Test: Als Prototyp des modernen Trailbikes und eines der dienstältesten Räder im Portfolio des US-Herstellers nimmt das Stumpjumper eine Sonderstellung auf dem MTB-Markt ein. Umso spannender war die Neuerfindung des „Stumpy“ für die Saison 2019 – trotz komplett neuem Rahmen und moderner Geometrie ist die Ausrichtung des Bikes jedoch gleich geblieben: Von der gemütlichen Tour bis zum anspruchsvollen Trail-Abenteuer soll auch das Stumpjumper 2019 eine riesige Bandbreite unterschiedlicher Einsatzgebiete abdecken können. 150mm Federweg vorn und hinten sollten zudem auch für den gelegentlichen Enduro-Trail mehr als ausreichend sein.
Specialized S-Works Stumpjumper FSR 29: Rahmen und Geometrie
Unweigerlich wandert der Blick beim ersten Kontakt mit dem neuen Stumpjumper zu seiner asymmetrischen Rahmenkonstruktion. Bewährt seit vielen Jahren beim Downhill-Boliden Demo befindet sich auch beim Stumjumper nun im Bereich des Dämpfers eine einseitige Strebe. Natürlich ist das bei weitem nicht die einzige Neuerung – in seiner Gesamtheit soll der Rahmen jedenfalls bis zu 20% steifer sein als sein direkter Vorgänger – und das bei einer gleichzeitigen Gewichtsersparnis zwischen 150 und 200g.
Vom Alu-Einstiegsmodell abgesehen setzt Specialized beim neuen Stumpjumper konsequent auf Carbon als Rahmenmaterial: Vom günstigen Stumpjumper Comp Carbon bis hin zum von uns getesteten, edlen S-Works Stumpjumper teilen sich alle Modelle den Rahmen; auch der Hinterbau ist bei allen Modellen aus Kohlefaser.
Eine erfreuliche Neuerung ist beim neuen Stumpjumper die Abkehr von proprietären Dämpfermaßen – im Hinterbau findet nun ein metrischer Dämpfer Platz; ab Werk kommt das Bike aber mit einem speziellen Tune, dazu später mehr. Auch ansonsten scheint man sich bei Specialized viele Gedanken um die kleinen, aber feinen Details gemacht zu haben: Die innenverlegten Leitungen laufen durch einlaminierte Liner, die das Verlegen zum Kinderspiel machen, beim Innenlager kehrt man dem ungeliebten Pressfit-Standard den Rücken und setzt auf klassische BSA Gewinde. Beibehalten wurde auch für das Modelljahr 2019 die SWAT Technologie, der Kofferraum des Rahmens sozusagen. Das Öffnen einer Klappe im Unterrohr offenbart großzügige Verstaumöglichkeiten für Werkzeug und sogar eine dünne Regenjacke. Da beim neuen Stumpi die Kunststoffummantelung des SWAT-Abteils wegfällt, hat man mehr Platz bei gleichzeitig weniger Gewicht.
Geometrie Specialized Stumpjumper 2019
S | M | L | XL | |
Sitzrohr (in mm) | 380 | 410 | 455 | 505 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 572 | 595 | 628 | 662 |
Steuerrohr (in mm) | 95 | 95 | 125 | 140 |
Kettenstrebe (in mm) | 437 | 437 | 437 | 437 |
Radstand (in mm) | 1149 | 1169 | 1201 | 1232 |
Lenkwinkel (in °) | 66.5 | 66.5 | 66.5 | 66.5 |
Sitzwinkel (in °) | 74.8 | 74.8 | 74.8 | 74.8 |
Reach (in mm) | 405 | 425 | 445 | 470 |
Stack (in mm) | 614 | 614 | 641 | 656 |
Die Geometrie des Vorgängers hatte in der schnelllebigen MTB-Welt mittlerweile etwas Staub angesetzt, mit dem neuen Stumpjumper 2019 ist man wieder am Puls der Zeit, ohne jedoch die extremen Trends mitzugehen. Weder fällt der Lenkwinkel mit 66.5° besonders flach, noch der Sitzwinkel mit ca. 74° besonders steil aus. Um es jedoch direkt vorweg zu nehmen: Das Stumpjumper zeigt eindrucksvoll, dass eine sorgfältig ausbalancierte Geometrie der Schlüssel für einen ausgezeichneten Trail-Allrounder sind. Mit den kurzen Kettenstreben hält man zudem den Radstand ausgesprochen kompakt, um dem behäbigen Sattelschlepperfeeling vorzubeugen. Für Freunde etwas extremerer Abmessungen (langer Reach, flacher Lenkwinkel etc.) gibt es ab diesem Jahr auch das Stumpjumper Evo.
