Test: Mit dem Santa Cruz Hightower CC Reserve hatten wir ein waschechtes Edel-Bike im Test. Knapp 10.000 Euro für ein extrem leichtes und potentes Gesamtpaket mit exklusiven Anbauteile und schlicht-schöner Optik. Ob Santas 29er Fully für dich die richtige Wahl ist? Unser Test hilft weiter.
Santa Cruz Hightower CC Reserve: Rahmen und Geometrie
Das Santa Cruz Hightower geht 2019 in seine vierte Saison als groß-bereifter Allrounder im Portfolio der Kalifornier. Dieser für die schnelllebige MTB-Industrie recht lange Produktzyklus spricht für die Ausgereiftheit des Bikes, das auch in dieser Saison ausschließlich mit Carbonrahmen erhältlich sein wird. Wie bei den meisten Carbonbikes aus dem Hause Santa Cruz heißt hier jedoch Carbon nicht Carbon. Neben der „Standard“-Variante gibt es auch beim Hightower den noch leichteren Hightower CC Rahmen: Bei gleicher Steifigkeit kann hier durch den Einsatz hochwertiger Fasern Gewicht eingespart werden.
Der VPP (Virtual Pivot Point) Hinterbau holt aus den 51mm Dämpferhub 135mm Federweg heraus. An der Front steckt in den Komplettbikes eine Gabel mit 140mm Federweg, der Rahmen würde laut Santa Cruz aber auch problemlos eine 150er Gabel verkraften. Übrigens: Wem der Sinn ohnehin nach mehr Federweg steht, sollte sich das Hightlower LT (= Long Travel) ansehen, das mit 150mm hinten und bis zu 160mm an der Front besser für grobes Geläuf gewappnet ist. Das Hightower ist konsequent auf 29 Zoll Laufräder ausgelegt und bietet im Heck eine Reifenfreiheit bis zu 2,4″ – wer also hier auf besonders dicke Pneus setzt, sollte im Zweifelsfall nachmessen.
Durchaus interessant fanden wir die Leitungsverlegung am Santa Cruz Hightower CC – während nämlich die Außenhülle für die Schaltung im Rahmeninneren verläuft, hat man sich bei der Bremse für eine externe Lösung entschieden. Daumen hoch dafür von uns: So muss man bei eventuellen Wartungsarbeiten und damit verbundener Demontage der Bremse Geber und Bremssattel nicht voneinander trennen und die offene Leitung umständlich durch den Rahmen fädeln.
Geometrie Santa Cruz Hightower CC
S | M | L | XL | XXL | |
Sitzrohr (in mm) | 390 | 420 | 450 | 490 | 510 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 574 | 601 | 622 | 650 | 685 |
Steuerrohr (in mm) | 90 | 95 | 100 | 110 | 130 |
Kettenstrebe (in mm) | 435 | 435 | 435 | 435 | 435 |
Radstand (in mm) | 1138 | 1165 | 1187 | 1215 | 1255 |
Lenkwinkel (in °) | 67 | 67 | 67 | 67 | 67 |
Sitzwinkel (in °) | 74.3 | 74.3 | 74.3 | 74.3 | 74.3 |
Reach (in mm) | 405 | 430 | 450 | 475 | 505 |
Stack (in mm) | 604 | 609 | 613 | 623 | 641 |
Bezüglich Geometrie wagt Santa Cruz beim Hightower keine Experimente und vertraut auf bewährte Abmessungen – dies soll jedoch keineswegs negativ klingen, denn gerade bei Allmountain-Allroundern ist eine gelungene Balance absolut entscheidend und zu extreme und progressive Abmessungen sind oft eher kontraproduktiv. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Ein mit 67° moderat flacher Lenkwinkel trifft auf einen nicht übermäßig langen Hauptrahmen und mit 435mm recht kurze Kettenstreben. In Summe erhält man ein Rad mit kompakten Abmessungen, dessen Charakter sich wohl irgendwo in der Mitte zwischen Agilität und Laufruhe einordnen dürfte – genau richtig also für das anvisierte Einsatzgebiet.
