Test: Das kompakte Falt E-Bike GoCycle G3 kommt in diesem Jahr schon seiner dritten Generation auf den Markt, hat aber auch einige Jahre nach seiner Vorstellung nichts von seiner Faszination eingebüßt. Das Rad ist in vielerlei Hinsicht radikal anders als die Wettbewerber – ob das eher Vor- oder Nachteil ist, erfahrt ihr in unserem Test.
GoCycle G3: Gegen die Konvention
Ganze 15 Jahre ist es her, dass die Geschichte von GoCycle ihren Anfang nahm. Richard Thorpe, damals noch Ingenieur in der Formel 1 Abteilung des Automobilherstellers McLaren, wandte sich neuen Aufgaben zu, ließ seinen einstigen Traumjob hinter sich und entwickelte seine Vision des perfekten, kompakten Fahrrads. In seiner 1-Zimmer Wohnung in der Londoner Innenstadt tüftelte und bastelte der Brite – er folgte dabei bewusst eben nicht den bestehenden Konventionen der Fahrradbranche, probierte neue Dinge aus und brachte natürlich auch das entsprechende Know-How aus seinem bisherigen Werdegang mit.
So entstanden die ersten Prototypen des GoCycle – mit diesen im Gepäck machte sich Richard auf die Reise um den Globus und stellte das Konzept den großen und kleinen Herstellern der Fahrradbranche vor. Die Resonanz war jedoch überall ähnlich: Interessantes Konzept, aber nicht umsetzbar. Von diesem Rückschlag ließ sich der Mann hinter GoCycle aber nicht unterkriegen. Er gründete seine Firma Karbon Kinetics Ltd. und entwickelte seine Vision mit einigen Angestellten weiter. 2009 war es dann soweit: Als damals revolutionär kompaktes E-Bike wurde das GoCycle G1 der Weltöffentlichkeit präsentiert.
Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen und am grundlegenden Konzept hat sich seither nichts geändert. Inzwischen ist mit dem GoCycle G3 die dritte Version des kompakten und faltbaren E-Bikes erhältlich, die wir uns während eines Tests genauer ansehen durften. Und soviel gleich vorweg: Das GoCycle ist anders, als jedes Rad, das wir bisher in die Finger bekommen haben.
GoCycle G3: Innovation und High-Tech in stylischem Gesamtpaket
Man weiß beim GoCycle ehrlich gesagt gar nicht so recht wo man anfangen soll mit den Besonderheiten. Am meisten Platz nimmt jedoch nunmal der Rahmen ein und somit nehmen wir uns auch diesen als erstes vor. Beim ersten Anfass-Test taten sich selbst unsere erfahrenen Tester schwer, das Material genau zu bestimmen. Irgendwie fühlt es sich schon nach Metall an – aber dafür ist es insgesamt dann doch zu leicht. Carbon? Nee, auch das passt nicht zum kalten Gefühl in den Fingern. Der Rahmen des GoCycle besteht komplett aus Magnesium – das ist von einigen wenigen Exoten vor einigen Jahren abgesehen ein echtes Novum auf dem Fahrradmarkt. Dass die Rahmenform dabei ebenfalls noch von jeglicher bekannten Norm abweicht, gerät hier fast zur Nebensache. Im Hauptrahmen steckt übrigens nicht nur der Akku, auch sämtliche Kabel und die komplette Elektronik verschwinden in dem edlen Magnesium Gehäuse.
Nicht weniger bemerkenswert ist der Hinterbau. Nicht nur verfügt dieser über eine Federung für mehr Komfort, sondern darin verschwindet ebenso der komplette Antrieb: Kettenblatt, Kette, Nabe – alles unsichtbar und gut geschützt im Inneren. CleanDrive nennt GoCycle diese Technologie, die mehr als eine technische Machbarkeitsstudie ist und für viele eines der Probleme löst, das wohl fast so alt ist wie das Fahrrad selbst: Gerade Gelegenheitsfahrer, Pendler und Citybiker sind oft genervt vom dreckigen Antrieb, von Ölflecken an der Hose, die sich manchmal kaum vermeiden lassen. All das gehört mit dem GoCycle der Vergangenheit an. Zudem ist der Antrieb auch vor der Witterung perfekt geschützt, läuft leiser und muss somit nur äußerst selten gewartet werden.