Specialized S-Works Stumpjumper FSR 29: Ausstattung
Rahmen | FACT 11m Carbon |
Federgabel | Fox 36 Float Factory FIT4 |
Dämpfer | Fox Float DPX2 Factory |
Laufräder | Roval Traverse SL Carbon |
Reifen VR | Specialized Butcher GRID 2,6" |
Reifen HR | Specialized Purgatory GRID 2,6" |
Schaltwerk | Sram XX1 Eagle |
Schalthebel | Sram XX1 Eagle |
Kurbel | Sram XX1 Eagle |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Guide RSC |
Bremsscheiben | Sram Centerline 200 / 180mm |
Sattelstütze | Specialized Command Post IRcc |
Sattel | Specialized Phenom Expert |
Vorbau | Syntace Megaforce 2 |
Lenker | Specialized Trail Carbon |
Über 9.000 Euro werden für die S-Works Variante des neuen Stumpjumper FSR 29 fällig – ein stolzer Preis, mit dem man jedoch ungefähr auf dem Niveau anderer Carbon-Topmodelle in dieser Klasse liegt. Dafür machen die Kalifornier in puncto Ausstattung hier auch wirklich keinerlei Kompromisse. Beispiel gefällig? Beim Antrieb setzt man komplett, von Shifter über Kette und Schaltwerk bis hin zur Kurbel auf die edle XX1 Eagle Gruppe von Sram. Das Fox Factory Fahrwerk mit 36er an der Front und DPX2 am Heck zählt zum besten, was der Markt derzeit hergibt. Eigene Bauteile findet man am Cockpit, wo der Specialized Trail Carbonlenker vom Syntace MegaForce Vorbau gehalten wird. Außerdem vertraut man auch bei der Variostütze auf die eigene Command Post IRcc, die mit 130 (Größe S) bzw. 160mm (M/L/XL) Verstellweg kommt.
Quasi aus eigenem Hause kommen auch die Laufräder. Specialized Eigenmarke Roval steuert hier die Traverse SL bei, die mit 30mm breiten Carbonfelgen nicht nur optisch einiges hermachen. In den Naben steckt bewährte Technik von DT Swiss, hinten surrt der langlebige Zahnscheibenfreilauf der Eidgenössischen Spezialisten. Die Reifenkombination aus Butcher an der Front und Purgatory am Heck ist gut gewählt – beide Pneus werden in 2,6″ Breite verbaut, fallen jedoch eher schmal aus.