Santa Cruz Hightower CC Reserve: Ausstattung
Rahmen | Santa Cruz Hightower CC |
Federgabel | Fox 36 Float Factory |
Dämpfer | Fox Float Factory DPS |
Laufräder | Industry 9 Naben / Santa Cruz Reserve 27 Carbon Felgen |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF 2,3" |
Reifen HR | Maxxis Minion DHF 2,3" |
Schaltwerk | Sram Eagle XX1 |
Schalthebel | Sram Eagle XX1 |
Kurbel | Sram Eagle XX1 30t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Guide Ultimate |
Bremsscheiben | Avid Centerline 180 / 180mm |
Sattelstütze | RockShox Reverb Stealth |
Sattel | WTB Silverado Team |
Vorbau | Race Face Turbine R 50mm |
Lenker | SCB AM Carbon |
Mit dem Hightower CC Reserve hatten wir die edelste, leichteste und teuerste Ausstattungsvariante des 29er Fullys im Test: Für stolze 9.799 Euro gibt’s hier jedoch auch das volle Komponenten-Paket, das kaum Wünsche offen lässt. Vom Fox Factory Fahrwerk über einen kompletten Sram XX1 Eagle Antrieb bis hin zum großen Hightlight der Ausstattung, den hauseigenen Reserve Laufrädern.
Auf den ersten Blick spannend mutet der Komponentenmix beim Fahrwerk an: Mit der 36er Float steckt eine waschechte Enduro-Forke in der Front, die am Hightower mit dem recht schlanken DPS Dämpfer kombiniert wird. Eigentlich würde man hier eher einen Piggyback-Dämpfer vom Schlage DPX2 erwarten – so zumindest die Theorie. Hält man sich jedoch die Praxis eines Allrounders wie dem Hightower vor Augen, wird klar, dass der Plan von Santa Cruz durchaus aufgehen könnte: Während nämlich das Steifigkeits-Plus durch die dicken Standrohre der Gabel gegenüber der leichten Float 34 auf fast jedem Trail spürbar sein dürfte, hat der Dämpfer wahrscheinlich nur bei langen Abfahrten gegenüber seinen Piggyback-Pendants das Nachsehen.
Über den Sram XX1 Eagle Antrieb samt standesgemäßer DUB Kurbel gibt es nicht viel zu sagen – außer: Leichter und besser kann man an einem modernen Mountainbike wohl kaum die Gänge wechseln. Leicht bleibt es auch bei den Bremsen; die Sram Guide Ultimate ist die Top-Trailbremse der US-Amerikaner und bringt das Hightower gemeinsam mit den 180mm Bremsscheiben zum Stehen. Die Kombination dürfte den meisten Fahrern vollkommen ausreichen, nur diejenigen, die ein paar Kilo mehr auf die Waage bringen und/oder regelmäßig lange Abfahrten unter die Räder nehmen, sollten an der Front möglicherweise über eine größere Scheibe nachdenken.
Ein Highlight an unserem Hightower CC Testbike ist der Laufradsatz: Die hauseigenen Reserve 27 Carbonfelgen werden hier mit edlen Industry9 Naben kombiniert. Diese Kombination ist nicht nur extrem leicht, sondern dürfte auch außerordentlich robust sein. Der Freilaufsound der I9 Hinterradnabe gleicht zudem wohl der schönsten Trail-Symphonie in den Ohren eingefleischter Mountainbiker.
Santa Cruz Hightower CC Reserve: Auf dem Trail
Angesichts des Top-Carbonrahmens, „Bling Bling Teilen“ wie Laufrädern und XX1 Schaltung hatten wir hohe Erwartungen an das Hightower CC – auch bergauf. So richtig Kletterziegen-Feeling wollte jedoch nicht aufkommen – das heißt aber auch nicht, dass das Hightower schlecht klettert, ganz im Gegenteil. Es klettert so gut wie andere, gute Kletterer im Test. Dabei sollten zwei Dinge beachtet werden: Erstens will der Dämpfer gut abgestimmt sein, sonst wippt es. Fahrer mit eher unrundem oder stampfendem Tritt sollten zum Lockout Hebel greifen. Zweitens sollte die Rahmengröße passen. Zieht man bei einem tendenziell kleinen Rahmen die Sattelstütze weit raus, sitzt man weit hinten. Passt das beides, so geht es ordentlich aufwärts in Richtung Traileinstieg. Das 30er Kettenblatt mit der 12 Gang Kassette passt, das geringe Gewicht und insgesamt eher steife Komponenten verschenken keine Kraft. Somit fährt das Hightower bergan nicht in der Spitzengruppe im Testfeld, bleibt aber in Sichtweite, die Lorbeeren fährt es sich in der Abfahrt ein.
