Test: Vor wenigen Wochen präsentierte der kanadische Kulthersteller Rocky Mountain die neue Evolutionsstufe seines Allroundbikes Altitude. Auch wenn sich das Trailbike im Kern treu bleibt, bekommt man mit dem komplett neuen Rahmen eine modernere Geometrie, mehr Abfahrtsreserven und eine etwas konsequentere Ausrichtung. Wir sind das neue Schmuckstück beim Bike Festival in Riva testgefahren.
Das Rocky Mountain Altitude ist ein guter alter Bekannter, doch für das Modelljahr 2018 bleibt vom 2013 erstmals erschienenen Trailbike fast nur noch Namen und Ausrichtung erhalten. Der Rahmen der kanadischen Offroad-Waffe wurde komplett neu konstruiert, die Geometrie erhielt in diesem Zuge eine umfassende Frischzellenkur und auch bei der Ausstattung hat sich doch einiges getan im Vergleich zu den Vorjahren. Offiziell wird das neue Altitude ab Juni in den Handel kommen, doch beim Bikefestival in Riva gab es einige Testräder, die man auf die wunderschönen Trails des Gardasees entführen durfte – diese Gelegenheit ließen wir uns natürlich nicht entgehen.
Rocky Mountain Altitude 2018: Alles neu und doch beim Alten?
Das Altitude war schon seit seiner Einführung vor nunmehr vier Jahren die Allzweckwaffe im Sortiment des kanadischen Kultherstellers – ob man es nun in die neue Schublade der Trailbikes steckt, es als All Mountain oder – im Falle des 2018er Modells – als Mini-Enduro bezeichnet bleibt jedem selbst überlassen. Geblieben sind die 150mm Federweg am Heck, mit der auch schon das Vorgängermodell die Trails rund um den Globus unsicher machte. An der Front setzt man beim 2018er Altitude in allen Ausstattungsvarianten auf potente 160mm Federgabeln wie die Fox 36 oder die Rock Shox Yari. Die aus der Vergangenheit bekannten Rallye Editions entfallen damit.
Bei den Laufrädern setzt man auf ganz klassische 650b Dimensionen – zumindest überwiegend. Die Kompletträder kommen in allen Varianten mit Maxxis neuen WT (Wide Trail) Reifen, die ein wenig breiter bauen als ihre klassischen Pendants, aber keine Plus-Reifen im eigentlichen Sinne sind. In Zahlen ausgedrückt heißt das, dass die neuen Altitudes mit 2.4er Reifen hinten und 2.5er vorn kommen. Im neuen Hinterbau ist jedoch noch deutlich mehr Platz für dickere Reifen. Ganz offiziell gibt man den Käufern auch die Freigabe für 26+ Reifen, die zwar noch immer Exotenstatus besitzen, aber für Plus-Fans eine sicherlich interessante Option darstellen dürften.
Zu den wirklich gelungenen Rahmendetails zählen neben der elegant integrierten Kettenführung auch das geräumige Rahmendreieck, in dem problemlos auch große Trinkflaschen Platz finden. Wer also auf dem Hometrail auch gerne mal ohne Trinkblase unterwegs ist, findet in dem Altitude einen passenden Begleiter.
Beibehalten hat man das bei Rocky-Fans bereits bestens bekannte Ride-9 System. Simpel gesagt handelt es sich dabei um eine Geometrieverstellung mit Hilfe eines (bzw. zweier) quadratischer Plättchen an der Dämpferaufnahme. Im ersten Moment dachten wir, die Konstrukteure hätten beim Altitude nun auf das bewährte und in der Vergangenheit auch beliebte System verzichtet, da das erwähnte Plättchen an der Aufnahme am Oberrohr fehlt. Es befindet sich nun am Umlenkhebel – laut Rocky Mountain ist so eine elegantere und leichtere Konstruktion möglich.
Durch das Drehen des Plättchens verändern sich Lenk- und Sitzwinkel, damit ebenso Reach, Stack, Tretlagerabsenkung und auch die Hinterbaucharakteristik. Neun Positionen bietet Ride-9 und diese lassen sich nur mit einem Inbusschlüssel und in wenigen Minuten wechseln. Den Lenkwinkel kann man so beispielsweise in kleinen Schritten um 1,1° zwischen 65 und 66,1° anpassen.
Rocky Mountain Altitude 2018: Geometrie
Variable Geometrie schön und gut, aber die Grundcharakteristik des Bikes bleibt in allen neun Positionen natürlich erhalten. Flacher Lenkwinkel, langer Reach, tiefes Tretlager und effiziente Tretposition – die Geometrie des neuen Altitude hat eine ordentliche Frischzellenkur erhalten. Im Zusammenspiel mit dem kurzen und breiten Cockpit, dem potenten Fahrwerk und den breiten Schlappen vermittelt das Rocky Mountain Altitude schon auf dem Papier eine ganze Menge Sicherheit.