Specialized S-Works Stumpjumper FSR 29: Auf dem Trail
Ein Specialized Stumpjumper war für uns schon immer ein Bike, bei dem eines garantiert war: Absoluter Fahrspaß und tolle Allroundeigenschaften. Deswegen fanden wir es nicht verständlich, warum die letzten Ausgaben des Rades etwas „durchschnittlich“ geraten waren. Das hat sich mit dem aktuellen Stumpy geändert, das kann können wir hier schon mal verraten! Beim zweit-teuersten Rad im Test erwartet natürlich auch jeder einen Podiumsplatz…
Auf dem Weg zum Gipfel macht das Specialized S-Works Stumpjumper ordentlich Tempo. Das liegt am niedrigen Gewicht und auch an der absolut gelungenen Geometrie. Da haben wir es wieder, das Stumpy Feeling: drauf setzen und das Gefühl haben, das Rad kennt man schon ewig. Die Lastverteilung passt, das Vorderrad bleibt lange unten. Die Sitzposition ist dabei nicht unbedingt weit vorne und die Kettenstreben sind auch eher kompakt, trotzdem funktioniert es super. Die Traverse Carbon Laufräder mit den hauseigenen Butcher und Purgatory Reifen unterstützen die Kletterpartie ebenfalls, mit diesen haben wir stets sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Sram Eagle Kassette mit dem 30er Blatt an der Front passen gut zum Bike. Je nach Dämpferabstimmung wippt es minimal, das lässt sich mit dem Lockout Hebel aber effektiv unterbinden.
Will man an „alte“ Erfolge der Stumpjumper-Reihe anknüpfen, so muss nach einer sehr erfolgreichen Kletterpartie auch in der Abfahrt absolute Fahrfreude aufkommen. Und auch hier lässt sich unser Testkandidat nicht lumpen. Wollte man die Fahreigenschaften möglichst kurz zusammenfassen: Perfekt ausgewogen. Das Stumpy bleibt stets agil, und trotzdem immer laufruhig. Hier wollen wir noch mal die sehr gute Positionierung des Fahrers auf, beziehungsweise im, Rad erwähnen. Der Schwerpunkt liegt subjektiv empfunden recht tief, was in Kombination mit dem kurzen Heck in Kurven viel Freude macht. Aber auch wenn man auf der Geraden den Hahn aufreißt, zeigt das Fahrwerk, dass es ordentlich zur Gesamtperformance beiträgt. Immer schluckfreudig genug, immer genug Feedback, kein Wegsacken in Kompressionen oder Anliegern. Schnelles Arbeiten bei schnellen Schlägen. Die Fox 36 müssen wir wieder loben, und auch der Float DPX2 Factory im Heck weiß zu überzeugen. Dazu ist er auch schnell und einfach einzustellen, keine Abstimmungsorgie wie bei einem X2.
Bei der Aussattung haben wir nichts zu meckern. Die Sram Guide RSC Bremse ist tadellos. Etwas digitaler vom Charakter als eine Shimano oder Magura, das passt aber zu einem so sportlichen Bike durchaus. Die XX1 Schaltung, ebenfalls von Sram, ist wohl das Beste was man verbauen kann. Auch wenn der eine oder andere Tester sich auf der Kurbel ein anderes Kettenblatt gewünscht hätte. Stahl hält länger, Alu ist leichter und edler… Egal, eher Geschmackssache, die Schaltung ist sehr sehr gut. Edler geht es beim Fahrwerk kaum und besser auch nicht. Volle Punktzahl für die Fox Kashima Kombi. Auch der Syntace Megaforce Vorbau ist sehr gut, sehr leicht und sehr schön. Die hauseigenen Parts gefallen uns fast ausnahmslos. Nur die Dropper Post ist einfach viel zu schnell für unseren Geschmack. Da muss man schon auf seine „Kronjuwelen“ Acht geben. Zur ansonsten hervorragenden Ausstattung hätte unserer Meinung nach eher BikeYoke Revive oder eine Fox Transfer gepasst. Dass Specialized es versteht, eigene Komponenten zu konstruieren, zeigen hingegen Teile wie Sattel, Lenker oder Griffe. Da kann man die eigenen Teile durchaus als Upgrade gegenüber vielen Produkten auf dem Markt betrachten. Das gilt auch für die Laufräder und Reifen. Sie funktionieren tubeless hervorragend, sind leicht, robust, sehen toll aus… Also bei der Ausstattung alles vom Feinsten, bis auf die Stütze. Oder anders gesagt: Tolles Bike mit tollen Komponenten.
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