Test: Mit dem 2020er Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap bringt der Direktversender aus Koblenz für diese Saison ein Gravelbike der Extraklasse an den Start. Auch vom heiß-diskutierten Hover-Bar-Lenker abgesehen hat es jede Menge Features und Highlights zu bieten, die es zu einem herausragenden Allrounder machen.
Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap: Die Fakten
Rahmenmaterial: Carbon
Laufradgröße(n): 700cc
Maximale Reifenfreiheit: 42mm
Achsmaß (v/h): 12×100 / 142×12
Schutzblechösen: Ja
Gepäckträgerösen (v/h): Nein
Flaschenhalter: Unterrohr oben, Sitzrohr
Sonstiges: Spezielles Topeak Taschenset erhältlich
Gewicht Laufräder v/h/gesamt (mit Reifen und Bremsscheiben): 1.450g / 1.610g / 3.060g
Gewicht Komplettrad ohne Pedale (Größe M): 8,35kg
Preis: 4.899 Euro
Durchdachter Rahmen mit innovativem Cockpit
Knapp zwei Jahre ist es her, dass Canyon mit der Vorstellung des Grail CF Gravelbikes in der Fahrradwelt für Aufsehen sorgte. Für einige Tage oder gar Wochen wurde das gewagte Rad in Foren, Radläden und während Ausfahrten rauf- und runterdiskutiert. Stein des Anstoßes: Die sogenannte Hover-Bar Lenkerkonstruktion – ein technisch einleuchtender, optisch jedoch gewagter Kniff der Konstrukteure aus Koblenz. Ein über dem eigentlichen Oberlenker „schwebender“ zweiter Lenker wurde so konstruiert, dass er stark vertikal flexen kann und den Komfort damit spürbar verbessern soll. Dieser Griffbereich ist allerdings nicht nur höher, sondern auch leicht nach hinten versetzt – damit hat die Konstruktion auch direkte Auswirkungen auf die Geometrie des Rahmens, dazu jedoch später mehr.
Lassen wir das Cockpit für einen Moment außen vor und betrachten den Rahmen an sich. Dieser besteht bei den CF Modellen aus Carbon und kommt in zwei Ausführungen. Die schwerere, dafür günstigere SL Variante und das Premium CF SLX Modell. Zwischen den beiden Rahmen sollen laut Canyon immerhin 200g liegen – das ist durchaus beachtlich. Vom Gewichtsunterschied abgesehen unterscheiden sich die Rahmen weder optisch noch bezüglich ihrer Features. Natürlich bringen sie Steckachsen, intern verlegte Züge und Leitungen mit und auch Montageösen für Schutzbleche sind mit an Bord. Gepäckträger lassen sich zwar nicht montieren, dafür hat Canyon jedoch gemeinsam mit Topeak ein speziell auf den Rahmen zugeschnittenes Taschenset entwickelt, um den Transport auf Tour und im Alltag zu erleichtern. Die Reifenfreiheit ist ordentlich bemessen – Canyon gibt das Grail bis zu einer Breite von 42mm frei, was die meisten Fahrer zufriedenstellen dürfte.
Spannend wird es auch bei der Geometrie des neuen Gravelracers aus Koblenz. Durch den Hover Bar können herkömmliche Reach und Stack Werte jedoch nicht so angewandt werden, wie gewohnt. Durch den nach oben und nach hinten verschobenen Griffbereich lassen sich nach traditioneller Messart nämlich für das Grail CF keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Sitzposition ziehen. Stattdessen bezieht Canyon bei der Angabe der Werte das neue Cockpit mit in die Angaben mit ein und spricht deshalb von Reach+ und Stack+. Die Vergleichbarkeit mit anderen Rädern ist deshalb nur bedingt möglich, aber die Daten lassen dennoch bereits einige grundlegende Fahreigenschaften erahnen: Mit dem langen Radstand und dem recht flachen Lenkwinkel dürfte das Grail CF auch auf ruppigem Untergrund beispielsweise ausgesprochen laufruhig bleiben.