Geometrie Rocky Mountain Altitude (Flach)
XS | S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 368 | 394 | 432 | 470.5 | 508.5 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 548 | 578 | 603 | 628 | 658 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 110 | 120 | 130 | 145 |
Kettenstrebe (in mm) | 426 | 426 | 426 | 426 | 426 |
Radstand (in mm) | 1122 | 1153 | 1180 | 1206 | 1239 |
Lenkwinkel (in °) | 65 | 65 | 65 | 65 | 65 |
Sitzwinkel (in °) | 74 | 74 | 74 | 74 | 74 |
Reach (in mm) | 380 | 407 | 430 | 452 | 479 |
Stack (in mm) | 589 | 595 | 604 | 613 | 628 |
Geometrie Rocky Mountain Altitude (Steil)
XS | S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 368 | 394 | 432 | 470.5 | 508.5 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 545 | 575 | 600 | 625 | 655 |
Steuerrohr (in mm) | 100 | 110 | 120 | 130 | 145 |
Kettenstrebe (in mm) | 426 | 426 | 426 | 426 | 426 |
Radstand (in mm) | 1119 | 1150 | 1177 | 1204 | 1236 |
Lenkwinkel (in °) | 66.1 | 66.1 | 66.1 | 66.1 | 66.1 |
Sitzwinkel (in °) | 75.1 | 75.1 | 75.1 | 75.1 | 75.1 |
Reach (in mm) | 391 | 419 | 441 | 464 | 490 |
Stack (in mm) | 578 | 587 | 596 | 604 | 619 |
Rocky Mountain Altitude 2018: Modelle und Preise
Für unsere Testfahrt nahmen wir auf dem Altitude Carbon 70 Platz – mit etwas weniger als 6.000€ ganz gewiss kein Fall für Pfennigfuchser, doch immer noch um einiges günstiger als das fast 8.000€ teure Topmodell Altitude Carbon 90. Aber keine Sorge: Anders als beim Slayer wird es das neue Altitude auch mit Alu-Rahmen geben; das Einstiegsmodell Altitude Alloy 30 liegt bei 3.000€ und kommt dafür schon mit Rock Shox Yari Gabel und Race Face Variostütze. Wer seine Bikes lieber selbst aufbaut, der kann bei Rocky Mountain auch auf das Frameset zurückgreifen, das jedoch nur als Carbonvariante erhältlich ist und mit 3.700€ zu Buche schlägt. Zum Lieferumfang gehört hier jedoch wie bei den beiden Topmodellen Carbon 90 und Alloy 70 ein noch nicht näher spezifizierter Dämpfer von Fox, der in den kommenden Wochen offiziell vorgestellt wird.
Rahmenmaterial: Carbon
Federgabel: Fox 36 Float EVOL FIT4 Factory
Dämpfer: TBA
Schaltung: SRAM X01 Eagle
Bremsen: SRAM Guide RSC 180mm
Preis: 7.900€
Rahmenmaterial: Carbon
Federgabel: Fox 36 Float EVOL FIT4 Performance Elite 160mm
Dämpfer: Fox Float DPS EVOL Performance Elite
Schaltung: Shimano XT
Bremsen: Shimano XT
Preis: 5.900€
Rahmenmaterial: Carbon
Federgabel: Fox 36 Float EVOL Grip Performance 160mm
Dämpfer: Fox Float DPS EVOL Performance
Schaltung: Shimano SLX
Bremsen: Shimano SLX 180mm
Preis: 4.800€
Rahmenmaterial: Aluminium
Federgabel: Fox 36 Float EVOL FIT4 Performance Elite 160mm
Dämpfer: TBA
Schaltung: Shimano XT
Bremsen: Shimano XT 180mm
Preis: 4.500€
Rahmenmaterial: Aluminium
Federgabel: Fox 36 Float EVOL Grip Performance 160mm
Dämpfer: Fox Float DPS EVOL Performance
Schaltung: Shimano XT/SLX
Bremsen: Shimano SLX 180mm
Preis: 3.500€
Rahmenmaterial: Aluminium
Federgabel: Rock Shox Yari RC 160mm
Dämpfer: RockShox Deluxe RT
Schaltung: SRAM NX
Bremsen: SRAM Level 180mm
Preis: 3.000€
Rahmenmaterial: Carbon
Dämpfer: TBA
Preis: 3.700€
Rocky Mountain Altitude Carbon 70: Ausstattung im Detail
Rahmen | SMOOTHWALL Carbon Ride-9 |
Federgabel | FOX 36 Float EVOL Fit4 Performance Elite |
Dämpfer | FOX Float DPS Evol Performance Elite |
Laufräder | DT Swiss 370 Boost / Stans Flow MK3 |
Reifen VR | Maxxis Minion DHF WT MaxxTerra 3C 2.5 |
Reifen HR | Maxxis Minion DHR II WT MaxxTerra 3C 2.4 |
Schaltwerk | Shimano XT 11-fach |
Schalthebel | Shimano XT |
Kurbel | Race Face Turbine Cinch 32t |
Umwerfer | |
Bremse | Shimano XT M8000 |
Bremsscheiben | Shimano XT 180mm |
Sattelstütze | FOX Transfer Performance |
Sattel | WTB Silverado Race |
Vorbau | Rocky Mountain 35 AM |
Lenker | Race Face Turbine R 780mm |
Kommen wir nun zu einem spannenden Kapitel – nämlich der Ausstattung des von uns getesteten Modells. Das Altitude Carbon 70 kostet 5.900€ – eine ganze Menge Holz und die Erwartungen sind im ersten Moment recht hoch. Hält man sich jedoch vor Augen, dass allein der hochwertige Carbonrahmen einzeln mehr als 3.500€ kostet, relativiert dies den Gesamtpreis ein wenig und die Enttäuschung über die hochwertige, aber keineswegs edle Ausstattung verfliegt ein wenig. Doch eines nach dem anderen.