Neigt sich der Trail nämlich gen Tal, reicht das leichte Grinsen plötzlich von Ohr zu Ohr und man muss aufpassen nicht bei High-Speed sämtliche Zahnlücken mit Insekten zu füllen. Staub sammelt sich zwischen den Zähnen eher keiner, den bekommt eher der Hintermann ab. Das Hightower überholt die Leader des Uphills in der Abfahrt auf den ersten Metern und lässt auch die „Enduros“ im Testfeld nicht freiwillig vorbei. Die Laufräder erfordern eine präzise Linienwahl, und ungeübte Piloten sollten zu weicheren Alu-Modellen greifen. Mit einem fähigen Fahrer am Lenker geht es jedoch umso flotter voran. Dabei fährt sich das Hightower sehr intuitiv, es ist stets agil genug, um alle erdenklichen Spielereien mitzumachen. Trotzdem kommt nie das Gefühl auf, die Fahrt würde irgendwann unruhig werden. Die Fox 36 Gabel und der Hinterbau erzeugen gemeinsam mit den Maxxis Minion Reifen superbe Traktion, trotzdem klebt das Bike nicht auf dem Trail fest und folgt willig jedem Kommando. Man wird toll, tief und zentral auf dem Rad positioniert, hat stets Übersicht und Kontrolle, kann auf alles schnell reagieren. Die Bodenfreiheit reicht voll aus, das Unterrohr ist gegen Aufsetzer geschützt.
Das Fahrwerk haben wir ja schon gelobt, die Fox Factory Komponenten müssen sich hier keineswegs vor einem „Vollblut-Enduro“ verstecken. Das Guide-Topmodell von Sram, die Guide Ultimate, lässt sich prima dosieren und packt beherzt zu. Die 12-fach Eagle Schaltung in Edel-Ausführung, XX1, lässt ebenfalls keine wünsche offen. Nur bei der Dropper-Post hätten wir uns eine Fox-Kashima Variante gewünscht. Sie ist noch zuverlässiger als die verbaute Reverb und hätte optisch und technisch zum Gesamtpaket ein wenig besser gepasst. Das heben die Laufräder wieder auf. Industry Nine Naben mit Santa Cruz Reserve Felgen geben kaum Spielraum mehr für Tuning, besser geht es eigentlich nicht. Der hauseigene Santa Cruz Lenker und der Race Face Vorbau gefielen allen Testern, die Griffe wurden vereinzelt als etwas dünn klassifiziert, andererseits besonders gelobt. Der WTB Sattel ist sehr angenehm.
Das teuerste Bike im Testfeld ist also eines der besten, je nach persönlicher Vorliebe vielleicht für dich auch das beste. Was lobend erwähnt werden muss, und den Preis doch etwas relativiert, ist das Versprechen von Santa Cruz: „Bei Santa Cruz legen wir viel Wert auf die Qualität und Haltbarkeit unserer Produkte. Sollte es dennoch einmal zu einem Defekt kommen, ersetzen wir dem Erstbesitzer alle defekten Rahmen oder Rahmenteile und dies ein Leben lang. Vorraussetzung dafür ist ein komplett, zeitnah nach Erwerb, ausgefüllte Registrierung…“ Das gilt für alle Rahmen nach Mitte 2015 und alle Felgen. Daumen hoch dafür von unserer Seite. Was bei einem Rad dieser Preisklasse nicht sein muss: Schalthülle und Bremsleitung scheuern bzw. klappern am Sitzrohr! Das geht besser.