Markt: Die Briten haben sich gerade (stand Mitte März 2019) gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen entschieden. Nun soll die Premierministerin Theresa May die EU um eine Verschiebung des Austrittstermins bitten. Zumindest hat das Parlament so gestimmt. Denn was wer möchte, ist nicht wirklich klar, die Situation eher unübersichtlich. Was bedeutet das eigentlich für die Radfahrer und die Fahrradindustrie?
Während Abstimmungen rund um das Thema teilweise knapp ausgehen – mit 312 zu 314 Stimmen wurde etwa ein Vorschlag abgelehnt mit dem das Unterhaus eine Debatte über die Brexit-Optionen hätte erzwingen können – scheint der Austritt der Briten aus der EU festzustehen. Nur 85 der über 600 Abgeordneten befürworteten die Neuauflage einer Abstimmung über den möglichen Verbleib Großbritanniens in der EU. Ein „No Deal Brexit“, also der ungeordnete Austritt, soll aber verhindert werden. Kein Wunder: Er wäre vermutlich ein Desaster für Großbritannien und zumindest sehr unangenehm für die EU.
Wir haben uns bei einigen Firmen in der Radbrache umgehört: Muss man sich als Radfahrer auf Brexit-Probleme einstellen?
Wie unklar die Situation für alle beteiligten ist, wird klar, wenn man Henning Voss, Kopf der Voss-Spezial-Rad GmbH, und Brompton Vertrieb Deutschland anhört: „Eine Option ist ein Brexit mit verlängerter Übergangsregelung, Das heißt, hier würde wohl die Übergangszeit zum Aufatmen genutzt werden. Inwiefern vertretbare Regeln für den Brexit herauskommen, bleibt dann abzuwarten, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“
Christian Höfler von VeloVeritas, deutscher Vertrieb von Orange Bikes: „Natürlich verfolgen wir den Brexit Vorgang kontinuierlich und schauen immer wieder, welche Veränderungen auf uns zukommen könnten oder nun auch werden. Wir sehen dem Brexit insgesamt relativ gelassen entgegen, wenn auch die Abwicklung der Lieferungen in die EU-Länder nun etwas mehr Papierkram bedeutet.“ Mit dieser Problemstellung hat man bei Velo Veritas Erfahrung. „Diese Art der Abwicklung haben wir bisher auch bei Lieferungen in die Schweiz und andere Länder in denen wir Orange Bikes vertreiben. Ein Orange Bike in die Schweiz zu schicken kostet uns zum Beispiel umgerechnet zwölf Schweizer Franken mehr als der bisherige Versand in die EU-Mitgliedsstaaten.“
Robin Warne von Hope meint: „Das Problem ist, dass wir derzeit nichts Konkretes wissen. Es bedeutet einfach, dass Firmen aus der Branche, wie Hope, mit großen Exportmärkten Pläne für alle Fälle machen müssen. Das haben wir auch gemacht, da uns die Geschäftspartner und Endkunden auf dem Festland ebenfalls sehr wichtig sind.“ Natürlich wollen die Hersteller ihre Kunden behalten.
Henning Voss, Kopf der Voss-Spezial-Rad GmbH, und Brompton Vertrieb Deutschland sieht selbst im Falle eines harten Brexits keine Katastrophe auf sich zukommen: „Kennt man Engländer, so weiß man, dass diese (zu recht) stolze Nation auch einen harten Brexit als Option in Kauf nehmen wird. Die Folge wären zunächst unkalkulierbare Lieferzeiten und ein Preisanstieg der wohl zwischen fünf und 15 Prozent ausmachen kann, für den Fall, dass Drittland-Zölle seitens der EU erhoben werden.“
Christian Höfler hält die Probleme ebenfalls für überschaubar: „Die Mehrkosten sind wirklich übersichtlich, deshalb wird es auch bei uns zunächst keine Preisanpassung geben. Ob wir in Zukunft nachsteuern müssen, zeigt sich später. Ein ungeordneter Brexit würde wohl vor allem die Lieferzeiten stark beeinflussen. Derzeit benötigen Lieferungen drei Tage von Halifax bis zum Händler, dies wird zu Beginn von den Lieferdiensten wahrscheinlich nicht zu halten sein. Aber wer weiß, nach den Entwicklungen der letzten Tage werden sich einige schlaue Köpfe bei den Lieferdiensten und Speditionen Gedanken über das Bevorstehende machen, und es wird Lösungen geben …“
Das bestätigt auch Robin Warne: „Wir können nichts mehr für das endgültige Resultat machen, aber wir werden auf jeden Fall dafür sorgen, dass wir diese Märkte nach wie vor gut bedienen.“
Wir schließen uns Herrn Voss in einem Punkt an, denn er sagt: „In jedem Fall bedauere ich sehr, dass England bald nicht mehr Mitglied der EU sein wird.“