Test Ridley Kanzo Adventure New: Das neue Ridley Kanzo des belgischen Herstellers ist nur eines von fünf unterschiedlichen Gravelbikes, dabei vielleicht aber jenes, das am meisten kann. Mit breiten Reifen und jeder Menge Anbau-Optionen spricht es Bikepackerinnen wie Offroader an, und wer es sich genau anschaut, entdeckt viele interessante Details.
Schmale Wirtschaftswege, Kopfsteinpflaster, Betonplatten-Radwege mit breiten Fugen und einsame Sträßchen voller Schlaglöcher, die sich durch dichte Ardennenwälder schlängeln: Wer schon mal in Belgien Rad gefahren ist, weiß, dass Rennräder mit breiten Reifen eine ziemlich kluge Erfindung sind – Gravelbikes also. Und bei Ridley weiß man das natürlich auch, was dazu geführt hat, dass das Unternehmen ganze fünf unterschiedliche Offroad-Rennräder im Portfolio hat. Das Ridley Kanzo Speed versteht sich als Allroad-Renner, der mit maximal 36 mm breiten Reifen gefahren werden kann – ein Rad, das nah an der Endurance-Rennmaschine ist und darauf ausgelegt, mit Doppelkettenblatt gefahren zu werden. Anders das Ridley Kanzo Fast: Mit seinen Formen erinnert es stark an den Aero-Renner Ridley Noah; mit maximal 42 mm breiten Reifen und 1x-Antrieb ist es auf Gravel-Renneinsätze abgestimmt. Und dann ist da das Ridley Kanzo Adventure – ein Rad, das der breiten Masse der Gravel-Fans vielleicht am ehesten entgegenkommt.
Denn wer nicht gerade mit genauen Vorstellungen vom Einsatzzweck seines (bzw. ihres) Gravellers in den Fahrradladen kommt, will erst einmal eines: Vielseitigkeit. Gefragt sind Bikes, die sportlich-schnelle Fahrten ebenso mitmachen wie Bikepacking-Touren, und dafür muss ein Rad eine ausgewogene Geometrie mitbringen sowie zahlreiche Ausstattungsdetails.
Alles, was man zum Graveln braucht
Schon auf den ersten Blick wird klar, dass das Ridley alles hat, was ein Gravelbike braucht. Die Kettenstreben sind nach unten gezogen, was satte Reifenbreiten bis 53 mm erlaubt; das kleine Hinterbaudreieck verspricht Stoßdämpfung am Heck, wobei sich hier in der Praxis vor allem die sehr elastische Carbonsattelstütze hervortut. Auch die zahlreichen Gewindebohrungen sind nicht zu übersehen – an der Gabel lassen sich Gepäckhalterungen anbringen, im Rahmendreieck zwei Flaschenhalter und unterm Unterrohr ein weiterer. Gleich vier Gewinde auf dem Unterrohr lassen große Freiheit bei der Positionierung des Flaschenhalters bzw. erlauben es, zu diesem noch eine kleine Tasche oder ähnliches zu montieren.
Auch Schutzbleche lassen sich anschrauben, und wer will, kann sogar eine Lichtanlage mit Dynamo anbringen: Dessen Kabel kann durch die Gabel geführt werden, an der sich unter einem kleinen Deckel der Auslass sowie ein Gewinde für den Scheinwerfer befindet. Auch durchs Oberrohr kann ein Lichtkabel geleitet werden. Auf dessen Oberseite lässt sich wie üblich eine kleine Tasche anbringen; Ridley hat sich freilich die Mühe gemacht, statt hervorstehender Schraubenköpfe eine integrierte Befestigungsbasis zu realisieren – inklusive eines länglichen Deckels, der glatt mit dem Rohr abschließt.
Ohnehin haben die luftwiderstandsbewussten Belgier (neben dem Firmengebäude gibt es sogar einen Windkanal) alles darangesetzt, Ecken und Kanten zu vermeiden. Die Sattelklemme ist integriert, und von den Bremsleitungen ist praktisch nichts zu sehen – und das, obwohl ein schlanker, konventionell geformter Vorbau zum Einsatz kommt. Schaut man von oben auf den Lenkkopf, fällt die außermittige Klemmschraube des Steuerlagers auf – so wird im Steuerrohr Platz für die Leitungen gemacht. Im Ergebnis präsentiert sich das Ridley Kanzo Adventure elegant und glattflächig und schon auf halbem Weg zum Aero-Bike, wobei das Kanzo Fast noch einmal deutlich spezieller geformt ist.
