Test BH Gravel X 4.0: Das neue Gravelbike des baskischen Herstellers präsentiert sich noch einmal sportlicher als sein Vorgänger, was sich nicht zuletzt am Wegfall diverser Montagepunkte festmachen lässt. Dafür verspricht das Rad nun optimierten Komfort dank Softtail-Hinterbau, außerdem weist der Rahmen typische Merkmale moderner Aero-Rennmaschinen auf.
Der Vorgänger des aktuellen Gravellers von BH war noch auf die Montage von Schutzblechen und sogar eines Heckträgers ausgerichtet, doch damit ist jetzt Schluss – selbst die Bohrungen für eine kleine Oberrohrtasche sind verschwunden. Stattdessen weist das 2023er BH Gravel X 4.0 diverse Aero-Features auf: Los geht’s mit dem Oberrohr, das nur noch unmerklich nach hinten abfällt, der Abrisskante am Unterrohr hinter dem Gabelkopf und der Carbonstütze mit D-förmigem Querschnitt, die nun von einer innenliegenden Klemme gehalten wird. Aerodynamik und Komfort treffen am Übergang der Sitzstreben zum Sattelrohr aufeinander: Hier befindet sich ein Drehgelenk, das dem Hinterbau ein gewisses, vom Hersteller nicht näher beziffertes Maß an Flexibilität erlaubt, unterstützt durch die durchbrochenen Kettenstreben.
Rahmen mit vielen Aero-Merkmalen
Ungewöhnlich ist die Gabel mit deutlichem Vorversatz oben und rechtsseitig geschlossenem Ausfallende – weder hier noch am Hinterbau schaut das Ende der Steckachse heraus. Die Achsen sind, wie bereits von BH bekannt, mit kleinen Hebeln zum Herausziehen versehen, sodass sie sich werkzeuglos bedienen lassen.
Dem aktuellen Trend folgend, statten die Basken ihr neues Gravelbike mit einem Transportfach im Rahmen aus, welches aber ziemlich klein ausfällt – es ist auf eine CO2-Kartusche zugeschnitten, und auch eine Minipumpe und ein Schlauch sollen sich ins Rohr schieben lassen. Immerhin gibt die Klappe auch den Zugang zu Bremsleitung und Schaltkabel bzw. -zug frei. Die Klappe sitzt in einer Blende, die das Unterrohr schützt und deren zwei feine Schrauben wohl auch einen Flaschenhalter halten können. Apropos: Unterhalb des Flaschenhalters auf dem Unterrohr lässt sich eine Box für Werkzeug und Zubehör anbringen, die dann quasi im Windschatten der Trinkflasche sitzt, was der Aerodynamik zugutekommen soll.
Glattflächig mit integrierten Leitungen
Ein weiteres Aero-Feature ist die integrierte Leitungsführung ab der Oberseite des Steuerrohrs, am Gravel x 4.0 kombiniert mit einem herkömmlichen Lenker-Vorbau-Set. Das vereint das Beste zweier Welten, zumal man den Vorbau einfach wechseln kann und Arbeiten an Hydraulikleitungen oder Schaltzügen nicht übermäßig kompliziert werden.
Unser Testfahrer trägt ein Kuro Bike Shirt von Vaude, den Allround-Helm Bell XR Spherical Mips sowie die Uvex Sportstyle 236.
Laut Größenrechner auf der Homepage war das Testrad eigentlich ein bis zwei Nummern zu klein für den 184 cm großen Fahrer. Wer jedoch lieber sportlich sitzt, kann bei BH problemlos „downsizen“. Die Sattelstütze ist lang genug, und wenn man es noch extremer mag, kann man die drei 8-mm-Spacer unterm Vorbau entfernen.
Sportliche Sitzhaltung und handliche Lenkung
Mit 428 mm langen Kettenstreben, rund 103 cm Radstand und 71° Lenkwinkel ist das BH ausgewogen-sportlich geschnitten, was sich in sehr angenehmen Fahreigenschaften niederschlägt. Mit Pedalen gut neuneinhalb Kilo schwer, lässt sich das Rad im Nu auf Reisegeschwindigkeit beschleunigen und rollt dann sicher geradeaus. Dabei ist es kein bisschen träge, sondern angenehm handlich und lebendig. Und außerdem ziemlich komfortabel – vor allem natürlich am Heck, wo die Kombination aus knapp 42 mm breitem Reifen, Carbonstütze und Softtail-Hinterbau merkliche Vibrationsdämpfung bietet.
Dem bereits am Vormodell montierten Hutchinson Touareg ist BH treu geblieben – eine gute Wahl. Am 2023er Gravel X tubeless montiert, rollt der Reifen noch etwas leichter; das zu den Flanken hin tiefer (und etwas offener) werdende Profil sorgt in rutschigen Kurven für guten Halt, womit sich der Reifen als verlässlicher Allrounder profiliert. Der Vision-Radsatz ist nicht eben leicht, aber solide und mit 23 mm Maulweite für unterschiedlichste Reifenbreiten geeignet.
Mit Shimano GRX Di2 stellt das Testrad fast die Top-Ausführung des BH Gravel X dar. Darüber gibt es noch ein Modell mit Fox-Federgabel, das aus irgendeinem Grund satte 1.900 Euro mehr kostet – ohnehin kann man sich fragen, ob an ein so sportlich ausgerichtetes Gravelbike eine Teleskopgabel passt. Die elektronische Shimano-GRX-Schaltung begeistert immer wieder mit der Form der Hebel, die sich deutlich von den Di2-Griffen fürs Rennrad unterscheiden (und auch stark von den mechanischen GRX). Sie sind schlank und liegen sehr gut in der Hand; die Bremshebel sind leichtgängig und weisen einen klar definierten Druckpunkt auf. Die Schalttasten sind haptisch gut zu unterscheiden und liefern schnelle, präzise Gangwechsel. Zwar ist das Rad mit 1×11-Schaltung aufgebaut, doch da Shimano die Di2-Hebel immer im Doppelpack liefert, könnte man auch Umwerfer und zweites Kettenblatt nachrüsten – oder die Elektronik so konfigurieren, dass auch der linke Hebel schaltet.
In jedem Fall stellt das in vielen Farben (sowie individueller Lackierung) verfügbare BH Gravel X einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zu seinem Vorgänger dar. Wer sportlich runter vom Asphalt will, wird mit diesem Rad viel Spaß haben, und auch preislich kann das Bike mit der elektronischen Schaltung überzeugen.