Test Flyer Goroc4: Viel Potenzial statt Nische: Mit dem Goroc4 4.10 stellt E-Bike-Pionier Flyer ein Trekking-Fully vor, das sich bei der Alltagsnutzung ebenso bewährt wie im Gelände. Im Test hat sich Velomotion das Schweizer SUV mit gutem Gewissen genauer angesehen.
Immer mehr Technik, immer mehr Möglichkeiten: Die Welt der Fahrräder und E-Bikes wird zusehends vielseitiger, die Modellvielfalt größer. Die daraus entstehende Wahlfreiheit kann freilich auch verunsichern: Wie finde ich das richtige Rad für mich, und was verpasse ich vielleicht, wenn ich mich entscheide?
Flyer Goroc4 4.10: Alleskönner statt Spezialist
Diesen Fragen haben sich die Hersteller auch gestellt. Und so finden sich neben den vielen Spezialisten auch immer mehr Alleskönner – das beste Beispiel ist das Gravelbike, das die Grenzen zwischen Rennrad und Touren-MTB verschwimmen lässt. Wobei sich gerade E-Bikes in Sachen Vielseitigkeit anbieten, denn aufgrund des Zusatzantriebs machen sie manchen Kompromiss unnötig, der bei unmotorisierten Fahrrädern zu Problemen führt. So ist das Gewicht nebensächlich, und auch in Sachen Leichtlauf muss man sich nicht allzu viele Gedanken machen. Warum also nicht auf allen Wegen eine Vollfederung mitführen? Man weiß ja nie, wann man sie braucht. Und warum nicht auch im Alltag auf voluminösen, griffig profilierten Reifen unterwegs sein? Kann ja sein, dass sich an den Heimweg noch eine spontane Offroad-Tour anschließt.
Wer sich von solchen Gedanken angesprochen fühlt, outet sich als Kandidat oder Kandidatin für das Flyer Goroc4. Mit dieser Modellreihe haben die Schweizer Pedelec-Pioniere einen wahren Wanderer zwischen den Welten geschaffen – ein Bike, das sich im Gewühl und Lichterglanz der Großstadt ebenso wohlfühlt wie weit draußen in freier Natur, auf beschatteten Waldwegen, über karge Hochflächen und in verblockten Abfahrten.
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Viel Schub mit hohem Drehmoment
Gegensätze, die sich durchaus vereinen lassen – die moderne Technik macht’s möglich. Erst einmal braucht es natürlich einen drehmomentstarken Antrieb, den hier Panasonic beisteuert – eine klassische Kombination, setzt Flyer doch seit jeher auf den ausgereiften Mittelmotor. Der GX Ultimate ist mit einem Drehmoment von 90 Nm auf viel Leistung am Berg ausgelegt; im Stadtverkehr sollte er mit eher niedriger Unterstützungsstufe gefahren werden. Im Alltag ist der Antrieb perfekt für schaltfaule Radler, die im großen Gang anfahren wollen – etwas Kraft auf dem Pedal genügt, um dem Aggregat eindrucksvollen Schub zu entlocken. Wirklich gebraucht wird das hohe Drehmoment dann an Steilstücken im Gelände. Zu schwach motorisierte E-Bikes werden hier immer langsamer oder fahren die Unterstützung sogar aktiv zurück, um einer Überlastung entgegenzuwirken – dann ist im ungünstigsten Fall Schieben angesagt.
Mit dem Panasonic GX Ultimate ist das nicht zu befürchten – dank einer Akku-Kapazität von wahlweise 630 oder 750 Wattstunden auch nicht auf längeren Touren. An den guten Klettereigenschaften wie am furiosen Abfahrtsdrang hat natürlich auch das Fahrwerk seinen Anteil: Flyer stattet sein Crossover-Model mit einer langhubigen, sensibel ansprechenden Luftfederung an, deren 140 mm Federweg vorne wie hinten sich vor keinem AllMountain-Fully verstecken müssen. Dazu kommen satte 2,35 Zoll breite Stollenreifen, die sich auch in lockerem Geröll festbeißen und Traktion satt bieten. Ihr Rollwiderstand auf Asphalt? Geschenkt, denn anders als beim „Bio-Bike“ muss man sich auf dem Flyer Goroc4 keine Gedanken um eventuelle Leistungsverluste machen.
