E-MTB / Test: Mit dem Levo der vierten Generation schickt Specialized eine gründlich überarbeitete Version seines Erfolgs-E-Mountainbikes ins Rennen. Während Eckdaten wie 160 mm Federweg vorn, 150 mm hinten und die Mullet-Laufräder (29″/27,5″) bekannt vorkommen, hat sich unter der schicken Hülle, vor allem beim Antrieb und im Rahmendetail, einiges getan. Alle Modelle zum Start kommen mit einem Carbonrahmen. Wir nehmen das neue Specialized Levo Gen 4 unter die Lupe.
Der brandneue Specialized 3.1 Antrieb mit 59-Volt-Architektur
Die wichtigste Neuerung am Specialized Levo Gen 4 sitzt am Tretlager: Der neue Specialized 3.1 Antrieb. Der basiert zwar weiterhin auf Brose-Hardware, wurde aber deutlich stärker modifiziert als bei früheren Levos. Ins Auge sticht die neue Systemspannung von 59 Volt – ein eher ungewöhnlicher Wert im E-Bike-Segment, der über den üblichen 36 oder 48 Volt liegt. Diese höhere Spannung erlaubt geringere Ströme bei gleicher Power, was potenziell weniger Wärmeverluste bedeutet und dünnere Kabel ermöglicht. Specialized verspricht sich davon auch Effizienzvorteile. Laut Hersteller gab es auch direkte Modifikationen am Motor, etwa durch ein spezielles Coating am Getriebe. Das Gewicht des Motors? Rund 3,2 kg.
Den Antrieb gibt’s in zwei Software-Geschmacksrichtungen: Das Topmodell S-Works protzt mit maximal 111 Nm und 720 Watt Spitzenleistung. Die übrigen Varianten (Comp, Expert, Pro) müssen mit 101 Nm und 666 Watt auskommen. Die Hardware des Motors ist laut Specialized aber identisch, die Unterschiede stecken rein in der Software – auf dem Papier keine Riesenunterschiede.
Alles zum neuen Specialized 3.1 Antrieb samt Prüfstandsmessungen:

Specialized 3.1 (S-Works) Antrieb im Test: Evolution mit eigenem Charakter
Test / E-MTB: Im neuen Specialized Levo Gen 4 feiert nun auch der Specialized 3.1 Antrieb seine Premiere und beerbt den bekannten Specialized 2.2. Obwohl man beim Motor wieder mit Brose zusammengearbeitet hat, hat Specialized Motor, Software, Sensorik und das gesamte Ökosystem so umfassend modifiziert, dass man hier zurecht von einem eigenständigen Specialized-System sprechen kann […]
Akkus: Viel Saft und neue Entnahme
Passend zum neuen Antrieb gibt es auch frische Akkus. Standardmäßig steckt im Levo Gen 4 in allen Varianten ein 840-Wh-Akku im Unterrohr. Alternativ ist ein kleinerer 600-Wh-Akku verfügbar, der Plug-and-Play passt. Dazu gesellt sich ein neuer Range Extender mit 280 Wh, der am Flaschenhalter Platz findet und über den Ladeport andockt.
Die Gewichte der Energiespender: ca. 4,4 kg für den 840er, rund 3,2 kg für die 600er-Option und 1,6 kg für den Range Extender. Damit spielt die Energiedichte im soliden Mittelfeld mit, ohne Rekorde zu brechen. Alle Akkus haben ein Alu-Gehäuse und sind nach IP67 staub- und wasserdicht. Clou: Man kann das Bike auch nur mit dem Range Extender fahren, dann allerdings mit laut Specialized rund 50% weniger Power. Das Unterrohr könnte dann als Stauraum dienen.
Raus kommt der Akku jetzt seitlich über eine Klappe am Unterrohr – tschüss, alte Lösung am Tretlager! Gesichert wird das Ganze über eine einzige, unverlierbare Schraube, die Klappe und Akku fixiert. Aber Achtung: Die Klappe selbst ist nicht extra gesichert und kann beim Lösen der Schraube herauspurzeln. Das ist uns während des Tests gleich mehrfach passiert und hat unschöne Lackabplatzer zur Folge. Hier ist also gerade zu Beginn Vorsicht geboten.
