Radsport: Radsport-Fans, die nach schönem Wetter bei der Flandern-Rundfahrt wenigstens auf eine Regenschlacht bei Paris – Roubaix gehofft hatten, wurden in diesem Jahr enttäuscht. Bei milden Temperaturen und einer leichten Brise war das Kopfsteinpflaster eine staubige Sache statt einer schlammigen Angelegenheit. Zwischendurch kam es zwar zu einem Seitenwind, den unter anderem Bradley Wiggins stark zu spüren bekam. Doch der Einfluss des Wetters hielt sich beim französischen Monument sonst in Grenzen.
Er wäre einer der Favoriten gewesen für den Sieg bei Paris – Roubaix 2015, doch er fällt wegen einer Verletzung aus. Vier Mal hatte Tom Boonen bislang den dritten Frühjahrsklassiker gewonnen, und benannte in der französischen Sport-Tageszeitung L’Équipe vor dem Rennen seine Favoriten für den Sieg in diesem Jahr. Auf Boonens Liste: natürlich Alexander Kristoff, der die Flandern-Rundfahrt 2015 gewinnen konnte, Geraint Thomas, John Degenkolb, der sich den Sieg beim ersten Frühjahrsklassiker, Mailand – San Remo , sicherte. Weitere Favoriten des belgischen Sprinters: Greg Van Avermaet und Sep Vanmarcke, Tijs Benoot und Stijn Devolder, Zdenek Stybar und den Sieger von Paris – Roubaix 2014, Niki Terpstra.
Schneller Ausreißversuch – schnell gestoppt
Nur 5,5 km nach dem regulären Start kam es zu einem ersten Ausreißversuch. Alexis Gougeard (ALM), Lieuwe Westra (AST), Tom Devriendt (WGG) and Adriano Malori (MOV) wollten davonziehen. Doch das Feld mochte die vier nicht davonziehen lassen, und schloss nur wenige Minuten später bereits wieder auf.
Und auch der nächste Ausreißversuch, bei dem nach einer Renndistanz von 25 km eine Gruppe von 15 Fahrern den Absprung schaffen will, scheitert. Nach 4 km holt das Feld mit vollem Tempo von fast 60 km/h auf.
Mit Ralf Matzka deutscher Fahrer unter den Ausreißern
Doch bereits 5 km später juckt es die nächsten Fahrer. Neun Rennprofis wollen es wissen, Rast (FR), Blythe (OGE), Gougeard (ALM), Saramotins (IAM), Perichon (BSE), Declercq (TSV), Backaert (WGG) und der Deutsche Ralf Matzka vom Team Bora-Argon 18 ziehen davon, und haben schnell 20 Sekunden Vorsprung aufs Hauptfeld. Der Schweizer Rennprofi Gregory Rast ist der Spezialist für Paris – Roubaix unter den Ausreißern. Elf Mal hat er den Klassiker gefahren, im Jahr 2010 wurde er 10., in 2011 hatte Rast sogar den 4. Platz geholt.
Dieser Ausreißversuch hat jedoch Erfolg. Nach einer Distanz von 50 km haben die neun Ausreißer einen Vorsprung von 1.10 Minuten auf das Feld herausgeholt. Nur 12 km später haben die neun Fahrer bereits einen Vorsprung von 2.55 Minuten erreichen können, das Feld hat die neun Fahrer erst einmal ziehen lassen. Und der Vorsprung der Ausreißergruppe wächst schnell weiter an, nur wenige Kilometer weiter liegt er schon auf 5.10 Minuten, und es wird immer mehr, die Zeit wächst auf 8.15 Minuten an, dann auf 9.40 Minuten bei km 76. Die Frage war: würde das Hauptfeld sich wirklich bis zum Ende das Spiel der Ausreißer gefallen lassen? Noch waren die Kopfsteinpflaster, die berühmten Pavés von Paris – Roubaix nicht erreicht…
Die Jagd auf den Pavés hat begonnen
Acht Minuten nach den neun Ausreißern hatte das Hauptfeld, angeführt vom Team Sky, das erste Kopfsteinpflaster erreicht. Paris – Roubaix hatte damit endlich richtig begonnen, mit den den Fahrern so ungeliebten, von den Fans aber umso mehr geliebten Pavés.