Doch kommen wir nochmals zurück zur Federung, beziehungsweise dem Fahrwerk als gesamtes. Sowohl hinten wie auch vorne kommt eine eher einfach gehaltene Dämpfung zum Einsatz, die – dem Einsatzbereich angemessen – kein Fall für echtes Gelände ist, aber Stöße und Vibrationen abfängt und das Fahrgefühl angenehmer und sicherer macht.
GoCycle G3: PitStop Laufräder aus Magnesium, elektronisch-mechanische Schaltung und Scheibenbremsen
So viel also zum Rahmen – nächste Besonderheit: Die Laufräder. Mit 20 Zoll fallen diese ziemlich kompakt aus und bestehen wie der Rahmen komplett aus Magnesium. So profitieren die kleinen Räder nicht nur optisch, sondern sind darüber hinaus auch extrem leicht. Wer jetzt schon baff ist – festhalten, denn das eigentliche Highlight der Laufräder kommt erst noch. Diese werden nämlich nicht wie bei anderen Rädern mit Schnellspanner oder Steckachse befestigt, sondern mit der hauseigenen PitStop Technologie. Nach dem Lösen dreier kleiner Hebel und dem Drehen der Befestigungsscheibe lässt sich das Laufrad ganz einfach zur Seite hin abziehen. Da nicht nur die eigentliche Getriebenabe, sondern auch die Bremsscheiben nicht am Laufrad direkt befestigt sind, sind Vorder- und Hinterrad nicht nur beliebig austauschbar, sondern auch ohne viel Gefrickel im Handumdrehen einsetzbar. Chapeau GoCycle, das ist ein unfassbar gut gelöstes System!
Wenn wir schon bei den Laufrädern sind, gleich noch einige Worte zu den Bremsen und zur Schaltung. Wie unschwer zu erkennen ist, sind am GoCycle vorn wie hinten Scheibenbremsen verbaut. Die Scheiben sitzen jedoch hinter einer unauffälligen Abdeckung, gut geschützt und verbleiben nach dem Ausbau der Räder am Rahmen. Das hat direkt einige Vorteile: Beim Transport verbiegen die sonst doch recht anfälligen Scheiben nicht so schnell, zudem ist es quasi unmöglich, sich daran zu zu schneiden. Die Leitungen der Bremse verlaufen komplett im Inneren des Rahmens und des Lenkers.
Ähnliches gilt für die Schaltung: Hier kommt eine Shimano Nexus 3-Gang Nabe zum Einsatz, die ebenfalls im Rahmen sitzt und nicht am Laufrad. Die Ansteuerung der eigentlich mechanischen Nabe erfolgt durch einen eigenen GoCycle Drehgriff, der wiederum elektronisch funktioniert. In der Praxis muss man sich das wohl so vorstellen: Man betätigt den Drehgriff am Lenker, der ein elektronisches Signal auslöst, auf welches wiederum die Zugspannung dann erhöht oder verringert wird. Ein einzigartiges Feature ist die Geschwindigkeitsabhängige Schaltungsregelung. Auf Deutsch: Fährt man im dritten Gang mit der längsten Übersetzung und stoppt an einer Ampel, dann schaltet das System automatisch zurück auf die leichteste Übersetzung.
GoCycle G3: Stopp – wo ist der Motor?!
Doch ein Moment mal – ist das GoCycle G3 nicht ein E-Bike? Ganz richtig, das ist es! Wer jetzt auf der vergeblichen Suche nach dem Motor ist, muss sich nicht wundern, dass er nicht direkt fündig wird – dieser sitzt nämlich am Vorderrad und zählt zu den kleinsten Antrieben, die man momentan bekommen kann. Trotzdem leistet das kleine Kraftpaket 250 Watt und soll zudem für ein besonders harmonisches Fahrgefühl sorgen, da man so eine Art Allradantrieb bekommt: Das Hinterrad wird per Muskelkraft bewegt, während der Motor am Vorderrad dann zusätzlich unter die Arme greift.
Die nötige Energieversorgung gewährleistet ein 300Wh Akku, der fest im Rahmen verbaut ist und auch nur dort geladen werden kann. Die entsprechende Buchse sitzt auf der Hinterseite des Sattelrohrs und ist durch eine Gummiabdeckung geschützt. Mit dem mitgelieferten Ladegerät dauert es rund sechs Stunden, bis der Akku von 0 auf 100% geladen ist.
