Tour de France – Im Hauptfeld: Mit einer Serie auf Netflix versucht der Radsport neue Fans zu gewinnen. Am 8. Juni erscheinen die ersten Folgen auf der Plattform des Streamingdienstes. Darin werden acht Teams während der Tour de France 2022 begleitet. Velomotion hat bereits vorab Zugang erhalten und sich die ersten fünf Folgen angesehen.
Tour de France – Im Hauptfeld: Dramen, Emotionen & Schmerzen
Mit der Formel 1 als Vorbild, möchte nun auch der Radsport durch eine eigene Serie auf Netflix mehr Zuschauer für sich gewinnen. Was mit „Drive to survive“ im Motorsport perfekt funktioniert hat – laut einer Erhebung von Nelson Sports wurden 2021 dadurch weltweit 73 Millionen Fans hinzugewonnen – soll nun also auch durch „Tour de France: Im Hauptfeld“ gelingen. Das Konzept jedenfalls erinnert stark an das Vorbild. Mit viel Drama, puren Emotionen und gut gefilmten Actionszenen spricht die achtteilige Serie auf jeden Fall die Gefühlsebene der Zuschauer an. Ab dem 8. Juni ist es soweit. Die Radsportfans können sich mit dieser Serie perfekt für die am 1. Juli startende Tour de France in Stimmung bringen.
Profis, Ex-Profis, Journalisten und Mitarbeiter der Teams
Neben actiongeladenen Aufnahmen, Etappenberichten und vielen Fans am Straßenrand bekommen die Zuschauer zahlreiche Aussagen von bekannten Personen präsentiert. Die Ex-Profis David Millar und Steve Chainel, Journalistin Orla Chennaoui und sogar Tour-Generaldirektor Christian Prudhomme kommen zu Wort. Sie ordnen die gezeigten Szenen immer wieder ein und erklären den Radsport-Neulingen das Geschehen dieser Sportart. Herz der Serie sind aber die Aussagen der aktiven Profis und der Mitarbeiter der Mannschaften. Acht Teams wurden während der Tour de France 2022 begleitet – darunter auch das niederländische Team Jumbo – Visma, welches die Tour de France schließlich mit Jonas Vingegaard gewinnen konnte.
Die zweite Folge fesselt die Zuschauer
Während die erste Folge nach den actiongeladenen Anfangsszenen ein bisschen vor sich hinplätschert, dürfte die zweite Folge die Zuschauer auf jeden Fall fesseln. In ihr geht es um das Team Jumbo – Visma, welches in den vorangegangenen zwei Jahren jeweils den Gesamtzweiten stellen konnte und nun vom ganz großen Toursieg träumt. Im Fokus stehen die vierte Etappe von Dünkirchen nach Calais und das fünfte Teilstück von Lille zum Wald von Arenberg. Zunächst sorgt der Alleingang von Wout van Aert für Verwirrung und teilweise sogar Unzufriedenheit innerhalb der Mannschaft. Einen Tag später jedoch stellt sich der Belgier im Gelben Trikot für seine beiden Teamkapitäne Jonas Vingegaard und Primoz Roglic in den Dienst der Mannschaft. Den Zuschauern wird klar: Radsport ist ein Teamsport und es steckt mehr dahinter, als nur von A nach B zu fahren.
Tour de France – Unchained: Mein Kommentar
Mit der Doku-Serie „Tour de France – Unchained“ sprechen die Macher alle Radsportfans an. Aber die zahlreichen Erklärungen zu Beginn der Serie sollen auch Radsport-Neulinge an den Fernseher fesseln. Diese Erklärungen – überwiegend vorgetragen durch Ex-Profi Steve Chainel – wirken für die erfahrenen Radsportfans etwas banal und fast schon störend. Für diejenigen, die für den Radsport begeistert werden sollen, sind sie jedoch von großer Bedeutung. Man könnte sogar fast sagen, es gibt für die Neulinge zu wenige Erklärungen.
Die Serie hat es sich – zumindest in den ersten fünf Folgen – leider selbst zuzuschreiben, dass die Tiefgründigkeit und Großartigkeit dieser Sportart von Neulingen überhaupt nicht verstanden werden KANN. So wird zum Beispiel mit keinem Wort erwähnt, dass es ein Bergtrikot zu gewinnen gibt, obwohl man mit Magnus Cort gerade im Jahr 2022 einen mehrtägigen Träger gehabt hat, den man perfekt hätte vermarkten können. Auch der taktische Aspekt kommt leider viel zu kurz. Dabei sind es doch nicht die Stürze und das Leid, die den Radsport auszeichnen, sondern die Emotionen und die Taktiken. Bei jedem Rennen stehen über 20 Teams am Start und jedes Team hat seinen eigenen Plan. Das ist nahezu einmalig in der Sportwelt und würde so viel Inhalt liefern. Immerhin haben sie die tiefen Emotionen der Fans, der Fahrer und der Mitarbeiter zahlreiche eingefangen. Diese sorgen dafür, dass die Zuschauer sich auch die nächste Folge anschauen möchten – obwohl definitiv zu viele Superlative verwendet werden und oft zu viel Drama hineininterpretiert wird.
Alles in Allem ist die Serie „Tour de France – Unchained“ sowohl den Radsportfans, als auch den interessierten Neulingen zu empfehlen. Besonders die Aufnahmen aus dem Hauptfeld heraus sorgen selbst bei erfahrenen Radsportlern für Begeisterung. Die Hektik innerhalb des Pelotons kommt bei den Zuschauern auf dem heimischen Sofa an. Das Leid der Fahrer ist dank der tollen Bilder nahezu spürbar. Und der Druck, dem die Profis ausgesetzt sind, ist für jeden nachvollziehbar und fast schon unangenehm. Trotzdem müssen sich die Macher bewusst darüber sein, dass sich das Konzept der Formel 1-Doku nicht eins zu eins auf den Radsport übertragen lässt. In der Königsklasse des Motorsports gibt es nur 20 Fahrer zu begleiten, ein Rennen dauert keine zwei Stunden und die Sportart insgesamt ist für Neulinge leicht zu verstehen. Innerhalb des Radsportzirkus halten sich deutlich mehr Menschen auf, die Rennen dauern fünf Stunden und die Sportart ist – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag – deutlich komplexer und vielschichtiger. Die Doku-Serie „Tour de France – Im Hauptfeld“ wird trotzdem hoffentlich zahlreiche neue Radsportfans gewinnen können.
WEB: netflix.com