Mit dem BH Ultralight kehrt der baskische Traditionshersteller BH Bikes 2016 zurück ins Profipeloton – als Sponsor des Europcar-Nachfolgers Direct Energy. Velomotion hatte die Gelegenheit, den Renner ausgiebig zu testen.
Leicht, wendig, individuell, teuer – diese vier Adjektive geben eine erste Orientierung für das BH Ultralight. Vier Wochen lang hatte Velomotion Gelegenheit, jenes Rad zu testen, das Thomas Voeckler, Sylvain Chavanel und Co. in der kommenden Saison zu Siegen tragen soll. Wobei dies streng genommen nicht ganz korrekt ist: Die Profis von Direct Energy werden auf einem gewichtsoptimierten Modell Ultralight Evo unterwegs sein. Dessen Set-Gewicht bestehend aus Rahmen, Gabel und Steuersatz soll nach Angaben von BH unter 1.000 Gramm liegen. Das getestete „normale“ Ultralight kommt mit der identischen Geometrie, aber minimal höherem Rahmengewicht.
Bei beiden Versionen kommt ein Herstellungsverfahren zur Anwendung, das BH „Hollow Core Internal Molding“ nennt. Dabei werden die später hohlen Rohre gefüllt mit einem Schaumstoff und von selbigem auch von außen ummantelt. Dadurch wird beim Backen von beiden Seiten ein hoher Druck auf das Material ausgeübt. Dieser kann an manchen Stellen verstärkt, an anderen verringert werden. Resultat ist ein Rahmen mit sehr unterschiedlichen Wandstärken. Diese sind massiv, wo es notwendig ist, etwa am Tretlager, und teilweise extrem dünn, beispielsweise in der Mitte des Oberrohrs. BH erreicht mit diesem Verfahren nach eigener Angabe in Größe SM ein Rahmengewicht von 700 Gramm beim Modell Ultralight Evo und 760 Gramm beim Ultralight. Trotz des Fliegengewichts versprechen die Basken höchste Stabilität, gewährleisten 10 Jahre Garantie und sprechen kein Gewichtslimit für den Fahrer aus. Das relativiert den recht hohen Preis von 5.299,- Euro für das Komplettrad.
Gefällige Optik, angenehme Sitzposition
Das BH Ultralight ist optisch gefällig und bietet harmonische Rohrformen. Insbesondere die weiche Schnittstelle zwischen Sitzrohr, Sitzstreben und Oberrohr sticht ins Auge. Dezente Rot-Tupfer lockern das ansonsten schlichte matt-schwarze Design auf, hätten aber gerne auch auf den Decals der hauseigenen Anbauteilen wie Lenker, Vorbau, Stütze oder Laufrädern fortgeführt werden können.
Einmal im Sattel fielen besonders das niedrige Gewicht und die Wendigkeit des Rades auf. Die Sitzposition ist gedrungen-sportlich. Man sitzt nicht zu gestreckt, aber auch nicht zu aufrecht. Die Sattel-Lenker-Überhöhung ist ebenfalls ausgewogen: deutlich spürbar, aber nicht zu extrem. Insofern hat BH hier eine gute Mitte getroffen zwischen der rennmäßigen Haltung, in die BHs Aero-Renner G7 Disc den Fahrer zwingt, und den aufrechten Sitzpositionen, die viele Endurance-Modelle heutzutage bieten.
Ausgehend von der ansprechenden Geometrie bereitete das BH Ultralight bei den verschiedenen Ausfahrten viel Freude. Es lässt sich aufgrund des geringen Gesamtgewichts von 6,9 Kilogramm ohne Pedale in Größe LA am Berg und im Sprint spritzig beschleunigen. Die Steifigkeitswerte im Tretlager und Lenkkopf sind hoch, die investierte Kraft wird ohne Umschweife in Vortrieb umgesetzt. Die Fahrstabilität ist über jeden Zweifel erhaben, das Rad lässt sich präzise steuern und auch auf schnellen Abfahrten jederzeit kontrollieren. Was den Komfort am Heck angeht, präsentierte sich das Ultralight solide, aber nicht herausragend. Die Kombination aus BH-typisch stark abfallendem Oberrohr, sehr dünnen Sitzstreben und Carbon-Sattelstütze mit 27,2 Millimeter Durchmesser bügelt viele Unebenheiten der Straße weg. Explizit auf Fahrkomfort ausgelegte Rennräder federn aber spürbar mehr.
Gelungene Ausstattung
Die Ausstattung überzeugte zu weiten Teilen. Die elektronische Ultegra DI2-Schaltung arbeitete gewohnt gut. Sie ist zwar „nur“ die Nummer zwei aus dem Hause Shimano, Hobbyfahrer werden aber keine Nachteile im Handling oder Schaltverhalten feststellen können. Allenfalls das Gewicht bietet Potenzial nach oben, der Aufpreis zur leichteren Dura Ace DI2 ist jedoch saftig. Die Schaltvorgänge waren außergewöhnlich schnell und präzise, auch mit dicken Winterhandschuhen gelingt die Bedienung der Schalttasten problemlos. Der Akku verschwindet elegant im Inneren der Sattelstütze. Die Kabel sind vollständig in den Rahmen integriert, wobei dieser sowohl elektronische als auch mechanische Schaltungen aufnimmt.