Ridley Kanzo Adventure: Agil und sehr geländegängig
Bei Bikepacking-optimierten Gravellern denkt man natürlich erst einmal an ruhige, auf sicheren Geradeauslauf zugeschnittene Fahreigenschaften, und mit einem Lenkwinkel von knapp über 70 Grad sowie langem Radstand scheint das Kanzo Adventure in diese Kategorie zu passen. Im direkten Vergleich mit sportlicher geschnittenen Offroadern lenkt sich das Rad in der Tat behäbiger, ohne dabei jedoch träge zu wirken. Die Sitzhaltung ist mit eher kurzem Vorbau und diversen Spacern unter diesem eher kommod, wobei der Verzicht auf letztere bereits deutlich mehr Überhöhung bringen würde. Dank gefühlt hoher Steifigkeit lässt sich das Ridley agil beschleunigen; auf der Straße rollen die breiten Vittoria Terreno Dry leichtfüßig ab, und auf lockerem Untergrund sind sie durchaus griffig. Ohnehin erlaubt es das große Reifenvolumen, so ziemlich alles zu überrollen, und die 47er Pneus sind wie gesagt längst nicht das Ende der Fahnenstange. Wo’s im Gelände tricky wird, ist das Kanzo Adventure in seinem Element; mit etwas über neun Kilo zuzüglich Pedalen kann man das Rad auch noch recht locker über Hindernisse auf dem Trail heben. Die stark flexende Sattelstütze sorgt für Komfort, wobei das Rad vorne eher hart ist; der deutlich ausgestellte Lenker mit nicht allzu tiefen Lenkerbögen erlaubt es, bei längeren Flachstücken sehr bequem Unterlenker zu fahren.
Eine naheliegende Wahl am Gravelbike ist die Sram Rival AXS mit schnellen, präzisen Gangwechseln und bissigen, gut dosierbaren Bremsen. Mit 42er Kettenblatt und 10-44er Zwölffach-Kassette ergibt sich ein großer Übersetzungsumfang, und dank Zwei-Zahn-Sprüngen im mittleren Bereich ist der Kranz dabei recht eng abgestuft. Weder an extremen Steilstücken noch auf schnellen Abfahrten lässt das Getriebe zu wünschen übrig. Mehr Gänge oder eine engere Abstufung sind nur möglich, wenn man die elektronische Schaltung mit der zweistufigen Classified-Getriebenabe kombiniert – ein Umwerfer ist ja wie gesagt nicht vorgesehen. Diese Variante ist freilich mit einem Aufpreis von 1.300 Euro verbunden.
In der vorliegenden Spezifikation kostet das Ridley Kanzo Adventure knapp 4.900 Euro, und dagegen lässt sich wirklich nichts sagen. Immerhin ist ein Gravel-kompatibler Carbon-Radsatz montiert, der mit 23 mm Maulweite auf breite Reifen abgestimmt ist und tubeless gefahren werden kann. Mit mechanischer 1×11-Schaltung (Sram Rival) und Alu-Radsatz ist das Rad sogar schon für 3.575 Euro erhältlich. Gegen 100 Euro Aufpreis sind individuelle Lackierungen möglich, sodass kein Kanzo aussehen muss wie das nächste.
Wie schwierig ist es, sich aus dem Gravel-Sortiment von Ridley das richtige Rad herauszupicken? Eigentlich gar nicht, denn mit dem Ridley Kanzo Adventure dürften die allermeisten Fahrerinnen und Fahrer gut zurechtkommen. Die aerodynamischen Vorteile des Kanzo Fast werden sich nur im Rennsport bemerkbar machen, und das Kanzo Allroad ist eher etwas für Rennradfahrer auf der Suche nach mehr Möglichkeiten bei der Streckenwahl, angesichts der knappen Reifenfreiheit aber eigentlich kein „richtiges“ Gravelbike. Und auf den Gepäcktransport sind diese zwei Modelle auch nicht ausgelegt, und so ist das Kanzo Adventure der rundeste Graveller im Sortiment des belgischen Anbieters.