Test: Auf den fabelhaften Trails Südfrankreichs hatten wir die Chance uns mit dem neuen Focus Jam Squared vertraut zu machen. Nicht weniger als eine Neudefinition des Mountainbikens wurde versprochen und ich wurde nicht enttäuscht, so viel kann ich sagen. Das Jam Squared ist ein 140er All Mountain das viel Spaß in jedem Geläuf macht, bergauf, wie bergab.
„We stop doing E-Bikes…“ war der Satz in der Präsentation der mich die Stirn runzeln ließ. Aber nach genauer Erläuterung der Macher des Jam Squared habe ich das Konzept verstanden. Das Rad soll sich nicht fahren wie ein E-MTB, es soll sich anfühlen wie ein Mountainbike, ohne wenn und aber. Das oft etwas spezielle Fahrverhalten vieler motorisierter Gelände-Räder gefällt mir nur bedingt. Das fällt auf Forststraßen nicht weiter auf, aber Fahrer, die Ihr Rad aktiv auf anspruchsvollen Trails bewegen wollen stören sich oft an Details. Teils extrem lange Kettenstreben, unnötig hohes Gewicht, klappernde Akkus, Exponierte und empfindliche Displays… lauter Sachen die eigentlich nicht an ein Mountainbike gehören. Focus hat mit dem Jam Squared ein Rad geschaffen welches sich ganz klar an „echte Biker“ richtet. Auch auf Forststraßen und in leichtem Gelände macht es Spaß, aber eben nicht nur.
Das Bike
Kompakt und aufgeräumt wirkt das Focus Jam. Die Batterie ist im Unterrohr integriert, kein Buckel auf dem Unterrohr in welchem sich der Akku verbirgt. Kein klobiges Display thront auf dem Lenker, es ist geschützt neben dem Vorbau angebracht. Alle Leitungen und Kabel werden im Rahmen geführt und treten erst kurz vor ihrem Ziel ans Tageslicht. Das Jam Squared wird als 29 Zöller oder mit dem immer beliebteren „Plus“ Format angeboten. In 29 Zoll passen Reifen bis 2.6 drauf in 27,5 Zoll wird direkt mit 2,8 Schwalbe Reifen ausgeliefert. So sind wir das Rad auch gefahren. Es wird 6 Modelle geben, von 3.999€ bis 6.499€, 3 in 27,5+ und 3 in 29 Zoll. Beim Heck haben die Konstrukteure bewusst auf etwas weniger „anti-Squat“ gesetzt, das heißt das Heck setzt Wiegetritt weniger entgegen, der Hinterbau fühlt sich aber noch satter an. Durchaus eine gute Überlegung, bei einem Rad, bei dem man doch deutlich mehr im Sattel pedaliert als bei einem herkömmlichen Mountainbike. Das Heck ist zu Anfang besonders sensibel ausgelegt und wird gegen Ende progressiver. Beide Versionen haben unterschiedliche Tretlagerhöhen und kommen mit angepassten Kurbellängen. Unter dem Unterrohr befinden sich zwei Schrauben, welche den Akku spielfrei fixieren. Auf der Oberseite des Rohrs kann über eben diese Schrauben das sogenannte „Bone-Rail“ befestigt werden, welches einen zweiten Akku oder auch das Smart Rack aufnimmt. An dem kann allerlei Nützliches, wie Trinkflasche, Werkzeug, Schlauch usw. mit auf die Fahrt.
Focus Jam: Die Geometrie
Je nach Federgabel sorgen 66,5 bis 66,2 Grad Lenkwinkel für einen sehr guten Kompromiss aus Laufruhe und Wendigkeit. Der Sitzwinkel ist mit 74, 5 Grad steil genug um auch an steilen Streckenabschnitten sauber klettern zu können. Der Hinterbau des Focus Jam Squared misst bei der 27,5+ Ausführung nur 457 Millimeter. Ein Wert der auch bei unmotorisierten Rädern mit dieser Reifengröße meist kaum geringer ausfällt und die Wendigkeit mitbegründet mit der sich das Rad in der Praxis bewegen lässt. Dabei bekommt das Jam für jede Größe einen eigenen Hinterbau spendiert, es wird nicht einfach ein Hinterbau für beide Laufradgrößen genutzt. Der Reach von 430 Millimetern bei einem M Rahmen sollte die allermeisten Fahrer glücklich machen können.
