Radsport: Auch wenn gelb die begehrteste Farbe der Tour de France ist, gibt es viele Fahrer die sich eine andere Farbe zum Ziel gesetzt haben. Eine davon ist grün. Das Grüne Trikot wird häufig auch als Sprintertrikot bezeichnet. In Deutschland wird das Trikot des punktbesten Fahrers sofort mit Erik Zabel verknüpft. Auch in diesem Jahr gibt es unter den aussichtsreichsten Kandidaten zwei Deutsche.
Das Grüne Trikot bekommt nicht automatisch der Endschnellste
Das Maillot Vert bekam bis zum Jahre 2011 fast automatisch immer der Fahrer, der im Ziel die meisten Punkte sammeln konnte. Dies hat sich grundlegend verändert, denn die Punktevergabe bei den Zwischensprints wurde drastisch erhöht, so dass das Sammeln im Zielsprint nicht mehr ausreichend ist. Zwar gab es im Jahr 2015 eine erneute Anpassung, doch fest steht weiterhin, dass das Grüne Trikot nur dann gewonnen werden kann, wenn man sich auch an den zahlreichen Zwischensprints beteiligt. Rekordsieger ist bis heute Erik Zabel, der sich das Maillot Vert von 1996 bis 2001 gleich sechsmal in Folge sichern konnte. In den vergangenen vier Jahren profitierte der Slowake Peter Sagan von der Regeländerung. Durch die Zwischensprints und seine Ausreißversuche auf hügeligen oder gar bergigen Etappen war er den reinen Sprintern stets mehrere Radlängen voraus. Auch in diesem Jahr gilt der Weltmeister als Topfavorit, doch die beiden Deutschen André Greipel und Marcel Kittel könnten die Siegesserie in diesem Jahr stoppen.
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Peter Sagan (Team Tinkoff)
Der aktuelle Weltmeister Peter Sagan ist auf dem besten Weg, Erik Zabel in zwei Jahren einzuholen. Bereits viermal in Folge, von 2012 bis 2015, konnte der Slowake das Grüne Trikot gewinnen. Seine unnachahmliche Art Rad zu fahren begeistert die Massen. Auch wenn er in einem flachen Zielsprint selten die Nase vorn hat, wenn es gegen die schnellsten Sprinter der Welt geht, besticht er durch seine Konstanz. Bei einem Massensprint ist mit Peter Sagan immer zu rechnen. Beteiligt er sich dieses Jahr erneut an jedem Massen- und Zwischensprint, dann wird er erneut kaum zu schlagen sein. Besonders seine Ausreißaktionen auf hügeligen oder gar bergigen Etappen sorgten immer wieder für einen großen Vorsprung. Sollte Alberto Contador jedoch die Hilfe von Peter Sagan desöfteren beanspruchen und das Ziel Grünes Trikot damit in den Hintergrund rücken, ist die Tür für seine Herausforderer einen Spalt offen. In diesem Jahr konnte der Weltmeister sechs Siege einfahren, darunter auch die Klassiker Gent-Wevelgem und die Ronde van Vlaanderen. Seine Tour de France Etappensiege liegen bereits einige Zeit zurück. Zusammen insgesamt vier Siege feierte er in den Jahren 2012 und 2013. In den beiden letzten Austragungen landete er neunmal auf dem zweiten Rang.
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Marcel Kittel (Team Etixx-Quick Step)
Der deutsche Marcel Kittel ist aktuell zweifelsohne der beste Sprinter der Welt. 2013 und 2014 feierte er je vier Etappensiege. Im letzten Jahr stand er auf Grund seiner Nichtnominierung nicht am Start. Nach seinem Teamwechsel zu Etixx-Quick Step und seiner verheilten Verletzung ist er 2016 allerdings wieder mit dabei. Bereits neun Rennen konnte er in diesem Jahr für sich entscheiden. Seine Dominanz beim Giro d’italia war für die Konkurrenz erschreckend. Das Teamaufgebot deutet daraufhin, dass der Teamchef vor allem auf Etappensiege und eventuell auch das Grüne Trikot spekuliert. Bisher hat sich Marcel Kittel allerdings nie auf das Grüne Trikot konzentriert, da Peter Sagan unschlagbar schien. Nach der Regeländerung im letzten Jahr könnte sich dies geändert haben. Sollte sich Marcel Kittel erneut vier Etappen holen und sich gleichzeitig an den Zwischensprints beteiligen, ist er neben Peter Sagan definitiv der aussichtsreichste Kandidat.
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André Greipel (Team Lotto-Soudal)
Ein weiterer deutscher Fahrer wird dafür sorgen, dass wir in diesem Jahr viele deutsche Sprintduelle sehen könnten. Gemessen an der reinen Endgeschwindigkeit kann Marcel Kittel, wenn überhaupt, nur ein Fahrer das Wasser reichen: André Greipel. Der Fahrer vom Team Lotto-Soudal gewann beim Giro d’Italia direkt drei Etappen, doch bei keinem seiner Siege musste er in das direkte Duell mit Marcel Kittel gehen. Die Kräfteverhältnisse sind in diesem Jahr also noch nicht geklärt, auch wenn Greipel bei der Deutschen Meisterschaft Kittel überraschte und damit keine Chance ließ. Auf mehreren Flachetappen wird es erwartungsgemäß einen Sprint geben, indem sich die beiden Deutschen dann zu Höchstleistungen anspornen werden. Dass André Greipel jedoch etwas kleinere Chancen zugestanden werden, liegt an seiner fehlenden Konstanz. Pro Rundfahrt muss mit mindestens ein oder zwei Flachetappen gerechnet werden, in denen André Greipel nicht vorn zu finden ist. Der Grund dafür ist seine oftmals schlechte Positionierung innerhalb der letzten Kilometer. Haben er und sein Team daran gearbeitet, dann könnte er das Grüne Trikot auch einmal bis nach Paris tragen.