Und am Ende des Feldes kam es auch schon prompt zum ersten Sturz. In Sektor 26 sind zahlreiche Fahrer betroffen. Am schlimmsten hat es dabei den Kapitän von Trek Factory, Stijn Devolder, erwischt, der das Rennen nicht mehr fortführen kann und damit zugleich der erste Ausfall bei der „Königin der Klassiker“ wird.
In Sektor 22 auf km 130 führen die neun Ausreißer auch weiterhin, mit einem Vorsprung von sieben Minuten. Übrigens: sowohl dieser Sektor wie auch die Sektoren 24 und 25 werden im Juli Teil einer Etappe der Tour de France 2015 sein.
Währenddessen kommt es am Ende des Peletons zur weiteren Stürzen. Unter anderem erwischt es dabei Lieuwe Westra (AST), Adriano Malori (MOV) und Adrien Petit (COF).
Die Ausreißer verlieren einen Mitstreiter
In der Gruppe der Führenden kommt es zu einem Reifenschaden. Tim Declercq (TSV) muss den Reifen wechseln, und verliert damit zeitweise den Anschluss an die Ausreißergruppe. Da waren es nur noch acht an der Spitze. Zumindest für kurze Zeit, Declercq kann wieder auf die Ausreißer aufschließen. Ebenfalls mit dabei immer noch der Deutsche Ralf Matzka.
Das Peleton erreicht den Wald von Arenberg
Mit einem Rückstand von 5.50 Minuten auf die Ausreißer erreichte das Peleton den Wald von Arenberg. Dort zeigt sich, dass das Hauptfeld nichts mehr zusammenhält, es zerfällt in mehrere Gruppen. In der zweiten Gruppe ist Bradley Wiggins, der bei Paris – Roubaix 2015 das letzte Straßenrennen seiner Karriere absolviert.
Dann wird das Feld auch noch durch einen Zug getrennt, der vorbeifährt, und wegen dem angehalten werden muss. Für die Fahrer ein kurzer Moment der Entspannung, aber nicht unbedingt erfreulich für die französischen Radsport-Fans: gestoppt wurde durch den Zug auch der Französische Meister Arnaud Demare (FDJ). Aber: der erste Teil des Hauptfelds wird dann durch das Rennmotorad gestoppt, um auf den Rest des Feldes zu warten, der von dem durchfahrenden Zug gestoppt worden war. Damit wird zumindest dieser unfreiwillige Halt nicht zum Nachteil für die Fahrer im hinteren Peleton.
Einer der Favoriten stürzt
Auch wenn Geraint Thomas nach seinem Sturz bei km 164 wieder aufs Rad steigen konnte, so wird der Sturz den Briten, der zu den Favoriten von Paris – Roubaix 2015 gehörte, wohl nicht nur körperlich aus dem Konzept gebracht haben. Selbst sein Team Sky ließ es laufen, und gab seinen Fahrer auf, und machte weiter Tempo, ohne auf Thomas zu warten.
Fast-Katastrophe am Bahnübergang:
https://www.youtube.com/watch?v=nA-84SIFnSo
Greipel macht wieder Dampf
André Greipel ist auch eine Woche nach der Flandern-Rundfahrt noch mächtig gut in Form. Der Deutsche führt das Feld in Sektor 16. Nicht weiter hinter ihm ist Niki Terpstra unterwegs, der offensichtlich viel daran setzt, den Klassiker Paris – Roubaix auch 2015 zu gewinnen.
Kurz darauf forciert Etixx Quick Step das Tempo, und streckt das Feld, ohne jede Rücksicht auf Verluste. Doch noch liegt die Ausreißergruppe weit mehr als vier Minuten vorne.