Laden: Neue Maßstäbe beim Tempo
Mit dem neuen System bringt Specialized auch neue Ladegeräte und legt den Fokus klar auf Speed. Es gibt einen Standard-Charger (5 Ampere) und einen Smart-Charger (12 Ampere). Letzterer gehört nur beim S-Works zum Lieferumfang, für die anderen Modelle muss man ihn extra kaufen – für saftige 499 Euro. Der Smart-Charger soll den 840-Wh-Akku laut Specialized in ca. 55 Minuten von 0 auf 80% bringen, eine volle Ladung dauert etwas über zwei Stunden – Werte, die im Test grob bestätigt wurden und eine echte Ansage sind! Allerdings: Der Smart-Charger ist mit 2,5 kg ein echter Brocken und ziemlich klobig, was ihn für unterwegs unpraktisch macht. Praktisch wiederum: Direkt am Lader lassen sich verschiedene Lademodi (schnell, normal, langsam/Eco, bis 80%) per Knopfdruck wählen. Mit 3 Stunden und 45 Minuten kann aber auch das normale Ladegerät mit ziemlich kurzen Ladezeiten überzeugen.
Bedienung, Display und Konnektivität
Im Oberrohr thront ein neues Display namens „Mastermind T3“ – größer als der Vorgänger, aber kein Touchscreen. Individualisieren lässt es sich über die Specialized App. Gesteuert wird über eine überarbeitete Lenkerremote mit Joystick und Tasten. Ein dicker Pluspunkt: Viele Einstellungen, auch das Motortuning, kann man jetzt direkt am Rad über Display und Remote erledigen, ganz ohne App-Gefummel. Was fehlt? Ein USB-C-Port oder eine ähnliche Ladeoption für Handy oder Navi.
Top dagegen: die Konnektivität. Das System spricht Bluetooth und ANT+ und koppelte im Test problemlos mit einem Garmin Edge 530 und einer Garmin Fenix Uhr (als Pulsmesser). Alle wichtigen Fahr- und Systemdaten, inklusive der eigenen Tretleistung, lassen sich auf kompatiblen Geräten anzeigen. Brandneu ist die Integration der Apple „Find My“-Technologie: Damit lässt sich das Bike über das Apple-Netzwerk orten, ähnlich wie ein AirTag. Der Sensor dafür ist unsichtbar im Rad versteckt.
Specialized Levo Gen 4 mit SWAT und Genie-Dämpfer
Der Carbonrahmen des Specialized Levo Gen 4 ist für den Einsatzbereich nach Kategorie 4 freigegeben. Optisch lehnt er sich am Levo SL an, wirkt aber durch das voluminösere Unterrohr und den Antriebsbereich massiver. Die Asymmetrie des Vorgängers ist passé. Der Rahmen ist bei allen Modellen gleich, einzige Ausnahme: der Link am Dämpfer ist beim S-Works aus Carbon, sonst aus Alu.
Oberhalb des Akkus im Unterrohr ist Platz für eine integrierte „SWAT Bag“. Die wird magnetisch gehalten und variiert je nach Rahmengröße. Haken: Man muss den Akku ausbauen, um ranzukommen. Wer den kleineren 600-Wh-Akku nutzt, gewinnt zusätzlichen Stauraum. Kabelführung? Erfolgt über den Steuerrohrbereich in den Rahmen, nicht durch den Steuersatz. Für Wartungsarbeiten praktisch: Unter dem werkzeuglos entnehmbaren Oberrohrdisplay hat man einfachen Zugang zu sämtlichen Kabeln und Leitungen. Hier lässt sich über einen optionalen Y-Splitter auch ein Frontlicht mit bis zu 24 W anschließen.
Der Hingucker im Heck: In allen Modellen steckt der „Genie Shock“-Dämpfer, eine Co-Produktion mit Fox, die man schon vom Levo SL Gen 2 oder dem aktuellen Stumpjumper kennt. Sein Trick: zwei Positiv-Luftkammern. Eine äußere Kammer schließt sich in den letzten 30% des Hubs, reduziert das Luftvolumen und lässt die Progression kräftig ansteigen. Das soll feines Ansprechen über fast den gesamten Federweg mit hohem Durchschlagschutz verbinden. Der Dämpfer hat das Standardmaß 210×55 mm und lässt sich bei Bedarf gegen andere Modelle tauschen.
Modelle, Ausstattung und Preise: Das Sparschwein wird fällig
Specialized startet das Levo Gen 4 mit vier Ausstattungspaketen: Comp, Expert, Pro und S-Works. Preislich geht’s bei rund 8.000 Euro für das Comp los und endet bei stolzen 14.500 Euro für das S-Works Topmodell. Ein Rahmenset auf S-Works-Niveau (inkl. Dämpfer, Motor, Akku) kostet 7.500 Euro.
Was alle gemeinsam haben: SRAM Transmission Schaltungen (elektronisch) und die neuen SRAM Maven Bremsen. Ebenso Standard: der 840-Wh-Akku und der Genie-Dämpfer. Auch Variostützen mit ordentlich Hub sind überall dabei.