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Alexander Kristoff (Team Katusha)
Der Norweger Alexander Kristoff ist im Vergleich zu Kittel und Greipel ein anderer Fahrertyp. Eingeordnet werden kann er zwischen den beiden Deutschen und Sagan, da seine Fähigkeiten an Hügeln und im Zielsprint ungefähr dem Mittelwert entsprechen. Geht es etwas welliger zur Sache, so muss er im Zielsprint mit Sagan rechnen, während die beiden Deutschen vielleicht schon distanziert wurden. Ist es tellerflach, so kommt er meist nicht auf die nötige Endgeschwindigkeit um sie zu schlagen. Da er jedoch in einem reinen Sprint stärker einzuschätzen ist als Sagan, könnte der Mittelwert am Ende die Goldene Mitte sein. Um diese zu erreichen, müsste er sich jedoch vollständig auf das Grüne Trikot konzentrieren und Sagan auch auf welligerem Terrain Paroli bieten. Mit acht Siegen in diesem Jahr sollte der Norweger in jedem Fall nicht unterschätzt werden.
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Nacer Bouhanni (Team Cofidis)
Frankreichs Hoffnung auf den Flachetappen ruht in erster Linie auf Nacer Bouhanni. Auch er kann auf insgesamt acht Siege in diesem Jahr zurückblicken. Jedoch wartet er noch immer auf seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France. Nach seinem Wechsel zu Cofidis kann er auf seine Teamkollegen und Anfahrer Borut Bozic und Jeoffrey Soupe bauen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich Nacer Bouhanni auf das Grüne Trikot konzentrieren wird. Viel wichtiger für ihn werden die Zielankünfte sein, um endlich den lang ersehnten Etappensieg feiern zu können. Um wichtige Kräfte zu sparen, wird er vermutlich früher oder später auf die Zwischensprints verzichten.
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Mark Cavendish (Team Dimension Data)
Müssten nur fünf Fahrer genannt werden, die aussichtsreiche Chancen auf das Grüne Trikot haben, dann würde man in diesem Jahr wohl Mark Cavendish weglassen müssen. Der Brite gewann in seiner Karriere unglaubliche 26 Tour de France Etappen, drei bei der Vuelta und 15 beim Giro. Doch dies sind Erfolge vergangener Tage, denn die guten Ergebnisse von Mark Cavendish haben in den letzten Jahren stark nachgelassen. In den vergangenen beiden Jahren konnte er bei den drei Grand Tours nur einen Sieg feiern. 2016 gewann er drei Rennen, doch dabei war die Konkurrenz eine ganz andere als es hier bei der Tour de France der Fall sein wird. Deshalb sollte Mark Cavendish nahezu chancenlos sein. Ganz davon abgesehen wird er sich voraussichtlich sowieso nur um die Zielsprints kümmern und das Grüne Trikot außen vor lassen. Schließlich hat er es bereits bei sich Zuhause hängen, da er die Punktewertung 2011 gewinnen konnte. Damit ist er der letzte Sieger bevor Peter Sagans Serie begann.
Sprint Royale um das Grüne Trikot
Bei der Tour de France stehen traditionell die besten Sprinter am Start. Zahlreiche Flachetappen sorgen für viele Chancen auf Etappensiege und das Grüne Trikot. Neben den neun genannten Fahrern gibt es natürlich noch rund ein Dutzend weitere, die in den Zielsprints und den Zwischensprints mit reinhalten werden. John Degenkolb macht das schnelle deutsche Trio perfekt. Seine Stärken liegen jedoch, wie auch bei Michael Matthews eher in ansteigenden Zielgeraden. Edvald Boasson Hagen scheint wiedererstarkt zu sein und auf Grund seiner Stärke an Hügeln könnte er das Grüne Trikot ins Auge gefasst haben. Greg Van Avermaet ist ebenso ein Kandidat, auf den diese Eigenschaft zutrifft, doch beide dürften in den Zielsprints zu viele Punkte liegen lassen und am Ende an ihrer Konstanz und der zu starken Konkurrenz scheitern. Der 23-jährige Dylan Groenewegen dürfte genauso wie der 24-jährige Julian Alaphilippe und der 24-jährige Bryan Coquard noch keine große Rolle spielen, auch wenn ihnen eine Überraschung auf der ein oder anderen Etappe durchaus zuzutrauen ist. Der Kampf um das Grüne Trikot kann sowieso nur dadurch entschieden werden, ob Peter Sagan weiterhin alles daran setzen wird, diese Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Die besten Sprinter der Welt werden sich bei den flachen Etappenankünften die Punkte gegenseitig wegnehmen. Sollte es einem Fahrer gelingen, mehrere Flachetappen zu gewinnen und gleichzeitig beteiligt er sich auch fleißig an den Zwischensprints, dann könnte es eng für den Weltmeister werden. Am ehesten zuzutrauen ist dies sicherlich Marcel Kittel und André Greipel. Wir können also aus deutscher Sicht wieder mit Spannung den Zielankünften entgegenfiebern und die Daumen drücken. Vielleicht ist in Paris dann ja alles im grünen Bereich.
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