3D-Sättel: mit neuen Fertigungstechnologien entstehen auch in der Fahrradbranche Produkte, die noch vor ein paar Jahren undenkbar waren. Bestes Beispiel sind Sättel, die mit einer Polsterung in Form einer dreidimensionalen Wabenstruktur für ungeahnten Komfort dank optimierter Druckverteilung sorgen sollen. Velomotion bringt die wichtigsten Infos zu 3D-Sätteln.
Auf der Eurobike 2019 war der hellgrüne Sattel von Fizik eine kleine Sensation: Anstatt mit klassischem Schaumstoff oder eine Gel-Einlage war mit einer 3D-gedruckten Polsterung versehen. Aus dem Prototypen, der die Funktionalität des innovativen Konstruktionsprinzips beweisen sollte, sind längst zahlreiche Serienmodelle geworden, ebenso von dem italienischen Hersteller wie von anderen Sattelproduzenten. Diese Sättel faszinieren mit einer einzigartigen Oberflächenstruktur, sind leicht und teuer; vor allem aber sollen sie viel komfortabler sein als herkömmliche Modelle mit Schaumpolster. Wie ist das möglich?
Genau abgestimmte Materialeigenschaften
Grundlage der neuen Sättel ist der 3D-Druck. Mit unterschiedlichen Verfahren lassen sich komplexe dreidimensionale Strukturen herstellen, die auf konventionelle Art und Weise unmöglich zu realisieren sind. Bei den Sätteln der neuen Generation sind dies Gitter- oder Wabenstrukturen, die aus Tausenden feiner Streben bestehen. Deren Anordnung, Länge oder Stärke kann exakt festgelegt werden – und das eröffnet neue Wege bei der Abstimmung der Polsterung. Während man bei Schaumpolstern nämlich nur die Dicke der Schaumschicht variieren oder unterschiedliche Schaumstoffarten auf dem Sattel platzieren konnte, ist es nun möglich, die einzelnen Partien der Satteloberfläche genau an die jeweiligen Belastungen anzupassen: Das 3D-Polster kann dort weicher sein, wo es um den Schutz empfindlicher Körperstellen geht, und dort fester, wo der Sattel Halt und Stützung bieten soll.
Ein weiterer Vorteil des 3D-Drucks ist, dass der digitale Bauplan der Polsterung einfach verändert werden kann, was die individuelle Fertigung von Sätteln erlaubt. Den 3D-Maßsattel gibt es bereits von Posedla aus Tschechien; auch Fizik ist aktuell dabei, ins Geschäft mit der Einzelanfertigung von Fahrradsätteln einzusteigen. So ein Maßsattel kann bis zu 500 Euro kosten, und auch 3D-Sättel von der Stange sind mit 250 Euro aufwärts eher teuer – zum innovativen Polster gibt es nämlich meist Streben und Sattelschale aus Carbon. Interessant in Sachen Preis-Leistung ist der Specialized Power Expert für 180 Euro: Bei diesem Modell werden „Mirror“ genannte 3D-Einsätze in eine konventionelle Polsterung eingearbeitet.
Kein Allheilmittel bei Sitzproblemen
Einen Gewichtsvorteil bieten 3D-Sättel nicht unbedingt. Die meisten Modelle wiegen knapp über 200 Gramm und damit deutlich mehr als Leichtbau-Sättel; beim Verhältnis von Komfort zu Gewicht stehen sie allerdings sehr gut da. Ein Allheilmittel bei Sitzproblemen sind die innovativen Modelle nicht – die Polsterung ist schließlich neben Formgebung, Breite usw. nur einer von mehreren Faktoren. Sinn machen 3D-Sättel aber zum Beispiel dort, wo man mit einem konventionellen Sattel bereits recht zufrieden ist – gibt es ihn in einer 3D-Variante, dürfte diese noch einmal komfortabler ausfallen.
Mit dem 3D-Druck in der bekannten Form, wo per Extrusion Schicht für Schicht Material aufgetragen wird, hat die Herstellung dieser Sättel übrigens nicht viel gemein. Beim „Multi Jet Fusion“-Verfahren von HP werden genau definierte Bereiche einer Pulverschicht thermisch ausgehärtet, dann wird die nächste Schicht aufgebracht und so weiter. Bei der digitalen Lichtsynthese wiederum, wie Fizik sie einsetzt, projiziert UV-Licht das Werkstück schichtweise in flüssiges Harz und härtet dieses aus. Gleichzeitig wird das Werkstück nach oben gezogen und wächst sozusagen aus der Flüssigkeit heraus.
An wen wendet sich die Industrie mit den neuartigen Sätteln? Gerade empfindliche Naturen sowie Viel- und Langstreckenfahrer und -fahrerinnen könnten die komfortablen Sitz interessieren. Wer nie länger als zwei oder drei Stunden im Sattel sitzt, ist nach wie vor mit einem konventionellen Modell gut beraten. Wo es jedoch auf maximale Druckminderung ankommt, schlägt die Stunde des 3D-Drucks – sei es von der Stange oder in Form eines Maßsattels.
Velomotion hat mehrere 3D-Sättel ausprobiert, wobei jeder einzelne bei unserem ambitionierten Testfahrer – ein Leistungssportler, der zum Ausgleich rund 6.000 km pro Jahr Rennrad fährt – 200 bis 300 Kilometer im Einsatz war. Eine interessante Erkenntnis seiner Fahrten: komfortabel sind sie eigentlich alle. Und das ist ungewöhnlich, denn mindestens ein Ausreißer ist immer dabei, wenn man mehrere Sättel testet. Auch wenn die Vorliebe für ein bestimmtes Modell sehr individuell ist, lässt sich also sagen, dass 3D-Sättel unabhängig von Hersteller und Formgebung tendenziell angenehm sind.
Hier gehts zu den Einzeltest der 3D-Sättel
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