Das Fahrwerk stammt komplett von US-Hersteller Fox. Im kurzen Steuerrohr steckt eine neue Fox 36 Float EVOL Fit4 Gabel mit satten 160mm Federweg. Nicht nur wegen der farblich abgestimmten Decals passt die bullige Forke optisch perfekt zum Rahmen. Die Fit4 Dämpfungskartusche lässt sich per Drehhebel an der Gabelkrone in drei Modi (Firm-Medium-Open) auf Bedürfnisse und Gegebenheiten anpassen. Gleiches gilt für den Dämpfer, dessen DPS Dämpfung die gleichen Möglichkeiten bietet und auch während der Fahrt per Daumenhebel gut einzustellen ist.
Bei der Schaltung setzt Rocky Mountain auf Shimanos XT Antrieb: Das M8000 Schaltwerk lässt die Kette gewohnt sanft auf der 11-46t Kassette von Ritzel zu Ritzel gleiten. Als Kurbel kommt die Turbine von den kanadischen Landsmännern von Race Face zum Einsatz. An den gefälligen und schön gefrästen Kurbelarmen steckt ein Narrow Wide Kettenblatt mit 32 Zähnen und bietet damit eine ordentliche Bandbreite für die meisten Einsatzgebiete – die entsprechende Grundfitness vorausgesetzt. Mehr Race Face Teile finden wir am Cockpit: Der 780mm breite Alu-Lenker stammt aus der neuen Turbine R Serie (R für Rallye), die speziell für besonders starke Belastungen bei gleichzeitig geringem Gewicht optimiert wurde.
Für die nötige Bremskraft, um das ca. 13kg schwere Carbon-Geschoss auf dem Trail zum Stehen zu bringen, sorgt die M8000 XT Bremse von Shimano. Etwas überrascht waren wir angesichts der 180mm Scheibe am Vorderrad – gerade angesichts der ansonsten sehr auf Abfahrt ausgelegten Ausstattung hätten wir hier mit 203mm gerechnet. An einem Rad wie dem Altitude darf natürlich eine versenkbare Sattelstütze nicht fehlen – hier lässt man sich auf keine Experimente ein und verbaut die neue Transfer Stütze von Fox, die auch in unserem großen Variostützen-Test bereits ihre Qualität unter Beweis stellen konnte.
Ein kleines Schmuckstück sind die verwendeten Laufräder und auch hier zeigt sich die lange Erfahrung, die man bei Rocky Mountain in diesem Bereich besitzt. Man vertraut hier nämlich auf bewährte Technik und tausendfach erprobte Materialien und ein Duo aus DT Swiss Naben und Stan’s No Tubes ZTR Flow MK3 Felgen. Die im letzten Jahr vorgestellten neuen Flow Felgen mit 29mm Innenweite hatten wir unlängst selbst im Test und waren vom Handling und der Haltbarkeit äußerst überzeugt.
