage bewundern; die deutschen Anbieter haben derzeit leider nur die sportliche Nutzung im Sinn.
Leider, denn ein mäßig fitter Radsportler wie ich selbst profitiert kaum vom E-Renner, was schon die Daten meiner Testfahrt zeigen: Ohne Motor lege ich dieselbe Strecke nämlich mit der exakt gleichen Geschwindigkeit zurück. Bei subjektiv gleichem Belastungsgefühl bin ich auf meinem Standard-Rennrad bergauf natürlich deutlich langsamer, dafür in vielen Situationen flotter unterwegs. Auf wirklich bergigen Strecken dürfte das anders sein, aber dort kommt das sportliche Selbstverständnis ins Spiel. Warum Anstiege fahren, die ich aus eigener Kraft nicht oder nur deutlich langsamer absolvieren könnte? Doch aus dieser Diskussion halte ich mich raus – jeder kann selbst entscheiden, ob für ihn (oder sie) der Motor am Rennrad die nächste große Innovation nach Klickpedal und Bremsschaltgriff ist. Eine große Innovation am E-Bike-Markt ist das Fazua-System in jedem Fall.