Look gebührt nicht nur die Ehre, das Klickpedal erfunden zu haben und Jahrzehnte vorher die erste moderne Skibindung. Das französische Unternehmen hält auch den ersten Tour-de-France-Sieg auf einem Kohlefaserrahmen – 1986 – und ist dem Thema Rennrad damit eng verbunden. Auch am Mountainbike versuchten sich die Ingenieure aus Nevers, doch davon sind nur SPD-kompatible Offroad-Klickpedale übrig geblieben, die natürlich auch gut ans 765 Gravel RS passen würden. Oder wären vielleicht doch die klassischen Look-Rennradpedale besser? Wenn man das 765 zum ersten Mal beschleunigt, stellt man nämlich erfreut fest: Das fühlt sich ja an wie ein Rennrad! Mit eher flachem Lenkwinkel und dank Spacerturm recht hohem Lenker mag die Geometrietabelle etwas anderes sagen, doch in der Praxis erweist sich das Look als ausgesprochen handlicher, vortriebsstarker Sportler; eher „Rennrad plus“ als behäbiger Offroader.
Rennrad plus statt purer Offroader
Und genau das will Look erreichen. Mit den am Testrad montierten 40er Reifen, die praktischerweise gleich schlauchlos montiert sind, ist das Gravelbike für alle Eventualitäten gerüstet: Die Vittoria Terreno Dry rollen mit glatter Lauffläche ausgesprochen schnell, sind jedenfalls auf eher trockenem Untergrund sehr griffig und auch bei Schräglage vertrauenerweckend. Doch auch wer das Look vorwiegend aus der Straße einsetzen will, kann sich freuen: Ein 30/32 mm schmaler Reifen wirkt im Hinterbau nicht verloren, sitzt doch der Reifen ziemlich dicht am ausgekehlten Sitzrohr. Und richtige Geländefahrer können 650B-Laufräder mit bis zu 2,1 Zoll breiten Reifen einbauen.
Praktisch: die „Speed Release“-Achsen
Dabei lernen Look-Neulinge auch eine Besonderheit des französischen Gravellers kennen: Die Shimano-RX-Naben sind mit dem „Speed Release“-System von Mavic ausgestattet, das den Ein- und Ausbau deutlich vereinfacht. Die Steckachsen werden nämlich nur ein kleines Stück herausgezogen, da das der Verschraubung entgegengesetzte Ausfallende nach unten offen ist. Das teils hakelige Einschieben der Achsen entfällt also.
Auch sonst hat der Carbonrahmen des 765 viel zu bieten. So gefällt die Zuginnenverlegung mit einem wahren „Tunnelportal“ am Steuerrohr, durch das die Züge ein gerader Linie einfahren können; die schmalen Sitzstreben sind mit Flexzonen versehen, die für Vibrationsminderung sorgen sollen und die rechte Kettenstrebe ist nach unten gezogen, womit genug Platz ist für einen 54 mm breiten Reifen und für ein Zweifach-Kettenblatt wie am Testrad, das wie inzwischen üblich mit der Shimano GRX aufgebaut ist – hier in der Top-Variante RX810. Mit 48/31 vorne und 11-34er Kassette bietet das Getriebe einen sehr großen Übersetzungsumfang, allerdings weist der Kranz im schnellen Bereich nur Zweiersprünge auf. Wer sein Look auch mal als Rennrad auf der Straße einsetzen will, könnte geneigt sein, eine enger gestufte Kassette wie 11-30 nachzurüsten – ein superleichter Berggang bleibt dann immer noch. Wie immer funktioniert die Gruppe sehr gut, wobei der 140-mm-Rotor am Hinterrad auffällt. Die kleinere Bremsscheibe erscheint nicht mehr zeitgemäß, fiel am Testrad in Sachen Verzögerung allerdings nicht negativ auf.
Radsport statt Commuting
Dass das Look 765 nicht auf den Commuting-Einsatz zugeschnitten ist, erkennt man an den fehlenden Gewindebohrungen für Schutzbleche oder gar einen Träger; andererseits kann man das Rahmendreieck nach Lust und Laune mit Flaschenhaltern bestücken und diese teils sogar nach eigenem Gusto positionieren. Auch eine kleine Oberrohrtasche kann montiert werden. Look liefert gleich zwei 17 Gramm leichte Flaschenhalter mit, die aber recht elastisch wirken, sodass man an den Trinkflaschen heftig ziehen muss.
In Sachen Ausstattung sehenswert ist der massige, steife Vorbau mit passend geformten Spacern; nicht vergessen darf man auch die glattflächige Segmentklemmung für die Sattelstütze, deren gut erreichbare Schraube allerdings Torx ist statt Inbus. Der Lenker des Look weist einen deutlich wahrnehmbaren, dabei nicht zu extremen „Flare“ auf.
Nicht superleicht, doch auch nicht teuer
Rund 9,3 Kilo wiegt unser Testrad in Größe L ohne Pedale, was nicht gerade wenig ist; andererseits ist das Look mit knapp über 4.000 Euro auch nicht sehr teuer. Der Shimano-Radsatz ist bereits tubeless aufgebaut und wiegt inklusive der fest montierten Steckachsen kaum mehr als 3,5 Kilo – durchaus beachtlich. Ohnehin zeigt sich wieder einmal, wie wenig Gewicht mit Fahrspaß zu tun hat: Auch wenn es steil bergauf geht, fühlt sich das 765 Gravel leichtfüßig und handlich an, bergab ist es mit großer Laufruhe sowieso sehr fahrsicher. Außerdem bietet Look für 2.300 Euro auch ein Rahmenset an; wer will, kann sich also ein individuelles 765 aufbauen, das dann vielleicht auch etwas leichter ist. Vielleicht ja mit der Ekar-Gruppe von Campagnolo – quasi als Verneigung vor dem Tour-de-France-Siegerbike von vor 35 Jahren…