Im E-Bike-Test 2020 der Stiftung Warentest werden zwölf City E-Bikes bewertet und unter anderem drei Bestsellern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Doch was ist dieser Test in der Praxis eigentlich wert?
Brandgefahr am E-Bike, gerissene Rahmen, Schadstoffe – die Prüfer der Stiftung Warentest gehen einmal mehr mit modernen E-Bikes hart ins Gericht und suggerieren den Lesern, dass ein E-Bike auch 2020 noch ein Gefährt ist, dem man sich mit Vorsicht nähern sollte. Dass diese Herangehensweise an einen Fahrradtest und die Bewertungen bedenklich sind, ja sogar fahrlässig sagt niemand. Stattdessen ist das Internet schon am Tag des Erscheinen des Tests voller Schreckensmeldungen. Selbst die Stiwa selbst benennt ihr Youtube-Video zum Test ganz reißerisch und wenig neutral: „Brandgefahr, Rahmenrisse, Schadstoffe“
Aus Bestsellern und tausendfach verkauften E-Bikes werden Gefahrenherde
Es ist unstrittig, dass es nicht die Aufgabe der Stiftung Warentest ist den Umsatz im Fahrradhandel voran zu treiben oder dem Leser zu vermitteln wie gesund es ist aufs E-Bike umzusteigen. Dennoch muss gesagt werden, dass es sich bei den E-Bikes des Testfeldes – und insbesondere bei den mangelhaften E-Bikes – um absolute Bestseller handelt, die sich in der Praxis tausendfach bewährt haben. Das Flyer Gotour6 bspw. Wird auf die Note 4 abgewertet, da nach 20.000, auf einem Prüfstand simulierten, Kilometern Mikrorisse in einer Schweißnaht beobachtet wurden. Ein Mangel, ganz klar; ein Mangel allerdings, der in der Praxis kaum Konsequenzen haben dürfte. Erstens werden die allerwenigsten Anwender innerhalb kurzer Zeit 20.000 km auf ihrem E-Bike zurücklegen, zum anderen würde ein Rahmen mit diesen Mängeln von einem seriösen und extrem auf Qualität achtenden Hersteller, wie Flyer, ohne große Bürokratie ausgetauscht werden.
Ist die Entflammbarkeit des Steckers wirklich das entscheidende Kriterium?
Den beiden E-Bikes von Kettler (Paramount 10G) und Kalkhoff (Endeavour 5.S Move), die auf die Note 5 abgewertet wurden, wurde eine nicht bestandene Brandsicherheitsprüfung zum Verhängnis. Bei dieser Prüfung werden (entsprechend der Norm EN 60335 Abschnitt 30) die Bauteile einer Glühdrahtprüfung unterzogen. Wie exakt beim Test vorgegangen wurde wird nicht dargelegt, es handelt sich jedoch um Temperaturen zwischen 550 und 850°C denen die Bauteile in regelmäßigen Intervallen ausgesetzt sind. Wie man (zumindest in den obigen Normen) auf die 750 °C (bei beaufsichtigtem Betrieb – unbeaufsichtigt sogar bis 850 °C) für die (Glühdraht)Entzündungstemperatur kam, lässt sich nicht nachvollziehen. Zumindest aus der Ferne betrachtet, erscheint das sehr hoch. Der Schmelzpunkt von Aluminium liegt bspw. bei 660 °C. Alle Halbleiterelemente würden sich thermisch schon bei wesentlich niedrigeren Temperaturen verabschieden. Aus sich heraus müssten z.B. Stecker sehr hochohmig sein, um eine derartige Verlustwärme (Joulesche Wärme) zu produzieren. Im Test geht es aber natürlich um Fremdeinwirkung (Nähe bis zu 3 mm). Was im Praxisbetrieb so heiß werden soll? Wir wissen es nicht. Wenn sich bspw. ein Akku entzünden sollte, hat man bestimmt andere Probleme als die Kontaktentflammbarkeit des Steckers.