Motor: Specialized 3.1 S-Works
Akku: 840 Wh
Gabel: Fox 38 Factory GripX2
Dämpfer: Fox Float X Factory GENIE
Schaltung: Sram XX T-Type
Bremsen: Sram Maven Ultimate
Felgen: Roval Traverse HD Carbon
Naben: DT Swiss 240
Stütze: Fox Transfer Neo
Gewicht: 23,7 kg
Preis: 14.499 Euro
Die Unterschiede stecken vor allem in Fahrwerkskomponenten, Laufrädern, Anbauteilen und im Falle des S-Works, beim Motor. Das Comp-Modell rollt z.B. mit einer Fox 36 Rhythm Gabel, während die teureren Geschwister Fox 38 Gabeln (Performance Elite oder Factory) bekommen. Das Expert-Modell mixt ein Performance-Elite-Fahrwerk mit GX Eagle Transmission und Maven Silver Bremsen. Unser Testbike, das S-Works, glänzt mit Fox Factory Fahrwerk (38er Gabel mit GripX2, Genie Dämpfer), Maven Ultimate Bremsen, Roval Traverse Carbonlaufrädern und einer elektronischen Fox Transfer Neo Vario-Stütze. Gewichtsunterschiede zwischen den Modellen gibt es zwar, sie fallen aber nicht besonders groß aus.
Rahmen | FACT 11m Carbon / Carbon Link |
Federgabel | Fox 38 Factory GripX2 |
Antrieb | Specialized 3.1 |
Akku | 840 Wh |
Dämpfer | Fox Float X Factory Genie |
Laufräder | Roval Traverse HD Carbon / DT Swiss 240 |
Reifen VR | Specialized Butcher T9 GridGravity |
Reifen HR | Specialized Butcher T9 GridGravity |
Schaltwerk | Sram XX Eagle Transmission |
Schalthebel | Sram AXS Pod Ultimate |
Kurbel | Sram XX Carbon |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Sram Maven Ultimate |
Bremsscheiben | Sram HS2 220 / 200 mm |
Sattelstütze | Fox Transfer Neo (200mm / S4) |
Sattel | Specialized Power Pro |
Vorbau | Industry9 A35 |
Lenker | Race Face Era Carbon |
Konzeptionelle Ausrichtung: Klarer Fokus auf Robustheit!
Auffällig ist die durchweg robuste Spezifikation des Specialized Levo Gen 4. Alle Modelle kommen mit Specialized Butcher Reifen in der schweren Gravity-Karkasse mit weicher Gummimischung vorn wie hinten – fette Schlappen! Dazu die potenten (und schweren) Maven-Bremsen (220 mm vorn, 200 mm hinten) und die steifen Fox 38 Gabeln (außer Comp). Das schreit nach Abfahrts-Performance und Haltbarkeit.
Die Ausstattung geht etwas gegen den Trend und ist ein spannender Kontrast zu den nominell „nur“ 160 mm Federweg vorn und 150 mm hinten. Allerdings: Specialized gibt den Rahmen auch für Gabeln bis 180 mm Hub frei und sagt explizit „Ja“ zu Stahlfederdämpfern. Man kann das Rad also noch potenter aufbauen.
Diese ab Werk gewählte, eher abfahrtslastige Spezifikation treibt aber auch das Gewicht nach oben. Man fragt sich: Wäre eine alternative Konfiguration – etwa mit dem leichteren 600-Wh-Akku und Trail-Reifen (wie beim Vorgänger Butcher vorn / Eliminator hinten) – nicht eine interessante Option für mehr Leute gewesen, um auf 21-21,5 kg zu kommen, ohne die Grund-Performance zu limitieren? Die aktuelle Spec zielt jedenfalls klar auf maximale Leistung im harten Gelände und große Reichweiten ab. So bringt das Bike aber auch mehr als ein Kilogramm mehr auf die Waage als der Vorgänger.
Das Specialized Levo Gen 4 auf dem Trail
Die Geometrie des Specialized Levo Gen 4 hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht entscheidend geändert. Sie bleibt vielseitig, nicht zu extrem, aber durchaus modern. Bei den Verstellmöglichkeiten orientiert man sich am Levo SL Gen 2: Neben Lenkwinkel (+-1°) lassen sich auch die Tretlagerhöhe und die Kettenstrebenlänge einstellen. Vor allem Letztere macht einen großen Unterschied: Die ab Werk ziemlich kurzen Kettenstreben mit 435mm lassen sich so auf etwas „üblichere“ 444mm verlängern.