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Die Unterstützungsleistung lässt sich ab Werk in den beiden Stufen Eco und City einstellen. Dazu genügt eine kurze Drehbewegung am Lenkergriff. Das ist jedoch noch nicht einmal die halbe Wahrheit, denn per Smartphone lässt sich hier noch sehr viel nach den eigenen Wünschen anpassen. Die entsprechende GoCycle App gibt es für iOS und Android und erlaubt eben neben einer einfachen Anzeige einiger Daten wie gefahrener Kilometer auch die individuelle Anpassung der Unterstützungsleistung des Antriebs. Ein grafisches Interface hilft dabei und nach wenigen Minuten klappt das auch bereits ganz gut. So lässt sich beispielsweise konfigurieren, bei wie viel Watt Eigenleistung wie viel Prozent der Unterstützungsleistung zugeschaltet werden. Ein integrierter Leistungsmesser macht’s möglich.
Ein weiteres nettes Feature ist die Möglichkeit, das verbundene Smartphone mit der App zu einem Radcomputer zu machen. Angesichts des ansonsten sehr reduzierten Cockpits – dazu gleich mehr – ein für einige Fahrer sicherlich durchaus sinnvolles Feature.
GoCycle G3: Tagfahrlicht und futuristisches Cockpit
Die meisten Neuerungen im Vergleich zum Vorgänger, dem GoCycle G3, befinden sich auf Höhe des Lenkers. Auf der Vorderseite sitzt eine fast über die gesamte Breite reichende LED Leiste – genannt DRL (Daytime Running Light), zu Deutsch: Tagfahrlicht. Dieses lässt sich mit dem Drehgriff am Lenker in zwei Helligkeitsstufen variieren. In der hellsten Stufe ist die Ausleuchtung ausreichend für nicht allzu dunkle Wege und reicht sicherlich aus um gesehen zu werden. Doch aufgepasst: Nach deutschem Recht ersetzt es nicht den vorgeschriebenen Frontscheinwerfer.
Auf der Fahrerseite sind im leicht durchsichtligen Lenker LEDs eingebracht, die im Knightrider-Style Auskunft über den Akkuladestand, den gewählten Gang, die Unterstützungsleistung des Motors und die Beleuchtungsstufe geben. Das ist clean, minimalistisch, im Vergleich zu gewöhnlichen E-Bike Displays jedoch deutlich weniger intuitiv und bei direkter Sonneneinstrahlung auch nicht immer gut ablesbar.
GoCycle G3: Faltrad – oder doch nicht?!
Ursprünglich war das GoCycle durchaus als Faltrad konzipiert und wird oftmals in verschiedenen Berichten auch so bezeichnet. Beim Hersteller selbst sieht man das nicht mehr ganz so eindeutig. In der FAQ auf der Webseite heißt es auf die Frage, ob es sich beim GoCycle um ein Faltrad handelt: „Das GoCycle kann klein zusammengefaltet und in einer entsprechenden Tasche verstaut werden. Jedoch ist das GoCycle kein Rad, das man beispielsweise am Bahnsteig oder im Büro kurzerhand zusammenfalten sollte.“
Dieser offiziellen Ausführung können wir uns nur anschließen: Zwar lässt sich das Rad vor allem durch die PitStop Laufräder schnell und einfach auseinandernehmen. Der Clean Drive kann nach der Entriegelung nach vorn gedreht werden, der Lenker klappt nach unten, die Sattelstütze kommt nach unten. So schrumpft das Rad auf kompakte Abmessungen zusammen und kann problemlos auch in einem kleinen Kofferraum verstaut werden. Das ganze Prozedere dauert jedoch eine ganze Weile und auch wenn das GoCycle mit 16,5kg für ein E-Bike sehr leicht ist, trägt man es nicht mal eben quer durch die Stadt.
Wo das Konzept hervorragend aufgeht, ist bei der Anpassbarkeit: Nach dem One Size Fits All Prinzip bietet man nur eine Rahmengröße an und per Lenkerverstellung (Neigung und Höhe) und der langen Sattelstütze inklusive des flachen Sitzwinkels soll sich das Rad auch auf große Fahrer anpassen lassen. Das klappt für unseren fast 1,90m großen Testfahrer auch erstaunlich gut. Schönes Detail: Der für den Stützenauszug nötige Inbusschlüssel steckt auf der Unterseite des Sattels und ist immer dabei.