Man will es nicht unterstellen, doch der Gedanke liegt nah, dass hier einmal mehr der Effekt „E-Bikes sind gefährlich, die können brennen!“ der „befeuernde“ Gedanke der Testredaktion war. Dieser Test macht so einfach was her und dass das ein oder andere Bike den Test nicht bestehen würde war abzusehen.
Wir wollen der Stiwa auf keinen Fall absprechen so testen zu dürfen, was wir jedoch klar kritisieren ist die Abwertung aufgrund derartiger „Mängel“ auf mangelhafte Noten, die in der Wahrnehmung des Kunden gleichbedeutend sind mit „auf keinen Fall dieses E-Bike kaufen!“ Gerade kleineren Marken kann ein Testergebnis mit Mangelhaft durchaus das Genick brechen – ein Gedanke, den sich Stiwa-Tester vielleicht auch mal vergegenwärtigen sollten.
Stellungnahme der Marke Kettler
Der Pressesprecher der Marke Kettler äußert sich auf unsere Nachfrage zum Test folgendermaßen: „Mit mehr als 40 Jahren Bike- Know- How „Made in Germany“ halten wir seit jeher nicht nur die gesetzlichen Vorschriften ein, sondern testen unsere Fahrräder und E-Bikes weit über die – aus unserer Sicht – teilweise nicht mehr zeitgerechten Normen. Selbstverständlich hat auch das Kettler Paramount 10G diese Tests erfüllt. Dementsprechend sind uns seit dem Verkaufsstart im Jahr 2017 keinerlei Probleme mit dem Steckergehäuse des Akkus bekannt, wie sie die Stiftung Warentest beschreibt.
Die Kettler Alu-Rad GmbH steht für Qualität. Unser Anspruch ist die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Produkte. Dies spiegelt sich in unseren aktuellen Modellen wie dem Quadriga CX10 (ab 2.999 €, gewann Anfang des Jahres 2020 den renommierten „Bike of the Year Award“ in Belgien) wider. Die hohe Qualität unserer Produkte zeigt sich im Übrigen auch im letzten E-Bike Test der Stiftung Warentest von 2018, bei dem das Kettler Traveller E-Gold mit der Note Gut (1,8) hervorragend abschnitt.“
Die getesteten E-Bikes im Überblick
- KTM Macina Tour 510 – Note 1,7
- Stevens E-Courier PT5 – Note 2,3
- Pegasus Premio Evo 10 lite – Note 2,4
- Raleigh Kent 9 – Note 2,4
- Falter E 9.8 KS Wave – Note 2,8
- Winora Sinus i9 – Note 2,8
- Kreidler Vitality Eco 7 – Note 2,9
- Fischer City 6.0i – Note 4,0
- Flyer Gotour 6 – Note 4,0
- Qwic Premium i MN7+ – Note 4,2
- Kalkhoff Endeavour 5.S Move – Note 5,0
- Kettler Paramount 10G Note 5,0
Velomotion setzt im Gegensatz zur Stiftung Warentest auf Praxistests
Einige der Räder aus diesem Testfeld (Pegasus, Kettler, Kalkhoff, Raleigh, Winora, KTM, Flyer) haben wir auch in der Velomotion-Redaktion bereits im Test gehabt. Darüber hinaus viele hundert E-Bikes mehr in den vergangenen Jahren. Ein Testkriterium, auf das wir allerhöchsten Wert legen und das bei der Stiftung Warentest regelmäßig außen vor bleibt, ist die Fahrpraxis. Ein erfahrener Bike-Redakteur hat viele tausend Kilometer im Sattel verschiedenster Fahrräder hinter sich und kann damit ein Fahrrad oder E-Bike viel aussagekräftiger beurteilen als es ein Laborprüfstand könnte. Auch bei unseren Tests treten Materialfehler auf – doch noch bisher nie in Form eines gefährlichen Rahmenbruches oder gar eines entstehenden Brandes. Bei sachgemäßem Umgang mit einem E-Bike gehört dieses, trotz aller Schreckensmeldungen über tödliche Unfälle und sich entzündende E-Bike-Akkus, zu den sichersten Verkehrsmitteln überhaupt – und das gesündeste ist es sowieso.