E-MTB Antriebe Test: Mit dem Fazua Ride 60 präsentierte einer der Vorreiter der Light Assist Antriebe seinen neuesten Motor. Endlich konnten wir das spannende Antriebssystem ausführlich testen. Neben Praxiseindrücken haben wir die Leistungsdaten auch wieder auf dem Prüfstand ermittelt.
Fazua zählt zweifellos zu den Vorreitern im Bereich der Light Assist Antriebe für E-Bikes. Neben dem Specialized SL Antrieb hatte der Hersteller mit Sitz im Münchener Speckgürtel über Jahre den einzigen Mittelmotor für leichte E-Bikes im Programm. Auch weil sich der Antrieb als gesamtes – also Motor und Akku – entnehmen lässt, erfreut er sich auch nach wie vor durchaus großer Beliebtheit, obwohl er gerade in puncto Akkukapazität (250 Wh) nicht mehr ganz zeitgemäß scheint.
Fazua Ride 60: Technische Daten
- Gewicht Motor: 1,9 kg
- Max. Drehmoment: 60 Nm
- Akkukapazität: 430 Wh
- Gewicht Akku: 2,2 kg / 2,3 kg
Mit dem Fazua Ride 60 erweitert man nun das Portfolio um einen kräftigeren Antrieb mit deutlich größerem Akku. Das maximale Drehmoment beträgt nun 60 Nm, der Akku fasst satte 430 Wh. Das Gewicht steigt zwar etwas an, bleibt aber nach wie vor gering: ca. 1,9 kg für den Motor selbst, 2,2 bzw. 2,3 kg für den Akku, je nach verbauter Variante. Leider muss man beim Ride 60 auf die Option verzichten, den Antrieb komplett entnehmen zu können – das wäre konstruktionstechnisch laut Fazua einfach nicht möglich gewesen. Immerhin: Eine der beiden Akku-Varianten lässt sich sehr schnell und bequem aus dem Rahmen entfernen.
Fazua Ride 60: Auf dem Prüfstand – ausgewachsener Motor im Mini-Format
Wie bei all unseren ausführlichen E-MTB Antriebs-Tests musste sich auch der Fazua Ride 60 auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen beweisen. Hierfür wird die Kurbel automatisiert angetrieben und an einer Trommel die schlussendliche Leistung gemessen, die auf dem Untergrund ankommt.
Leistung
Um die Maximalleistung des Antriebs zu ermitteln geben wir 250 W auf die Kurbel und schalten in die höchste Unterstützungsstufe. Dieses Szenario soll bewusst eine Extremsituation abbilden, z.B. das Überwinden einer Stufe. Hier zeigt sich, dass der Fazua Ride 60 im Vergleich zum Vorgänger einen ordentlichen Sprung nach vorn macht und mit dem bislang stärksten „Light Assist“ Motor Shimano EP8 RS gleichziehen kann – bei fast 700g weniger Gewicht! Damit gelingt es dem Motor, die Lücke zwischen echten Light E-MTB Antrieben und ausgewachsenen Mittelmotoren wie beispielsweise dem EP8 ein Stück weit zu schließen – zumal die von uns gemessenen 525 W Maximalleistung ohne den zeitlich begrenzten Turbo Modus sind. Schaltet man diesen hinzu, kommen weitere ca. 100 W Leistung hinzu, was dann die verbleibende Lücke zum EP8 fast komplett schließen kann. Beeindruckend.
Nicht weniger kraftvoll ist die Vorstellung des Ride 60 in einem etwas realistischeren Szenario. Bei 100 W Eingangsleistung bilden wir eine alltäglichere Situation bei lockerem Treten ab. Hier liefert der neue Fazua nun am meisten Leistung – zumindest im Vergleich zur direkten Light-Konkurrenz. Der Shimano EP8 ist hier deutlich kräftiger, wobei dies auch eine Sache der Abstimmung ist. Während der Shimano-Motor in diesem Szenario bereits sehr stark unterstützt, ist ein Bosch Performance CX beispielsweise kaum kräftiger unterwegs als der Fazua Ride 60. Interessant ist der Vergleich mit dem ebenfalls aktuellen TQ HPR50 und er zeigt die grundlegend unterschiedliche Auslegung der beiden Systeme; während das Aggregat aus dem Hause TQ sehr viel zurückhaltender agiert und mehr Leistung des Fahrers einfordert, orientiert sich der Ride 60 sehr viel mehr am klassischen Mittelmotor.
Energieverbrauch und Reichweite
Meist geht hohe Unterstützungsleistung auch mit einem vergleichsweise hohen Energieverbrauch einher. Dieser Zusammenhang ist auch beim Fazua Ride 60 nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf dem Prüfstand messen wir, wie viele Wattstunden der Antrieb in seiner höchsten Unterstützungsstufe pro gefahrenem Kilometer aus dem verbauten Akku zieht. Diese Messung führen wir sowohl in der Ebene als auch bei simulierten 10% Steigung durch.