Vom starken Motor profitiert übrigens auch die Funktion der Federung: Zum einen muss der Offroad-E-Biker eigentlich nie in den Wiegetritt wechseln; es sind also keine aufwendigen Konzepte nötig, um unerwünschtem Einfedern entgegenzuwirken. Und zum anderen erleichtert die Tatsache, dass diese E-MTB (wie so ziemlich alle anderen auch) mit nur einem Kettenblatt auskommt, die Konstruktion der Hinterbauschwinge. So kann sich das Fahrwerk von allen Kompromissen freimachen und einfach für Komfort, Traktion und Fahrsicherheit sorgen.
Und wie lassen sich 140 mm Federweg mit der Alltagsnutzung vereinbaren? Gut, wenn man es wie Flyer macht und eine absenkbare Sattelstütze spezifiziert. Denn natürlich schwebt das Tretlager bei einem Fully recht hoch überm Boden, was beim Auf- und Absteigen unpraktisch sein kann – nicht aber, wenn man je nach Rahmengröße um 100 bis 150 mm im Sattel nach unten fahren kann.
Gut integrierte Alltags-Technik
Überhaupt, die Alltagsnutzung. Dass das Flyer darauf ausgelegt ist, merkt man auf den ersten Blick: Unübersehbar prangen Seitenständer und Gepäckträger am Hinterbau, schon etwas unauffälliger sind die recht eng sitzenden Schutzbleche, und der am Vorbau montierte Supernova-Scheinwerfer fällt nur dann auf, wenn er eingeschaltet ist – nämlich mit eindrucksvoller Lichtfülle. Besonders der Gepäckträger ist geschickt integriert: Er wird nicht direkt am Hinterbau befestigt, sondern an speziellen Ausfallenden für die Steckachse. Da der identische Rahmen für reine Offroad-Modell Uproc verwendet wird, muss der Hersteller nur andere Ausfaller montieren; auffällige Gewindebohrungen am Hinterbau fallen damit weg.
Wird mit Gepäck gefahren, arbeitet die Hinterbauschwinge natürlich nicht ganz so feinfühlig; komfortabel ist das Goroc4 jedoch auch auf Touren mit Taschen am Heck. Was übrigens auch für die Bedienung gilt: Die 1×10-Kettenschaltung lässt sich gewohnt präzise bedienen; eine gute Wahl ist der FIT-Tastenblock am Lenker, bei dem alle Funktionen haptisch perfekt ausgeführt sind und eine intuitive Bedienung zulassen. Darunter platziert und ebenfalls gut erreichbar ist der Hebel für die versenkbare Stütze. Puristen mag auffallen, dass der Akku nicht in den Rahmen integriert ist, sondern unübersehbar auf dem Unterrohr sitzt; dort ist er allerdings erstens leicht abzunehmen und zweitens durchaus formschön „eingebettet“.
Optisch ist unser grauschwarzes Test-Goroc4 recht schlicht gehalten; insgesamt wirkt es mit seinem vollgefederten Rahmen sehr technisch und funktionell. Unauffällig ist es jedenfalls nicht; im Alltag kommt dieses gewisse SUV-Gefühl auf, jedoch mit gutem Gewissen. Und der Preis? Mit 630-Wh-Akku kostet das Goroc4 4.10 4.799 Euro; das 6.50 ist unter anderem aufgrund der Zwölffach-Schaltung 500 Euro teurer. Und vom Goroc4 6.50 HS EU sollte man auf dem deutschen Markt ohnehin die Finger lassen: Als S-Pedelec darf es nur auf öffentlichen Straßen benutzt werden und wird seine Offroad-Eignung höchstens in der privaten Kiesgrube unter Beweis stellen dürfen.