Geometrie Canyon Grail CF SLX 8.0
2XS | XS | S | M | L | XL | 2XL | |
Sitzrohr (in mm) | 432 | 462 | 492 | 522 | 552 | 582 | 612 |
Kettenstrebe (in mm) | 415 | 415 | 425 | 425 | 425 | 425 | 425 |
Radstand (in mm) | 988 | 990 | 1020 | 1029 | 1040 | 1063 | 1073 |
Lenkwinkel (in °) | 70.25 | 71.25 | 71 | 72.5 | 72.5 | 72.75 | 72.75 |
Sitzwinkel (in °) | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 | 73.5 |
Reach+ (in mm) | 401 | 422 | 439 | 458 | 475 | 494 | 513 |
Stack+ (in mm) | 594 | 615 | 638 | 660 | 687 | 700 | 728 |
Vorbaulänge | 60 | 75 | 75 | 75 | 90 | 90 | 105 |
Kurbellänge | 165 | 165 | 170 | 172.5 | 172.5 | 175 | 175 |
Laufradgröße | 650b | 650b | 700c | 700c | 700c | 700c | 700c |
Nur das beste – für unter 5.000 Euro
Das von uns getestete Grail CF SLX 8.0 ETAP ist mit knapp 4.900 Euro das Topmodell der 2020er Grail Modellpalette. Das Gewicht unseres Testbikes in Größe M ist entsprechend – bei 8,35kg ohne Pedale bleibt die Waage stehen. Damit zählt das Grail CF SLX 8.0 ETAP zu den leichtesten Rädern in unserem Testfeld. Das liegt natürlich einerseits an dem extrem leichten Rahmen mit ca. 830g und der dazugehörigen Carbongabel. Andererseits gibt’s auch bei der Ausstattung keine Gewichts-Ausrutscher, ohne dass sinnloser Leichtbau betrieben wurde. Ein Highlight ist sicherlich die Sram Schaltung, die die Force eTap AXS STIs mit dem X01 Eagle AXS Schaltwerk und einer 10-50 Kassette kombiniert. Kabellose Signalübertragung, 500% Bandbreite, tolle Ergonomie und geringes Gewicht – hier gibt’s wahrlich kaum Luft nach oben. Den einen oder anderen könnten lediglich die verglichen mit traditionellen 2-fach Antrieben etwas gröberen Gangsprünge stören.
Rahmen | Grail CF SLX Disc |
Federgabel | Canyon FK0070 CF Disc |
Laufräder | DT Swiss GRC1400 Spline db |
Reifen | Schwalbe G-One Bite 40mm |
Schaltwerk | Sram X01 Eagle AXS |
Schalthebel | Sram Force eTap AXS HRD |
Kurbel | Sram Force 1 42t |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Force HRD |
Sattelstütze | Canyon S15 VCLS 2.0 CF |
Sattel | Fizik Aliante R5 |
Vorbau | Canyon CP07 Gravelcockpit CF |
Lenker | Canyon CP07 Gravelcockpit CF |
Springen wir direkt zum nächsten Ausstattungshighlight: Der DT Swiss GRC1400 Spline db Laufradsatz ist mit seinen 42mm hohen Carbonfelgen nicht nur optisch eine Wucht, sondern zählt zu den leichtesten im gesamten Testfeld – trotz seiner hohen Felgen. Auch die Eigenschaften der speziellen Gravel-Laufräder überzeugen: Die Naben kommen mit dem Innenleben der bewährten und hochwertigen 240s Naben und deren Zahnscheibenfreilauf, die tubeless-fähigen Felgen haben eine üppige Innenbreite von 24mm und sind damit optimal für Reifen ab 38mm.
Beim Thema Anbauteile kommen wir zurück zum Canyon CP07 Gravelcockpit CF mit seinem Hoverbar. Die Lenker-Vorbau-Einheit ist an unserem M-Rahmen 440mm breit und 70mm lang – diese Werte wachsen bzw. schrumpfen je nach Rahmengröße:
Vorbaulänge: 60mm (2XS) | 70mm (XS-M) | 90mm (L-XL) | 105mm (2XL)
Lenkerbreite: 400mm (2XS) | 420mm (XS-S) | 440 mm (M-L) | 460mm (XL – 2XL)
Unabhängig von der Rahmengröße sind die übrigen Eckdaten des Cockpits:
Vorbauwinkel: -15°
Reach: 70mm
Flare: 7,5°
Last but not least bleibt noch der Sitzbereich: Der bewährte, leichte und edle Fizik Aliante R5 Sattel ist auf der Canyon S15 VCLS 2.0 CF Stütze montiert, die durch ihre Konstruktion aus zwei Carbonblättern besonders viel Komfort bieten soll und damit sehr gut zum Pendant an der Front passt.