In der Ebene zeigt sich einmal mehr, wie enorm effizient der Shimano EP8 zu Werke geht. Das gilt sowohl für die reguläre als auch für die gedrosselte RS Variante. Hier kann auch der neue Fazua Ride 60 nicht ganz mithalten, wenngleich er die übrige Konkurrenz hier klar schlägt. Interessant ist der Fortschritt gegenüber dem Ride 50, der trotz deutlich geringerer Leistung mehr Energie benötigt.
Der Energieverbrauch bei 10% Steigung bildet ziemlich genau das ab, was wir eingangs skizziert hatten: Viel Leistung hat einen hohen Energieverbrauch zur Folge. Insofern überrascht es kaum, dass der in der Ebene noch sparsame EP8 hier am meisten Energie aus dem Akku zieht. Angesichts seiner Power liefert der Fazua Ride 60 jedoch eine starke Performance und ist deutlich effizienter unterwegs als der ungefähr gleich kräftige EP8 RS.
Insgesamt haben wir also einen kräftigen, aber zugleich auch energieeffizienten Antrieb. In Kombination mit dem 430 Wh Akku lassen sich so beachtliche Reichweiten erzielen. Rechnerisch kommt man damit in der Ebene auf deutlich über 80 km und über 1.500 hm am Berg. Das dürfte für viele Tagestouren allemal ausreichend sein, zumal unsere Messungen in der höchsten Unterstützungsstufe erfolgten. Im Laufe dieses Jahres soll zudem der Range Extender mit weiteren 210 Wh Kapazität erhältlich sein. Mit diesem sind dann Reichweiten bzw. -höhen möglich, die denen eines ausgewachsenen Mittelmotors mit 750 Wh in nichts nachstehen.
Akkus: Zwei Varianten und ein Range Extender
Fazua bietet das Ride 60 System mit zwei Akku-Varianten an. Beide fassen 430 Wh, jedoch ist nur einer von beiden für die Entnahme durch den Nutzer zum Laden vorgesehen. Dieser bringt dann auch ca. 100g mehr auf die Waage (2,3 kg). Mit einem robusten Gehäuse, kleinem Griff für die Entnahme und gut funktionierendem Verriegelungsmechanismus lässt er sich sehr schnell und intuitiv ein- und ausbauen. Die Variante für das feste Verbauen eignet sich dagegen für besonders schlanke und leichte Designs. Dabei spielen die 100g Mehrgewicht des Akkus selbst gar keine so große Rolle, sondern die aufwändigere und schwerere Rahmenkonstruktion mit Klappe, Verriegelung etc.
Pivot gibt für das Shuttle SL z.B. an, dass der Rahmen mit einem entnehmbaren Akku ca. 500g schwerer gewesen wäre. Einen Mittelweg geht Haibike mit dem Lyke CF, bei dem zwar die vollständig integrierte Variante zum Einsatz kommt, sich der Energiespeicher jedoch über eine Klappe unter dem Tretlager entnehmen lässt. Hierfür ist jedoch das Ab- und Anstecken diverser Kabel nötig – ganz gewiss bietet diese Lösung nicht den Komfort eines regulär entnehmbaren Akkus wie es z.B. beim Nox Epium der Fall ist.
Im Laufe des Jahres 2023 soll außerdem auch ein Range Extender für den Fazua Ride 60 auf den Markt kommen, der die Gesamtkapazität um weitere 210 Wh erweitert.
Bedienkonzept: Intuitiv, aber mit Schwächen im Detail
Zu einem kleinen, leichten und sportlichen Antrieb wie dem Fazua Ride 60 gehört ein minimalistisches Bedienkonzept – und genau das bekommen wir auch. Auf ein Display muss man komplett verzichten. Infos zum Ladezustand des Akkus und der gewählten Unterstützungsstufe bieten farbige LEDs. Bei den meisten Bikes mit dem Fazua Ride 60 System stecken diese im sogenannten LED Hub im Oberrohr. Dieser lässt sich ein kleines Stück nach oben aus dem Rahmen ziehen und offenbart dann eine USB-C Buchse, über die beispielsweise das Smartphone geladen werden kann – schön.
Die Bedienung des Antriebs erfolgt über den Control Ring: Optisch sehr unauffällig lässt sich hier die Unterstützungsstufe wählen, indem der Ring nach oben oder unten gedrückt wird. Die Idee ist gut, die Umsetzung aber nur teilweise gelungen; der Control Ring fühlt sich wenig wertig an, hat Spiel und klappert ein wenig. Auch wenn er recht gut geschützt sitzt, sind wir nicht allzu zuversichtlich, dass er einen ordentlichen Einschlag bei einem Sturz überlebt. Immerhin: Für knapp 15 Euro lässt sich der Ring selbst im Fazua Online Shop nachbestellen.