Anstelle der Ultegra-Kurbel setzt BH beim Ultralight auf eine Rotor 3DF-Kompaktkurbel im BB386-Evo-Tretlager, die für ein geringeres Gewicht und höhere Steifigkeit sorgen soll. Beim Testrad überraschte diese jedoch zunächst mit nerventötendem Knacken. Nach einigen Tröpfchen Schmiermittel legte sich die Beschallung erfreulicherweise vollständig.
Am Hinterrad war eine Kassette mit 11-25 Zähnen verbaut, was an Steigungen deutlich über zehn Prozent – wie sie das Testrevier Schwäbische Alb zahlreich bereit hält – etwas knapp bemessen ist. Da BH Bikes eine klassische Fachhandelsmarke ist und allein in Deutschland von 120 Radhändlern geführt wird, ist es jedoch kein Problem, bei einem Kauf die Montage einer bergtauglicheren Übersetzung zu veranlassen.
Schicke Laufräder
Ein Hingucker am BH Ultralight waren definitiv die BH Evo C38 Laufräder. Diese setzen sich zusammen aus leichten Alu-Naben mit Industrielagern, Messerspeichen und 38 Millimeter hohen Carbonfelgen für Drahtreifen. Nach Angabe von BH bringt der Satz 1.500 Gramm auf die Waage – ein guter, aber keinesfalls berauschender Wert, bewegen sich doch zahlreiche Aluminium-Laufradsätze in der gleichen Kategorie. Der Tester konnte mit seinen knapp 74 Kilogramm Körpergewicht keine Probleme mit der Seitensteifigkeit der Laufräder feststellen.
Das Bremsverhalten war weitestgehend unproblematisch: Die Kombination von Carbonflanken mit blauen Bremsbelägen ohne genaue Herkunftsbezeichnung verzögerte jederzeit kontrollierbar und sicher, auch bei schnellen, kurvenreichen Abfahrten auf nasser Straße. Bei sehr starken Bremsmanövern machte sich jedoch ein leichtes Bremsruckeln bemerkbar. Die Michelin-Lithion2-Reifen boten sicheren Grip in den Kurven, Pannen traten in den Wochen des Radtests trotz häufig schlechter äußerer Bedingungen, Steinchen und Scherben auf den Wegenkeine nicht auf. Fast exotisch mutete die Reifenbreite von 23 Millimetern an, rollen Rennräder mittlerweile doch mehrheitlich auf 25 Millimeter Pneus vom Stapel.
Lenker, Vorbau und Sattelstütze entpuppten sich als solide. Die Anbauteile firmieren wie die Laufräder unter dem BH-eigenen Label Evo. Die Lenkerbreite von mittig gemessen 44 Zentimetern ist ungewöhnlich für ein Rad in Größe L. Schmalere Lenker sind in dieser Rahmenhöhe üblicher. Von der 31,8 Millimeter breiten Klemmung verjüngte sich der Lenker überraschend stark nach außen. Bereits in Oberlenkerhaltung ist das Griffgefühl recht dünn. Das Lenkerband von BH fühlte sich hingegen sehr angenehm an und dämpfte gut.
Der San Marco Concor-Sattel ist Geschmackssache. Der Tester kam mit dessen Passform und glatter Oberfläche gut zurecht, jedermanns Sache wird er aber vermutlich nicht sein. Doch auch hier gilt: Als Fachhandelsmarke kann BH Bikes schnell Abhilfe schaffen, zumal gerade der Sattel ein sensibles Anbauteil ist und die Serienausstattung eines Rades in den seltensten Fällen zu Gewohnheiten und Anatomien aller Kunden passt.
Fazit: BH Ultralight Ultegra Di2
Das leichte BH Ultralight Ultegra DI2 fährt sich ausgesprochen wendig. Am Berg und im Sprint beschleunigt es sehr gut. Die Steifigkeitswerte sind hoch, die angenehme Sitzposition ist sportlich ohne extrem zu sein. Der Komfort ist solide, steht aber nicht im Mittelpunkt. Beim Training in der Gruppe war das vergleichsweise exotische BH ein Hingucker und Gegenstand vieler interessierter Nachfragen. Unterm Strich lässt sich resümieren: ein technisch hochwertiges, optisch interessantes Rad, das nicht jeder fährt und mit dem man wenig falsch, aber vieles richtig macht. Trotz großzügiger Garantie-Bestimmungen bleiben 5.299,- Euro jedoch sehr viel Geld für ein Rennrad.
Web:
BH Bikes Ultralight Ultegra DI2