Focus Jam: Der Antrieb
Die Wahl des Antriebs fiel auf Shimanos neuen E-8000. Begründet wird das von Focus mit einer optimalen Leistungsentfaltung, einem geringen Q-Faktor, dem schnellen Ansprechen auf Pedalbewegung, extrem geringen Widerstand beim Fahren ohne Motorunterstützung und intuitiver Bedienbarkeit. Von einem „Tailored Energy Concept“ spricht man beim Focus Jam. Gemeint ist die vollkommene integration der Batterie im Unterrohr. Neben einer cleanen und modernen Optik ist sie hier auch optimal geschützt. Um Hitzestau im Unterrohr zu vermeiden, welcher die optimale Arbeit des Akkus beeiträchtigen könnte hat man „Airflow“ ersonnen. Eine Belüftung, die das zirkulieren der Umgebungsluft ermöglichet und bei schnellerer Fahrt zusätzlich auch noch eine Art Windchill-Wirkung bringen soll.
Wem die 378 Wattstunden des Akkus wenig erscheinen, dem kann ich entgegnen: Wir hatten damit auf einer augiebigen Tour unseren Spaß und hatten noch Reserven, als wir wieder ankamen. Für die jenigen, die auf Nummer sicher gehen wollen oder sehr lange Touren fahren gibt es auch einen Lösung. Eine zweite Batterie kann auf dem Unterrohr montert werden. Somit stehen 760 Wattstunden zur Verfügung, das reicht für jeden. Der Zweitakku mit Adapterplatte und dem erwähnten Smart Rack zusammen wird nur 499€ kosten. Das Kabel um den Zweitakku anzuschließen wird elegant unter dem Oberrohr versteckt. Neben dem Trigger Hebel zur Bedienung, den man sonst von der Shimano Schaltung für den Umwerfer kennt, über das gut lesbare und auf das wesentliche reduzierte Display: Alles passt, selbst der Magnet der bei vielen E-Bikes unschön in de Speichen sitzt ist auf der Bremsscheibe versteckt. Nur warum die Schiebehilfe so ausgelegt ist, dass nicht im Schiebebetrieb geschaltet werden kann konnte ich nicht nachvollziehen. Die 2,1 Kilo schwerere Batterie soll nach 1000 Ladezyklen noch mindestens 70 Prozent ihrer Kapazität haben. Für die, die es eilig haben, soll auch ein Schnellladegrät erhältlich sein.
Focus Jam: Testfahrt
Das größte Kompliment, was ich dem Rad machen kann: Bergauf war mir stets bewusst, dass ich ein leistungsfähiges E-Bike fahre und Bergab habe ich es oft vergessen. Der Hinterbau arbeitet hervorragend, die Behauptung, dass man komplizierte Mehrgelenker bräuchte wird vom Focus Jam Squared ad absurdum geführt. Der Eingelenker verfügt über eine schlau ausgetüftelte Dämpferanlenkung und braucht keine spektakuläre Raderhebungskurve. Dazu vermitteln die dicken Reifen viel Sicherheit im groben Geläuf und ermöglichen wilde Kletterpartien. Auch am Lenker ist jeder Hebel da, wo er soll und alles ist gut erreichbar. Es kommt selten vor, dass ich an einem Testbike nicht einige Einstellungen verändere.
Natürlich ist das Focus Jam immer noch schwerer als ein Bike ohne Antrieb, aber ein Gewicht unter 21 Kilo ist für ein Bike mit dieser Ausstattung ein sehr guter Wert. Bei jedem Schiebe- oder Tragestück, selbst beim Verladen des Rades ist jedes Kilo spürbar. Auf dem Trail eben auch und so unterstützt das relativ geringe Gewicht den positiven Fahreindruck. Das Rad vermittelt stets Sicherheit und ermutigt zu ambitionierter Linienwahl.
Mein Fazit: Versprechen gehalten! Wenn sich E-Mountainbikes weiter in die Richtung entwickeln welche das Focus Jam Squared mit vorgibt, dann werden sich auch hartnäckige E-MTB Gegner überzeugen lassen. Das Rad macht unglaublich viel Spaß und ist eins meiner Highlights für die kommende Saison.
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