Alternativ bietet Fazua auch den sogenannten Control Hub an – hier sind in den Control Ring die LEDs integriert und machen damit den LED Hub im Oberrohr überflüssig.
Fazua App: Aus zwei mach eins
Mit dem Ride 60 läutet Fazua in puncto App einen kleinen Kurswechsel ein: Bislang hatte man auf zwei getrennte Apps gesetzt, Fazua Rider und Fazua App. Während Erstere als klassischer Displayersatz inklusive Navigation fungierte, konnte man die Fazua App dafür nutzen, den Motor bzw. seine Unterstützungsstufen auf die eigenen Bedürfnisse einzustellen. Der Ride 60 ist nun nur noch mit der Fazua App kompatibel, in die die Features der Fazua Rider App nach und nach integriert werden. Mit dem letzten Update wurde beispielsweise das Live Dashboard eingeführt, das sich wunderbar als Displayersatz nutzen lässt, auch wenn man (noch?) auf eine Navigation verzichten muss.
Die Individualisierung der einzelnen Unterstützungsstufen und deren Charakteristik geschieht über ein herrlich intuitives Interface, von dem sich quasi alle anderen Antriebs-Hersteller eine dicke Scheibe abschneiden können. Hier finden sich auch technisch weniger versierte E-Biker sofort zurecht und können Beschleunigung und Unterstützungsleistung über Leistungskurven einstellen.
Fazua Ride 60 in der Praxis: Macht mächtig Dampf!
In der Trail-Praxis zeigt sich genau das, was auch die technischen Daten und unsere eigenen Messungen vom Prüfstand erahnen lassen: Der Fazua Ride 60 ist verdammt nah an einem regulären, Full Power Mittelmotor. Das betrifft sowohl seine Unterstützungsleistung als auch seine Charakteristik und auch die Lautstärke. Wer von einem anderen E-MTB umsteigt, der wird sich sofort zurechtfinden und quasi ohne Umgewöhnung direkt loslegen können. Das Leistungsdefizit fällt je nach Antrieb mal größer, mal kleiner aus, insgesamt bringt der Ride 60 für seine Gewichtsklasse jedoch beeindruckend viel Power auf den Untergrund. Hält man den Control Ring für einige Sekunden nach oben gedrückt, aktiviert man den auf 12 Sekunden begrenzten Turbo-Modus und kann spätestens dann kaum noch einen Unterschied zu ausgewachsenen E-MTBs erfühlen.
Beim Ansprechverhalten musste der Fazua Ride 60 unmittelbar nach seinem Launch vor einigen Monaten einiges an Kritik einstecken. Wir hatten den Antrieb mit der neuesten Software in zwei unterschiedlichen Bikes zum Test (Nox Epium und Pivot Shuttle SL) und konnten derartige Probleme nicht erkennen. Der Antrieb ließ sich gut dosieren, Probleme wie Stottern konnten wir nicht ausmachen.
Oft wird der Fazua Ride 60 derzeit in einem Atemzug mit dem ähnlich aktuellen TQ HPR50 genannt. In der Praxis könnten diese Antriebe jedoch unterschiedlicher kaum sein: Während der HPR50 voll auf Natürlichkeit setzt und dabei Einbußen bei Power und Beschleunigung in Kauf nimmt, hat man mit dem Ride 60 einen echten Mittelmotor in einem besonders leichten Gesamtpaket. Die Unterstützung ist klar spürbar, auch schon in der niedrigsten Unterstützungsstufe. Die Geräuschkulisse des Antriebs ist nicht störend, aber gerade in den höheren Unterstützungsstufen oder bei hoher Trittfrequenz wird der Motor deutlich hörbar.
Unser einziger echter Kritikpunkt am Fazua Ride 60 betrifft momentan noch den Control Ring als Bedienteil. Dieser wirkt schlicht billig, was gerade auch angesichts der hohen Anschaffungskosten für ein Light E-MTB sehr ärgerlich ist. Auch die Bedienung selbst ist bestenfalls durchschnittlich; dadurch, dass der Ring recht weit nach oben bzw. unten bewegt werden muss, um die Unterstützungsstufe zu wechseln, müssen gerade Fahrer mit kleineren Händen den Daumen unangenehm weit bewegen. Wir würden in jedem Fall ein klassisches Bedienteil mit zwei Knöpfen bevorzugen.
Insgesamt ist Fazua mit dem Ride 60 ein ähnlich großer Wurf gelungen wie schon mit dem Ride 50 bzw. dem Evation vor einigen Jahren. Durch seine beeindruckend hohe Leistung bei gleichzeitig geringem Gewicht und dem reichweitenstarken 430 Wh Akku dürften Light E-MTBs mit Ride 60 durchaus auch für diejenigen interessant sein, denen die Kompromisse von „Light Assist“ Antrieben bislang zu groß waren.