GoCycle G3: Überraschend natürliches Fahrgefühl – lauter Motor
Mit Kompakt- oder Falträdern ist es immer so eine Sache: Vieles hängt hier von einem clever konstruierten Rahmen und der passenden, einstellbaren Geometrie ab. Bei allem technischen Schnickschnack und aller Innovation ist auch das GoCycle zunächst einmal ein Fahrrad mit 20 Zoll Laufrädern und nur einer Rahmengröße. Doch hier hat man einen wirklich hervorragenden Job gemacht. Nach etwas Feintuning bei der Lenkerhöhe und dem passenden Stützenauszug sitzt man wirklich komfortabel und auch das Handling unterscheidet sich kaum von einem ausgewachsenen Rad. Seinen Anteil daran hat zweifelsohne auch der recht große Radstand, der hier für viel Fahrruhe sorgt. Die Kontaktpunkte mit dem Rad: Griffe, Sattel und Pedale sind allesamt eher komfort-orientiert, dem Einsatzbereich angemessen und qualitativ auf einem hohen Niveau.
Besonders gespannt waren wir natürlich auf den extrem kompakten Motor. Die erste etwas unschöne Überraschung ist die für einen so kleinen Antrieb doch beachtliche Geräuschkulisse. Klar: Von „laut“ kann hier keine Rede sein, aber der Motor ist schon deutlich hörbar und klar lauter als ein moderner Mittelmotor beispielsweise von Bosch. Positiv hingegen ist die Unterstützungsleistung – gerade auf der Ebene wird man doch ordentlich angezogen und beschleunigt schnell auf die maximalen 25km/h – außerhalb der EU läuft das GoCycle übrigens mit einer andere Software bis zu 40km/h schnell, die Power ist also zweifellos vorhanden. Das Fahrgefühl mit Motor ist gut, aber kann nicht ganz mit einem ausgewachsenen, Mittelmotor-Pedelec mithalten. Die Unterstützung setzt recht abrupt ein und wirkt etwas unnatürlich.
Bei der Reichweite hatten wir angesichts des mit 300Wh sehr kleinen Akkus keine allzu hohen Erwartungen und wurden durchaus bestätigt: Je nach Fahrverhalten bekamen wir zwischen 35 und 45km aus einer Akkuladung aus dem GoCycle G3 heraus. Für Pendler und Stadtfahrer durchaus ausreichend, für Touren ungenügend – dafür wurde das kompakt E-Bike jedoch auch nicht konzipiert. Mit ausgeschaltetem Motor lässt sich das GoCycle gut fahren, auch wenn es bergauf mit seinen über 16kg Gewicht ein ganz schöner Brocken ist. Aber auf der Ebene kann man um Akku zu sparen durchaus einfach den Motor mal ausgeschaltet lassen.
Sehr gut funktionieren die hydraulischen Scheibenbremsen, die eine mehr als ausreichende Leistung besitzen, dabei aber nicht zu bissig sind, um bei Schreckbremsungen für Probleme zu sorgen. Die Schaltung zeigte während des Tests Licht und Schatten: Die Gangwechsel sind zwar zuverlässig und präzise und der Drehgriff macht einen guten Eindruck, aber durch die elektronische Übersetzung sind die Schaltvorgänge doch deutlich langsamer als bei einer direkten Ansteuerung. An das automatische Herunterschalten nach dem Anhalten muss man sich gewöhnen, ist dann aber durchaus komfortabel.
Die Federung vorn und hinten ist wie bereits erwähnt nichts für’s Gelände, um aber niedrige Bordsteine, Schlaglöcher oder Pflasterwege erträglicher zu machen, funktioniert sie hervorragend und gibt eigentlich keinerlei Grund zur Beanstandung.
GoCycle G3 – Beleuchtung von Busch + Müller, Schutzbleche und Docking Station als Zubehör
Um dem GoCycle G3 auch in puncto Alltagstauglichkeit den letzten Schliff zu verpassen, bietet der britische Hersteller auch das passende – leider etwas kostspielige – Zubehör an. Die Schutzbleche schlagen beispielsweise mit insgesamt 90€ zu Buche, sind aber sehr gut verarbeitet und lassen sich kinderleicht montieren. Ebenfalls optional erhältlich ist eine vollwertige Beleuchtung mit Vorder- und Rücklicht von Busch und Müller, die an den vorhandenen Anschlüssen eingesteckt wird und ihren Strom direkt aus dem integrierten Akku erhält. Dafür werden 110€ fällig.
Wer das Kompaktrad regelmäßig transportiert, der sollte sich die Docking Station genauer ansehen. Dabei handelt es sich simpel gesagt um eine Platte, auf der das gefaltete Rad mitsamt allem Zubehör sicher montiert und danach unauffällig und komfortabel als normales Gepäckstück transportiert werden kann. Sehr cool – mit 300€ aber ebenfalls nicht ganz billig.