S2 | S3 | S4 | S5 | S6 | |
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Sitzrohr (in mm) | 390 | 405 | 425 | 445 | 465 |
Reach (in mm) | 435 | 455 | 480 | 505 | 535 |
Stack (in mm) | 618 | 626 | 638 | 652 | 667 |
Lenkwinkel (in °) | 64.5 | 64.5 | 64.5 | 64.5 | 64.5 |
Sitzwinkel eff. (in °) | 77 | 77 | 77 | 77 | 77 |
Tretlagerhöhe (in mm) | 350 | 350 | 350 | 350 | 350 |
Kettenstreben (in mm) | 435 | 435 | 435 | 435 | 435 |
Oberrohr horiz. (in mm) | 578 | 599 | 627 | 655 | 689 |
Steuerrohr (in mm) | 95 | 103 | 117 | 132 | 149 |
Kraftvoll und anpassungsfähig
Der neue Specialized 3.1 Motor (im S-Works getestet) hinterlässt einen bärenstarken Eindruck. Er kombiniert das bekannte natürliche Fahrgefühl und die gute Dosierbarkeit früherer Levos mit einem jetzt deutlich spürbaren Plus an Kraft und Durchzug. Ein echtes Kraftpaket, mehr als genug für alle Lagen, das über einen breiten Trittfrequenzbereich gut mitspielt. Ganz an die brachiale Power des DJI Avinox kommt der neue Specialized Antrieb jedoch nicht heran. Das Anfahren fühlt sich natürlich an, kein abruptes „Moped-Feeling“, auch wenn man sich manchmal ein noch direkteres Ansprechen wünschen könnte – wohl der Preis für die Natürlichkeit.
Ein Highlight: der überarbeitete „Overrun“ (Nachlauf). Der schiebt nicht nur kurz nach, sondern das Ausklingen der Unterstützung ist so gemacht, dass es sich in technischen Uphills super natürlich anfühlt und hilft, den Schwung mitzunehmen, wenn man mal kurz nicht treten kann. Bergauf helfen auch die griffigen Reifen und die verstellbare Geometrie. Besonders die längere Kettenstreben-Einstellung (444 mm via Flip-Chip) ist bergauf eine Empfehlung: Hält das Vorderrad besser am Boden, ohne die Agilität zu sehr zu schmälern, und verbessert die Laufruhe.
Zum Anpassen der Power gibt’s neben den klassischen Stufen einen Automatikmodus (passt Leistung dynamisch an, z.B. an die Steigung) und den neuen „Dynamic Micro Tune“. Damit lässt sich die Progression der Motorunterstützung feinstufig (10 Stufen) per Lenkerremote einstellen – also wie viel Eigenleistung man für die volle Motor-Power bringen muss. Das erlaubt superfeines Tuning der Motorcharakteristik während der Fahrt!
Souverän und vielseitig
Auf dem Trail gibt das Specialized Levo Gen 4 viel Sicherheit und Souveränität. Das Fahrwerk, besonders der Hinterbau mit dem Genie-Dämpfer, arbeitet auf Top-Niveau und fühlt sich subjektiv nach mehr als den 150 mm Federweg an, die auf dem Papier stehen. Die Charakteristik ist eher satt und schluckfreudig und weniger extrem verspielt oder poppig – wobei man hier per Dämpfer-Tuning nachhelfen kann. Das Bike giert nach Geschwindigkeit und schenkt dabei viel Vertrauen.
Die Sitzposition? Exzellent. Die Rahmensteifigkeit? Kein Grund zur Klage. Das Handling ist intuitiv und gutmütig. Davon profitieren weniger erfahrene Biker (mehr Sicherheit!), aber auch Könner, die das Potenzial voll ausreizen können. Die vielen Geo-Anpassungsmöglichkeiten machen das Paket noch vielseitiger.
Geräuschentwicklung: Motor hörbar, Rahmen leise
Ein Punkt, wo sich das Specialized Levo Gen 4 klar vom Vorgänger unterscheidet: die Lautstärke des Motors. Der neue Antrieb ist lauter als sein fast lautloser Vorgänger. Bergauf hört man ein deutliches Summen, je nach Unterstützungsstufe mal mehr, mal weniger. Er wird nie nervig laut, aber wer die Stille des alten Motors gewohnt war, muss sich umgewöhnen. Bergab ist das Rad insgesamt leise, aber nicht komplett still. Im Test war vereinzelt ein leises Klappern oder Geräusch aus dem Rahmeninneren zu hören – woher genau, war unklar (Akku? Leitungen?). Gestört hat dieses Geräusch beim Fahren aber nicht.