Die Ausreißergruppe schrumpft erneut
Nur noch sieben Fahrer befinden sich auf Ausreißkurs an der Spitze des Rennens. Aus der Führungsgruppe gefallen sind Sean de Bie (LTS) und Frederik Backaert (WGG), beide hatten einen Reifenschaden. Die verbleibenden sieben Fahrer: Gregory Rast (FR), Adam Blythe (OGE), Alexis Gougeard (ALM), Aleksejs Saramotins (IAM), Pierre-Luc Perichon (BSE), Tim Declercq (TSV) und weiterhin der Deutsche Ralf Matzka (BOA).
Etixx Quick Step geht auf Attacke
Bei km 190 gehen fünf Fahrer von Etixx Quick Step auf Angriff und erhöhen das Tempo mit der Hilfe des Seitenwindes in Sektor 13. Dadurch wird das Feld auseinandergerissen. Stijn Vandenbergh führt das Feld an. Alexander Kristoff und Bradley Wiggins gehören zu den Abgehängten. In der von Etixx Quick Step angeführten Gruppe, bevor der Riss durch das Feld kam, sind Peter Sagan (TCS), John Degenkolb (TGA), Ian Stannard (SKY) und Lars Boom vertreten. Inzwischen liegt die Ausreißergruppe nur noch mit weniger als drei Minuten vorn.
Und die Ausreißer vorne verlieren im Rennverlauf immer mehr an Zeit. Die sieben Fahrer liegen nach 200 km nur noch zwei Minuten vor.
Sagan attacktiert
In Sektor 13 geht Peter Sagan auf Attackenkurs. Doch Alexander Kristoff, der vergangene Woche die Flandern-Rundfahrt gewann, bleibt auf Kontakt.
Und dann kracht es wieder: 2011 konnte Johan Van Summeren (ALM) Paris – Roubaix gewinnen, im Jahr 2015 macht er vor allem durch einen Crash mit Matti Breschel (BMC) von sich reden.
In Sektor 10, dem Mons-en-Pevele, liegt die siebenköpfige Ausreißergruppe noch mit 1.40 Minuten vorne. Gefolgt von einem Feld mit insgesamt noch 60 Fahrern, damit ist zu dieser Zeit noch viel möglich beim 3. Frühjahrsklassiker der Saison. Auch Bradley Wiggins konnte wieder aufschließen.
Matzka fällt aus der Spitzengruppe zurück
Dem schnellen Tempo der Führungsgruppe nicht mehr folgen können Adam Blythe (OGE) und Ralf Matzka vom Team Bora-Argon 18. Doch das Ende der Ausreißergruppe ist hier bereits vorprogrammiert. Dazu ist das Feld zu schnell und zu nahe dran an den Ausreißern, als wenn die verbliebenen fünf Fahrer auch nur noch den Hauch einer Chance hätten. Hinten geht derweil Stijn Vandenbergh (EQS) auf Angriff, legt Tempo zu und kann sich vom Feld absetzen.
Wiggins lässt plötzlich die Luft brennen
22 km vor dem Ziel geht Bradley Wiggins auf Attacke und will Vandenberg folgen. Im Feld tut sich derweil bis auf den Zug, den Ramon Sinkeldam (TGA), Maarten Wynants (TLJ), Manuel Quinziato (BMC) und der belgische Meister Jens Debusschere bilden. Zu dieser Zeit scheinen sich die Teams unklar darüber zu sein, wer Führungsarbeit leisten soll im Peleton.
An dieser Stelle erinnert dies sehr an die Flandern-Rundfahrt 2015, in der sich Alexander Kristoff und Niki Terpstra 25 km vor dem Ziel absetzen konnte, und das Feld wegen Uneinigkeit nicht mehr rechtzeitig aufschließen konnte.
Es bildet sich eine Verfolgergruppe von Wiggins und Stijn Vandenbergh, gemeinsam mit Zdenek Stybar (EQS) and Jens Debusschere (LTS). Ob hier zu diesem Zeitpunkt bereits der Sieger in dieser Gruppe fährt? Für die Fans ein unglaublich spannendes Rennen!
Kommt es zu einem Massensprint?