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Let’s Gravel: Das Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap
Das Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap macht bereits optisch jede Menge her. Mit der markanten, aber zugleich gefälligen Rahmenform und der ebenfalls auffälligen, aber nicht zu grellen Lackierung dürften die Koblenzer den Geschmack vieler Gravelbiker treffen. Für so manch einen dürfte der Hover-Bar auch heute noch ein optisches No-Go sein, auch wenn man sichtlich bemüht war, diesen so elegant wie möglich ins Rahmen- und Fahrraddesign zu integrieren. Zugegeben: Auch wir haben uns optisch anfangs wirklich schwer getan, doch auch überraschend schnell daran gewöhnt. Um es vorweg zu nehmen – die Performance dürfte wohl auch viele Kritiker mit der Optik versöhnen.
Wenn wir schon von Performance sprechen, dann müssen wir uns natürlich erst einmal die Geometrie des Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap anschauen. Wie schon erwähnt lassen sich durch das innovative Hover-Bar Cockpit nicht alle Werte vergleichen. Dennoch kann man vorwegnehmen, dass dieses Bike eine gelungene Mischung aus sportlichen Fahreigenschaften, gutem Komfort und ruhigem Handling bietet. Ein Effekt dieses besonderen Zusammenspiels zwischen Cockpit und Rahmengeometrie ist der Umstand, dass die Sitzposition auf dem Grail CF nicht annähernd so sportlich ausfällt, wie es die schnittige Optik vermuten lassen würde. Man wird recht zentral und in einer durchaus auch tourentauglichen Position auf dem Rad positioniert.
Bereits auf den ersten Metern beeindruckt der herausragende Komfort des Canyon Gravelbikes. Dieser ist zwar teilweise auf die Hover-Bar Konstruktion zurückzuführen, doch würde man ihn nur darauf reduzieren – man täte dem Rad Unrecht. Rahmen, Sattelstütze, Laufräder, Reifen – hier greift in puncto Komfort ein Rädchen ins andere und zieht ruppigem Gelände den Rüttel-Zahn. Vor allem bei feinen Vibrationen auf Forstwegen oder Schotter schwebt man förmlich dahin. Natürlich hat auch der Hover-Bar seinen Anteil daran. Gerade auf dem angesprochenen Geläuf mit feinen, anhaltenden Vibrationen ist der Unterschied zum klassischen Lenker frappierend. Gerne würden wir diese Vorteile auch im wirklich ruppigen Gelände oder auf Trails nutzen – aber hier haben wir unsere Hände lieber in der Nähe der STIs bzw. der Bremshebel.
Canyon hat es beim Grail geschafft, den Komfort nicht mit fehlender Steifigkeit zu erkaufen oder umgekehrt. Auch bedingt durch das leichte LRS-System geht das Rad sofort nach vorn, wenn man Druck auf die Pedale gibt. Von Trägheit ist hier keine Spur. Dass es im Test dennoch flinkere Räder gab, liegt auch an dem verhältnismäßig langen Radstand – das ist jedoch nicht wertend gemeint, denn durch diese Ausrichtung fährt sich das Canyon Grail CF auch angenehm laufruhig.
So hochwertig die Ausstattung am Topmodell des Carbon-Grails auch sein mag: Viele Worte muss man dazu nicht verlieren. Die Schaltung funktioniert zuverlässig, bietet eine riesige Bandbreite und bringt ergonomisch gelungene STIs mit. Laufräder, Reifen, Sattel – wir haben an keiner der verbauten Komponenten etwas auszusetzen. Kleinere Abzüge gibt’s dann jedoch für die nur bedingte Zubehörkompatibilität: Schutzbleche kann man wie gesagt auf Wunsch anbringen, bei Gepäckträgern sieht es jedoch schlecht aus. Dass Canyon gemeinsam mit Topeak ein spezielles Taschenset anbietet, ist jedoch ein kleiner Trost für diejenigen, die auf dem Grail auch längere Touren unter die Reifen nehmen möchten.
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