Komponenten: Test: Stan’s No Tubes ZTR FLOW MK3 Laufradsatz
Test: Breitere Felgen – Breite Reifen, so ist der Trend unserer Zeit, auch im Hause Stans No Tubes zieht sich dieser durch das Konzept der neuen Serie MK3 welche ordentlich an Breite gewonnen hat.Vorgänger der MK3 ist die ZTR FlOW EX Felge mit 25,5mm Breite, der Neue Stern am Endurofelgenhimmel hat hier auf 29mm Innenweite […]
Zu den Reifen haben wir bereits eingangs einige Worte verloren: Das Maxxis Duo aus DHF in 2,5er Breite vorn und DHR II als 2,4 Zoll Variante in 3C MaxxTerra Mischung. Eine äußerst potente Kombination für ein Rad in dieser Klasse und sicherlich nicht die Reifen mit dem geringsten Rollwiderstand. Dafür mit umso mehr Reserven wenn es auf dem Trail richtig zur Sache geht.
Rocky Mountain Altitude 2018: Erste Fahreindrücke
Im Rahmen des Bike Festivals in Riva hatten wir die Chance, das neue Altitude für eine kurze Probefahrt vom Gelände zu entführen. Der erste Wow-Effekt stellte sich jedoch noch vor dem Fahren ein, denn das neue Rocky sieht schlicht und ergreifend geil aus. Farbgebung, Rahmendesign, Komponentenwahl – zumindest optisch stimmt hier einfach alles. Die Wahrheit liegt zwar immer auf dem Trail, aber das Auge fährt nun einmal mit und hier gibt’s schon ein mal die volle Punktzahl für die kanadische Trailfräse.
Nicht minder beeindruckt waren wir beim ersten Antritt – hier spielt sicherlich das geringe Gewicht eine Rolle, aber auch der neutrale, dennoch stets aktive Hinterbau und die zentrale Sitzposition vermitteln ein ungemein direktes Gefühl. Der Antritt landet direkt auf dem Trail und Uphill-Passagen sind damit wirklich gar kein großes Thema mehr – trotz des üppigen Federwegs. Als limitierender Faktor kann sich jedoch je nach Fitnesszustand und Steigung die doch sportliche Übersetzung herausstellen: Der kleinste Gang 32-46 verlangt an steilen Rampen ganz schön Kraft in den Beinen.
Hat man jedoch die Arbeit in Form des Uphills hinter sich gebracht, zaubert das neue Altitude schon nach wenigen Minuten auf dem Trail wohl jedem Mountainbiker ein breites Grinsen ins Gesicht. Wir waren mit einem recht straff abgestimmten Fahrwerk und der flachen Einstellung des Ride-9 Systems unterwegs und so bekamen wir ein enorm spritziges Fahrgefühl und das Bike lud trotz der breiten Schlappen, dem langen Radstand und den flachen Winkeln ordentlich zum Spielen ein. Wenn es dann mal etwas gröber zur Sache ging, machten sich aber die großen Reserven im Fahrwerk und auch bei den Reifen bemerkbar und griffen uns ordentlich unter die Arme.
Das Rocky Mountain Altitude war für beide unserer Tester ein richtiges Wohlfühl-Bike. Mit viel Pop im Fahrwerk, dem geringen Gewicht und dennoch hoher Laufruhe, wenn es dann doch mal schnell und ruppig wird, muss man sich durchaus fragen, in welche Schublade das Altitude denn nun am besten passt. Denn wir sind ehrlich: Bei der ersten Lektüre der Eckdaten auf dem Papier haben wir uns ernsthaft gefragt, wieso die Damen und Herren bei Rocky Mountain ihren neuen Sprössling in die Trailbike-Ecke stellen und hatten auch ein wenig die zuständige Marketing-Abteilung unter Verdacht. Aber nach unserer (leider viel zu kurzen…) Probefahrt sahen wir die Sache schon wieder ganz anders. Das Altitude fühlt sich nicht an wie ein Rad mit 160 bzw. 150mm Federweg. Auch wenn es keine Kletterziege ist, geht es sehr gut den Berg nach oben – insbesondere wenn man die Plattformdämpfung am Hinterbau aktiviert. Selbst im komplett offenen Modus hält sich das Wippen jedoch in engen Grenzen. Zeigt das Vorderrad dann nach unten, lädt jede Kante zum Abziehen ein und der Spieltrieb ist geweckt.
Zu Meckern haben wir wahrlich nicht viel. Klar, trotz der guten Eigenschaften ist die Ausstattung angesichts des hohen Preises etwas dürftig und Eisdielen-Biker müssen sich wohl woanders umsehen, oder zum knapp 8.000€ teuren Topmodell greifen. Funktionell gibt es aber wirklich kaum etwas zu beanstanden: Das Fahrwerk ist mit der 36er inklusive neuer Fit4 Kartusche für die allermeisten Fahrer ausreichend und auch die Laufräder sind für ein breites Einsatzgebiet geeignet. Lediglich die etwas dünne Bandbreite der Kassette und die 180mm Scheibe am Vorderrad könnten den einen oder anderen Fahrer etwas einschränken.