Doch lange währt das Glück der Verfolger nicht. 28 km vor dem Ziel holt das Peleton die Gruppe um Wiggins ein. Dies mag an mangelnder Harmonie der Fahrer untereinander liegen. Da die Ausreißer nur noch eine halbe Minute Vorsprung haben, sieht es zu dieser Zeit danach aus, als würde es im Velodrom von Roubaix 2015 zu einem Massensprint um dem Sieg beim Frühjahrsklassiker kommen.
20 km vor dem Ziel in Roubaix attackieren Borut Bosic (AST) and Jurgen Roelandts (LTS). Roelandts führt kurz danach alleine das Rennen an. Und macht einfach sein Ding, ohne sich an dem zu stören, was hinter ihm passiert. Schnell kann er 12 Sekunden Vorsprung holen. Aber: nicht kurz danach lassen sich Niki Terpstra und John Degenkolb sehen. Schließlich wollen sich beide, als Favoriten auf den Sieg bei der Königin der Klassiker, die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Und auch Peter Sagan zeigt sich endlich wieder. Deutlich weiter hinten ist zu dieser Zeit der Flandern-Sieger vom vergangenen Wochenende, der Norweger Alexander Kristoff.
Das Rennen naht sich dem Ende – Degenkolb in Fahrt!
Im letzten Sektor des Rennens, sieben km vor dem Ziel, schließen John Degenkolb und sein Teamkollege Bet De Backer zu Greg van Avermaet and Yves Lampaert auf, die zuvor gemeinsam attackiert und die Gruppe hinter sich gelassen hatten. Doch die Gruppe kann sich so nicht halten, Zdenek Stybar kann aufschließen, De Backer fällt zurück.
Die entscheidene Fahrt ins Velodrom
Zu siebt ziehen die Führenden ins Velodrom ein, Lars Boom (AST), Martin Elmiger (IAM), Jens Keukeliere (OGE), Zdenek Stybar (EQS) , Yves Lampaert (LTS), Greg Van AVermaet und John Degenkolb (TGA).
Am Ende hat ein grandioser John Degenkolb den kühleren Kopf und die besseren Beine. Der Deutsche holt sich damit nach Mailand – San Remo mit Paris – Roubaix den zweiten Klassiker-Sieg im Jahr 2015. Degenkolb schreibt damit erneut Radsportgeschichte!
Nach 1896, dem ersten und letzten Sieg eines Deutschen bei Paris – Roubaix holt damit endlich wieder ein Deutscher den Sieg bei der Königin der Klassiker. John Degenkolb zeigt sich nach einer Verletzung an der Hüfte, die in bei der Flandern-Rundfahrt noch ausbremst hat, wieder in Bestform.
Degenkolb verweist bei seinem Sieg die weiteren Favoriten Zdenek Sybar und Greg van Avermaet auf die Plätze zwei und drei.
Die ersten fünf bei Paris – Roubaix 2015
1. John Degenkolb (Germany, TGA)
2. Zdenek Stybar (Czech Republic, EQS)
3. Greg Van Avermaet (Belgium, BMC)
4. Lars Boom (Netherlands, AST)
5. Martin Elmiger (Switzerland, IAM)
Team Sky chancenlos bei der Königin der Klassiker
Bevor er seine Straßen-Rennkarriere beendet, wollte es Bradley Wiggins bei seinem heutigen letzten Rennen noch einmal allen zeigen. Doch das Team Sky blieb chancenlos. Wiggins wurde zeitweise abgehängt, als Etixx Quick Step für seine Fahrer Niki Tersptra and Zdenek Stybar erhöhte. Am Ende hatte der frühere Tour de France-Sieger keine Chance mehr. Wiggins Teamkollege Geraint Thomas wurde durch einen Sturz bei km 164 ausgebremst, und danach von Sky aufgegeben worden. So schnell kann das manchmal gehen bei den Klassikern, du bist aus dem Rennen, obwohl du noch auf dem Rad sitzt, und warst vorher noch ein Favorit.
Letzter Kilometer:
https://www.youtube.com/watch?v=OETt4FTM3XU